Brauerei Gasthof? Alles klar, weiß ich Bescheid! Zwei schöne Kupferkessel im krachledernen Schankraum, ein Reisebus voller Rentner, große Portionen und dazu vor Ort gebrautes Hausbier. Hell, Dunkel, Weizen. Schon klar.
Zwönitz? Das sind doch die, die schon seit Jahren Biere jenseits des Reinheitsgebots brauen und schon mit Kräuterbieren und Bieren mit Erdbeerblättern und so experimentiert haben, als man in Deutschland noch im Wörterbuch nachschlagen musste, was Craft Beer heißt. Genau die!
Brauerei Gasthof Zwönitz. Zwei Sichtweisen. Wie gehen die zusammen?
Völlig problemlos, stelle ich fest, als ich nach langer und kurviger Fahrt durch das verschneite Erzgebirge in Zwönitz angekommen bin, mein Auto abgestellt habe und den Gasthof betrete. Mich empfängt viel rustikales Holz, fast schon eine Blockhüttenatmosphäre, und als ich rechter Hand neben der Theke zwei kleine Stufen hinaufgehe und den großen Gastraum betrete, in dem das Sudwerk steht, bestätigen sich alle, aber auch wirklich alle Vorurteile des ersten Absatzes: Am Stirnende steht ein kupfern glänzendes Sudwerk, dekoriert mit einer alten Sackkarre, etwas Gerste, einem Holzfass und einer hölzernen Schöpfkelle. Der Saal ist rappelvoll, alle Plätze sind besetzt. Und es sind Rentner, die mit dem Reisebus hierhergekommen sind, deftiges Essen in großen Portionen genießen und dazu ihre klassischen, deutschen Bierstile genießen. Das eherne Brauhaus-Triplett Hell, Dunkel, Weizen.
Ich drehe um und suche mir in einem anderen Raum einen Platz, komme dabei noch einmal an der Theke vorbei und sehe ein ganzes Sortiment verschiedener Flaschenbiere dort stehen: Einhorn-Bier, Liebesbier, Rauchbier. Deutlich jenseits des klassischen Tripletts. Und auch das beworbene Tagesgericht, Scharfes Hühnchen, also Penne mit Hühnerbruststreifen und viel, viel Chili ist ganz gewiss nicht das, was die Rentner auf ihren Tellern haben.
Im Brauerei Gasthof Zwönitz versteht man es also, beiden Zielgruppen, den konservativen, meist etwas älteren Herrschaften, wie auch den experimentierfreudigen, tendenziell eher etwas jüngeren Bierliebhabern gleichermaßen entgegenzukommen.
Ich bin heute leider nur auf der Durchreise, muss mich auf ein kleines Bier zum scharfen Essen beschränken und nutze die Mittagspause, um abzuschalten und mich ein wenig mit der freundlichen Bedienung zu unterhalten, und nebenbei suche ich mir auf dem Telefon ein paar mehr Informationen über die Brauerei zusammen. Seit 1997 gibt es den Brauerei Gasthof Zwönitz. Im alten Schützenhaus, das zu DDR-Zeiten auch als ORWO-Ferienheim diente, steht das Sudwerk – eine gemeinsame Konstruktion der Firmen Caspary, Schulz und Ziemann, so wie sie seinerzeit häufiger gebaut wurde.
Ein klassischer Gasthausbrauerei-Betrieb, der aber schon bald entdeckte, dass man auf einer so kleinen Anlage natürlich auch wunderbar experimentieren kann. Zum Beispiel mit Kräutern. Ich erinnere mich, wie ich schon vor acht Jahren auf der Berliner Biermeile das Kräuterbier aus Zwönitz getrunken habe und begeistert davon war, wie die verschiedenen Aromen miteinander und mit dem Hopfen und dem Malz des Basisbiers harmonierten. Oder die verschiedenen Kombinationen von Früchten mit Weißbier – das Holunderweizen, beispielsweise. Zu dieser Zeit war das regelrecht rebellisch, auch wenn es heute keinen echten Craftbierfanatiker mehr überrascht.
Zum Essen bestelle ich mir heute aber etwas eher Konservatives, das Feieromd-Bier, ein leicht bernsteinfarbenes Wiener Lager. Rund und malzig, kräftig im Geschmack und trotzdem süffig. Passt zum scharfen Essen ganz hervorragend.
Zwischendurch mache ich einen kleinen Rundgang, fotografiere die kupfernen Sudkessel und werfe durch die Glasscheiben einen Blick in die Gär- und Lagerräume. Offene Gärbottiche entdecke ich, und ein geschickt angebrachter Wandspiegel ermöglicht den fast ungehinderten Blick auf die dicken Kräusen. Im Nachbarraum stehen die Edelstahltanks, in denen das Bier reift, und daneben sogar ein paar Holzfässer, in denen besondere Bierspezialitäten fassgelagert werden.
Man experimentiert hier recht gerne, und gelegentlich testet man auch die Grenzen des manchmal lächerlichen deutschen Rechtsverständnisses. Sehr spannend die Geschichte rund um das Einhorn-Bier, das vor etwa einem Jahr hier zum ersten Mal gebraut wurde. Das Fabelwesen ist ja derzeit, warum auch immer, bei den jungen und jüngsten Damen sehr beliebt, und wer kann es da der Brauerei verdenken, wenn sie auf den Marketingzug aufspringt und ein Weizen mit Himbeeren braut, das mit seiner rosa Farbe perfekt zum Trend passt. Das Einhorn-Bier war geboren.
Doch Brauer Dominik Naumann vom Brauerei Gasthof Zwönitz hatte die Rechnung wohl ohne die deutsche Bürokratie gemacht, die die Bezeichnung Einhorn-Bier recht rasch wieder einkassierte. Angeblich mit der Begründung, dass dieses Bier eine Verbrauchertäuschung darstelle – es sei ja schließlich kein Einhorn drin.
Grandios! Im Jägerschnitzel sind keine Jäger drin, in der Kinderschokolade keine Kinder, und Babyöl wird ebenfalls nicht aus Säuglingen gewonnen. Trotzdem sind die Bezeichnungen erlaubt. Und dass es sowieso keine Einhörner gibt, es sind ja schließlich nicht ohne Grund Fabelwesen, spielt bei der Entscheidung wohl auch keine Rolle. Nun ja, deutsche Ämter scheuen sich anscheinend nicht, sich lächerlich zu machen.
Ob die Geschichte so stimmt? Oder ob mehr dahintersteckt? Schön wäre es, wenn man vom Deutschen Brauer-Bund etwas dazu erfahren könnte, aber wie immer bei kritischen Themen: Schweigen. Das Stichwort „Einhorn“ liefert bei einer Suche auf der Homepage des Brauer-Bunds exakt null Treffer. Stattdessen beschäftigt man sich in seinen Pressemitteilungen lieber mit Selbstbeweihräucherungen und beispielsweise damit, wie man unter Zuhilfenahme von alkoholfreiem Bier und Biermischgetränken die Statistiken so hinbiegt, dass der beängstigende Rückgang des Bierdurstes der Deutschen nicht gar so auffällt und man sich weiterhin selbstzufrieden und bräsig auf die Schulter klopfen kann: „blickte der Deutsche Brauer-Bund (…) gleichwohl optimistisch in die Zukunft“.
Einhorn-Bier gibt es also in Zwönitz nicht mehr, es heißt ab sofort Zwönitzer Hörnchen. Nur ein paar Flaschen mit dem alten Etikett stehen noch herum.
(Und ich bin gespannt, wann die Behörden mit der gleichen Begründung auch das Hörnchen umbenennen lassen, denn Hörnchen wurden schließlich ebenfalls nicht mit verbraut – weder mit Mohn noch ohne!)
Zum Abschluss besuche ich noch den Getränkemarkt im hinteren Gebäudebereich, wo man nicht nur die Zwönitzer, sondern eine Reihe weiterer Biere sowie zahlreiche kleine Souvenirs und Geschenkpakete rund ums Bier kaufen kann – Bierliköre und Bierbrände eingeschlossen. Im Gegensatz zum Gasthof ist hier allerdings keine Kartenzahlung möglich, so dass ich mehr oder weniger unverrichteter Dinge wieder davonziehe.
Der Brauerei Gasthof Zwönitz ist montags bis donnerstags von 11:00 bis 14:00 Uhr und ab 17:00 Uhr geöffnet, freitags bis sonntags ab 11:00 Uhr durchgehend. Zu erreichen ist er am besten mit dem Auto; alternativ fährt die Regionalbahn ab Chemnitz, vom Bahnhof bis zur Brauerei sind es fast 20 Minuten Fußweg.
Brauerei Gasthof Zwönitz
Grünhainer Straße 15
08 297 Zwönitz / Erzgebirge
Sachsen
Deutschland
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