Eine Zwischenübernachtung in Leipzig. Ein Hotel nördlich der Innenstadt und ein freier Abend. Auf geht’s, das sollte mindestens für einen Biereinkauf und eine Einkehr irgendwo reichen. Und so führt mich ein kurzer Spaziergang bis in die Innenstadt, dann einmal eine links-rechts Kombination, und schon stehe ich, wie von Onkel Google empfohlen wurde, in der Katharinenstraße vor dem kleinen Geschäft BierFreunde.
Freundlich grüßt mich der passende Schriftzug im Schaufenster, und einen Augenblick später schon stehe ich zwischen den sauber sortierten und pedantisch aufgeräumten Regalen, die sich an beiden Seiten des schmalen Verkaufsraums entlangziehen.
Die Beschriftung der Regale auf schwarzen Tafeln und mit einfacher, weißer Kreide ist klar und deutlich: Deutschland. Skandinavien. Insel (soll wohl Großbritannien umfassen). Gekühlte Spezialitäten. Limos & Wegbier. Klare Ansagen, um das Stöbern zu erleichtern.
Ich schaue sicherheitshalber noch einmal in meinen Rucksack. Er ist fast leer, Platz genug für ein paar Flaschen ist vorhanden. Na, dann… Dann macht das Stöbern in den Regalen gleich noch mehr Spaß.
Vorrangig interessiert mich das Deutschland-Regal, und dort wiederum die lokalen Spezialitäten aus der Umgebung. Gedanklich ziehe ich einen 100 km Kreis um Leipzig und mache mich auf die Suche.
„Kann ich Dir irgendwie helfen?“ Ein junger Mann steht hinter mir. Im Moment sind keine anderen Kunden im Laden, er hat viel Zeit, mich zu beraten. „Klar“, erwidere ich, „gib mir doch mal ein paar Tipps zu spannenden Bieren aus der Region.“
Gemeinsam gehen wir die Regalfächer entlang. „Hier, die Biere von Weisse Elster, die kann ich Dir empfehlen“, heißt es. „Zur Zeit noch als Gipsy-Brauer hergestellt, aber die Eigner der Goldhopfen-Craftbier-Bar nicht weit von hier planen derzeit auch eine eigene Brauerei.“ Kein Problem, die ersten Flaschen wandern in meinen Rucksack.
„Das Labieratorium in Cottbus, das sind auch immer außerordentlich spannende Biere“, kommt der nächste Tipp, und erneut packe ich ein paar Flaschen zusammen. Insbesondere die Etiketten gefallen mir sehr – mal etwas völlig anderes.
Ich greife zur nächsten Flasche. „Kevin?“, frage ich vorsichtig. Assoziationen zu den Kevins dieser Welt kommen auf. Ist der Name Kevin Brewery jetzt ernst gemeint oder Ironie, frage ich mich selbst. Mein freundlicher Berater scheint meine Gedanken lesen zu können. „Kevin ist so ostdeutsch, wie es nur sein kann. Es ist eine Band und die Jungs haben auch angefangen, zu brauen. Musik und Bier. Passt doch!“ Ja, passt doch. Und warum auch nicht eine ordentliche Portion Selbstironie. Kevin-Bier also.
Wir kommen von Hölzchen auf Stöckchen, und irgendwann auch zur Geschichte des kleinen Bierladens. Eigentlich hieße er ja nicht mehr BierFreunde, heißt es, sondern seit letztem Jahr gehöre das Lädchen zur Bierothek-Kette. Die ursprünglichen Eigner, Sebastian Bertholdt und Marie Köhler, hätten das Projekt BierFreunde im Herbst 2014 begonnen, aus Spaß an der Freude und am Bier. Obwohl selbst keine wirklichen Bierkenner, sondern nur Liebhaber, haben sie es offensichtlich trotzdem geschafft, den kleinen Laden zu etablieren. Dann, knapp drei Jahre später, hätte sich die Gelegenheit ergeben, dass die Bierothek den Laden übernimmt, und so hätten die beiden sich mittlerweile anderen Projekten zugewandt, die gar nichts mehr mit Bier zu tun hätten. Und nun sei es eine von fast zehn Bierotheken. Aber der Name BierFreunde sei etabliert, und so bliebe er am Schaufenster vorerst auch noch dran.
Aha! Spannende Geschichte. Mit der Bierothek-Kette scheint sich im südostdeutschen Raum eine neue Macht auf dem Craftbiermarkt zu etablieren. Ob das gut ist oder nicht? Ich mag es nicht beurteilen. Wirtschaftlich arbeitet eine solche Kette vermutlich effizienter als mehrere kleine und unabhängige Läden, kann wohl besser und billiger einkaufen und möglicherweise auch selbst importieren. Ob dann aber winzige Hobbyknauper da noch eine Chance haben, gelistet zu werden, oder ob das ganze Konzept irgendwann einmal zu kommerziell werden wird? Wer weiß. Echte Bedenken habe ich nicht, ein völlig ungetrübtes Vertrauen aber auch nicht. Man hat ja schon so viel erlebt, und auch in der noch jungen Kreativbier-Szene beginnen so langsam die ersten Verdrängungsprozesse und die ersten damit verbundenen Überlebenskämpfe.
Für den Moment erfreue ich mich aber völlig ungestört an meiner Bierbeute. Der Rucksack ist prall und schwer geworden. Ich blicke mich noch einmal um und sehe im Schaufenster ein Stillleben aus Bierflaschen und Briketts. Frege steht auf den Flaschenetiketten. „Was hat es denn damit auf sich?“, will ich wissen. „Das ist unser eigenes Bier. Benannt nach dem Frege-Haus hier in der Katharinenstraße, in dem wir uns befinden. Frege Kohlenstoff heißt das Bier, und es ist ein Coffee-Stout, also ein Schwarzbier mit Kaffee.“ Klar, dass auch davon noch eine Flasche in meinen Rucksack wandert.
Zufrieden trolle ich mich nun meines Wegs und lasse meinen kurzen Besuch hier in der Bierothek® Leipzig / BierFreunde gedanklich Revue passieren. Die Bierauswahl war gut, es waren viele neue Marken im Angebot, die ich nicht nur noch nicht getrunken habe, sondern zum Teil überhaupt noch gar nicht kannte. Die Beratung war auch einwandfrei, der junge Mann hat viel zu erzählen gewusst, und es war kurzweilig. Die Preise hätten einen Hauch niedriger sein können, die Endsumme war schon fast an der Schmerzgrenze. Es waren keine echt aufwändig gebrauten Biere mit jahrelanger Holzfasslagerung oder ähnlichen Kapriolen in meiner „Beute“, die den Preis signifikant in die Höhe hätten treiben dürfen. Aber, ach, andererseits: Die Hatz nach Billigbieren hat den deutschen Biermarkt doch dorthin gebracht, von wo er sich jetzt mit Mühe wieder erholen muss. Sei’s drum. Wenn die Biere schmecken, dann sollen sie ihren Preis auch haben.
Die Bierothek® Leipzig / BierFreunde ist täglich von 10:00 bis 20:00 Uhr durchgehend geöffnet; sonntags ist Ruhetag. Durch die zentrale Lage in der Innenstadt ist der kleine Laden problemlos zu Fuß und mit den Öffis zu erreichen; von der Straßenbahnhaltestelle Goerdelerring sind es gerade einmal zwei Minuten, und dort halten die Bahnen der Linien 1, 3, 4, 7, 9, 12, 14 und 15 – also gefühlt fast alle…
Ein kleiner Nachtrag vom selben Tage: Nicht alle in Leipzig scheinen begeistert davon zu sein, dass die Bierothek die BierFreunde übernommen hat. Auf der Seite Bier in Leipzig mokiert man sich ein wenig über das Geschäftsgebaren und wartet auch mit kräftiger Kritik an einer angeblichen Fotomontage auf. Was davon wahr und was falsch ist, kann ich nicht sagen, aber einen Klick und eine schnelle Lektüre, um sich selbst ein Bild von dieser Kritik zu machen, kann ich empfehlen.
Die Bierothek® Leipzig / BierFreunde
Katharinenstraße 11
04 109 Leipzig
Sachsen
Deutschland
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