Cliff‘s Brauwerk Leipzig
Leipzig
DEU

Die Leibnizstraße in Leipzig. Nur spärlich erleuchtet. Eine große Baustelle, die den Zugang zur Straße auch für Fußgänger erschwert. Alte, steinerne Bürgerhäuser. Keine Leuchtreklame, nichts. Hier soll sich eine Brauerei verbergen?

Vor einer Absperrung mit Verbotsschildern ahne ich mehr, als das ich sie sehen würde, eine schwarze Tafel. „Vom Fass. Amber Lager. Mandarina Weizen. IPA.“ kann ich im Dunklen gerade so entziffern. Dahinter ein kleines Fensterchen, links daneben eine unbeleuchtete Tür. Hier muss es also sein – Cliff’s Brauwerk Leipzig.

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sehr auffällig ist die Beschilderung nicht

Vorsichtig drücke ich die Tür auf und gehe eine schmale Treppe hinunter. Ich laufe direkt auf ein paar KEGs, einen Flaschenfüller und ein paar Malzsäcke zu, biege rechts um und sehe vor mir … Horden von Fußballfans. Der winzige Schankraum ist völlig überfüllt.

Ich sehe mich einmal um, zucke mit den Achseln und will schon fast wieder umkehren, weil hier nicht einmal ein Stehplatz zu bekommen ist, als mich die Barfrau anspricht: „Warte noch fünf Minuten, dann ist hier alles leer. Das Spiel von RB Leipzig fängt bald an, die müssen jetzt los, wenn sie pünktlich im Stadion sein wollen.“ Wie alle Leipziger, mit denen ich mich heute unterhalten habe und noch unterhalten werde, spricht sie nur von „RB“ Leipzig und hütet sich, den Namen des Sponsors des Fußballvereins auch nur auszusprechen. Dessen Geld nimmt man, weil der Verein sich sonst nicht halten könnte, aber ein gewisser Ekel vor dem Geschäftsgebaren und irgendwie auch, zumindest hier in Bierkreisen, vor dem Produkt ist spürbar.

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die Ruhe nach dem Sturm

Augenblicke später stehe ich tatsächlich fast allein im Schankraum, suche mir ein Plätzchen unweit der Theke und bestelle mir mein erstes Bier, das Amber Lager. Ein schönes Alltagsbier. Ausgewogen, hopfenaromatisch, aber nicht zu bitter, sehr sauber im Geschmack. Ein Bier für den Durst. Keines zum Nippen und zum Diskutieren über jeden einzelnen Schluck, sondern ein gutes Trinkbier. Kleiner Nachteil: Wie die beiden folgenden Biere auch, etwas zu kalt gezapft.

Ich lasse das Glas also erstmal einen Moment auf dem Tisch stehen und unterhalte mich mit der Barfrau und ihrem Kollegen. Seit anderthalb Jahren gebe es Cliff’s Brauwerk Leipzig erst, und ich sei ganz gewiss nicht der erste oder der einzige Gast, der sich wundert, was sich hinter der neutralen Fassade und der engen Treppe im Keller des alten Bürgerhauses so alles verbirgt, erfahre ich. Wie mittlerweile viele andere Handwerksbrauer habe auch Cliff Schönemann den Weg als Hobbybrauer begonnen, leckere Biere zuhause gebraut, sich einen guten Ruf im Freundeskreis geschaffen und irgendwann gemerkt, dass das hausgebraute Bier schneller getrunken wurde, als er es nachproduzieren konnte. Einziger Ausweg: Aus dem Hobby ein offizielles Gewerbe machen.

Und wie Cliff es auch auf der Website seines Brauwerks selbst darstellt: Der Zufall kam zu Hilfe, das Gewölbe des alten Bürgerhauses in der Leibnizstraße bot sich an, und beginnend in 2015 wurde hier eine kleine, aber feine Brauerei eingerichtet.

Sehr viel größer als eine Hobbyanlage sei sie mit 200 l auch nicht – ein kleines Zugeständnis daran, dass die Türen, Treppen und Durchgänge hier im Keller zu klein sind. Eine größere Anlage könne man gar nicht hier herein schaffen.

„Zweihundert Liter? Lasst mich raten“, sage ich und nehme den letzten Schluck meines mittlerweile perfekt temperierten Amber Lagers. „Ist es ein Anlage von Speidel? Der große Braumeister?“ Die beiden schütteln den Kopf.

„Falsch geraten“, sagt der Barmann, „aber komm einfach mal mit, ich zeig sie Dir!“ Vorher lasse ich mir schnell noch ein Mandarina Weizen einschenken, auf dass es nach meiner Rückkehr nicht mehr gar so kalt ist, und dann gehen wir ein paar Schritte hinter die Bar, durch einen Durchgang und stehen vor einer blitzsauberen und gepflegten Brewiks-Anlage. „Ach, die Anlage vom Manuel“, stelle ich fest. Ein fragender Blick, und ich erzähle, dass ich erst letzten Mai im Allgäu die Brauerei von Manuel Günther, Barley’s Braukeller, besucht hätte, der den Vertrieb der Brewiks-Anlagen in Deutschland machen würde.

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die formschöne und gepflegte Brewiks-Anlage

„Dann brauche ich Dir über die Technik ja nicht viel erzählen“, stellt mein Brauereiführer fest. „Vier Tanks, jeder gut doppelt so groß wie das Sudwerk, macht also immer zwei Sude pro Bier. Und damit haben wir dann immer drei oder vier Biere am Hahn, je nachdem, ob der neueste Sud schon ausreichend lange gelagert hat oder noch nicht.“

Einen Speidel Braumeister sehe ich aber doch noch: Ein nagelneuer, mit Mantelkühlung und der neuesten Steuerung. „Hier experimentieren wir immer mit neuen Rezepten herum“, heißt es.

„Wir?“, frage ich.

„Cliff hat mich mittlerweile schon so weit angelernt, dass ich auch brauen kann, wenn auch unter seiner Kontrolle“, lautet die Antwort.

Mittlerweile sind wir wieder an die Schanktheke zurückgekehrt, und ich nehme einen großen Schluck von dem Mandarina Weizen. Eigentlich bin ich ja kein Weizenbier-Liebhaber, aber dieses, mit dem Mandarina Bavaria Hopfen, schmeckt ganz vorzüglich. Voll des Lobes leere ich das Glas im Nu.

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das herrlich leuchtende Mandarina Weizen

Als letztes Bier kommt nun noch das India Pale Ale, mit 7,7% Alkohol schon an der Grenze zum Imperial IPA kratzend. Während ich auch dieses Bier noch ein wenig stehen lasse… Ach, was heißt hier „auch dieses Bier“? Es muss „gerade dieses Bier“ heißen, denn die Hopfenaromen und der Malzkörper kommen doch erst dann richtig zur Geltung, wenn das Bier nicht 5° oder 6° und auch keine 8° hat, sondern eher 10°, vielleicht sogar 11°!

Also, während ich gerade dieses Bier noch ein wenig stehen lasse, erfahre ich noch, dass Cliff eigentlich kein Bier zwei Mal braut – bei einem möglichen nächsten Besuch in Leipzig würde ich also mit hoher Wahrscheinlichkeit drei oder vier völlig andere Biere hier verkosten können. Und wer weiß, vielleicht sei Cliff dann auch persönlich da, denn heute hätte ich diesbezüglich ja nun Pech gehabt.

Genug geredet. Jetzt kommt die Verkostung des IPA. Und ich bin begeistert. Von Bier zu Bier wurde es besser. Ein gutes Amber Lager, ein sehr gutes Bavaria Weizen, aber ein hervorragendes India Pale Ale, das mit einem mächtigen Malzkörper und einer genauso gewaltigen Hopfenaromatik aufwartet, beides in herrlicher Balance. Die Bitte extrem hoch und deutlich spürbar, aber auch weich, keinen Moment lang kratzig wirkend. Während viele IPAs – leider – einfach nur überhopft und bitter sind, ist dieses hier wunderschön ausgewogen. Gedanklich gebe ich fünf Sterne, was wirklich nicht oft vorkommt. Ein schöner Schlusspunkt für heute. Für den Brauereibesuch hier, aber auch für meine kleine Bierwanderung durch Leipzig. Cliff’s Brauwerk Leipzig – ein sehr gelungener Abschluss!

Der Ausschank von Cliff’s Brauwerk Leipzig ist dienstags bis sonnabends von 18:00 bis 22:00 Uhr geöffnet; sonntags und montags ist Ruhetag. Die Brauerei liegt nur wenige Schritte vom Zoogelände entfernt, und von der Straßenbahnhaltestelle Leibnizstraße mit den Linien 3, 4, 7 und 15 sind es rund drei Minuten zu Fuß in Richtung Norden.

Bilder

Cliff‘s Brauwerk Leipzig
Leibnizstraße 17
04 105 Leipzig
Sachsen
Deutschland

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