Ein kleines, gemütliches Pub im Prager Stadtteil Vinohrady, nicht weit von Hauptbahnhof und Altstadt entfernt. Fast könnte man es übersehen und gedankenlos daran vorbeilaufen, wenn man zum oder vom Náměstí Míru mit der Ludwigskirche läuft. Eine kleine und recht unauffällige Tür nur weist mit ihrer tschechisch-englischen Aufschrift darauf hin, dass es hier gutes Bier geben soll: 20 PIP Craft Beer Pub.
Zwanzig Zapfhähne? Das muss ich mir ansehen, und schon drücke ich die Tür auf. Mich empfängt ein schlichtes, aber nicht ungemütliches Interieur, nicht ganz typisch tschechisch, vielleicht eher mit ein paar englischen Anklängen.
Der Raum ist schmal, viel Platz gibt es nicht, und so weicht man in die Höhe aus, das Pub verteilt sich nämlich auf zwei Ebenen. Die lindgrün gestrichenen Wände sind mit bieriger Kunst verziert. Ich sehe Bilder und Collagen, die Biere zeigen oder mit Bier zu tun haben. In krassem Komplementärkontrast dazu die rote Wand oberhalb der Theke, die bis zum Obergeschoss reicht. Auf dem grell roten Untergrund kleben hunderte, nein mehrere tausend Bierdeckel. Keine sonderlich originelle Idee, hier aber überraschend präzise umgesetzt. Während die Bierdeckel in anderen Kneipen und Bars recht wahllos an der Wand verteilt werden, hängen sie hier sauber in Reihen und Spalten, wie mit dem Lineal ausgerichtet.
Den einen oder anderen bekannten Deckel erspähe ich, aber nach einem kurzen Moment wende ich mich dann doch lieber den schwarzen Kreidetäfelchen zu, die neben der Theke hängen und vom Bierangebot künden. 20 Píp, das heißt nichts anderes als 20 Rohre. Zwanzig verschiedene Biere sollten also im Angebot sein.
Der Pedant in mir stellt als allererstes fest: Das ist falsch. Es sind nämlich 21 Zapfhähne. Hinter der Theke sehe ich sie auf einer glänzenden Blechplatte befestigt. Zwei Reihen. Oben zehn, unten einer mehr. Macht zusammen 21. Und auch über den Täfelchen steht 20 Píp + 1.
Also 21 verschiedene Biere? Leider auch falsch, denn ein paar der Zapfhähne sind heute nicht angeschlossen, werden nicht bespielt, wie es in der Szene neuerdings heißt. „Ooops …“ heißt es auf einem der Täfelchen, „See u next time“ auf einem anderen, „Not today :(“ auf einem dritten, und ein letztes zeigt schließlich nur ein Strichmännchen mit entschuldigend erhobenen Armen. Zieht man nun noch den Cider ab, der ebenfalls angeboten wird, so bleiben sechzehn.
Nun, immerhin. Sechzehn Fassbiere, das ist ja auch schon was.
Wobei… Ich komme ins Grübeln. Müsste man nicht strenggenommen Hahn Nummer 8 auch noch abziehen? Krombacher Weizen? Das zählt doch eigentlich auch nicht! Fünfzehn spannende Biere also, und die Erkenntnis, dass es Krombacher einmal wieder gelungen ist, mit einem seiner Biere in einer Craftbier-Bar präsent zu sein. Das habe ich in Spanien schon gesehen, unlängst in Bulgarien – man scheint in Krombach eine pfiffige Vertriebsfrau zu haben, die weiß, wie man das Bier geschickt positioniert und distribuiert.
Nun ja, ein klassisch-deutsches Weizen gilt international auch immer als anerkannt, selbst wenn es aus einer Großbrauerei, einer Bierfabrik kommt.
Zurück zu den fünfzehn anderen Hähnen aber, denn diese bieten eine gute und querschnittliche Auswahl von tschechischen Kreativbieren aus kleinen Brauereien. So langsam löst sich auch Tschechien vom klassischen Lager-Ansatz, immer wieder neue, zwar sehr, sehr leckere und überaus gut trinkbare Zischbiere zu brauen, aber nur wenig zu experimentieren. Die Liste hier zeigt: Diese Phase scheint langsam überwunden. Brown Ale, Pale Ale, Double IPA, Red Lager, Imperial Vanilla Porter, Belgian Ale, Imperial Stout, Saison, Belgian Brown Ale, Imperial Pale Lager – es ist schon einiges an interessanten Stilen zu entdecken.
Ich bestelle mit das Imperial Pale Lager der kleinen Brauerei Chroust. Ein junges tschechisches Pärchen, Jirka und Karolina Chroustovsky, braut seit einiger Zeit mit viel Begeisterung. Und was soll ich sagen – begeistert bin auch ich. Jedenfalls jetzt, hier und heute vom 5,8% starken IPL, das herrlich hopfenaromatisch duftet und schön schlank und trinkbar ist.
Viel zu schnell ist das Glas ausgetrunken und ich frage die hilfsbereite Barfrau nach einer Empfehlung. Nicht zu stark, und bitte auch schön trinkbar. Kein Bier zum Nippen, heute. Dann würde sie das Saison Svarog 10° empfehlen, nur 4,0% Alkohol, gut trinkbar, aber trotzdem schön würzig mit einem sehr individuellen Aroma. Die Brauerei, die Pivovar Helf, ist vor wenigen Monaten erst eröffnet worden, und so bin ich auf das Bier gespannt. Blitzschnell wird es serviert, und es schmeckt durchaus interessant. Was nicht hundertprozentig harmoniert, zumindest nicht für mich und meinen Geschmack, ist das Zusammenspiel der phenolischen Aromen der Saison-Hefe mit dem offensichtlich gestopften oder sehr spät hinzugegebenen Hopfen. Beides für sich ist lecker, in der Kombination gefällt es mir eher nicht. Gleichwohl aber kein schlechtes Bier, und ich trinke das Glas trotz leiser Kritik mit Vergnügen aus.
Eigentlich will ich es dabei nun auch belassen, aber nach einer langen Autofahrt tagsüber bin ich scheinbar innerlich noch zu aufgekratzt. Sei’s drum, ein letztes, kleines Bier gönne ich mir noch und bestelle das Eldorado APA 13° der Brauerei Matuška, einer schon länger am tschechischen Markt etablierten Kraftbierbrauerei, die von Anfang an mit amerikanischen Stilen experimentiert hat und immer wieder neue Hopfensorten ausprobiert. So auch hier: Eldorado, ein hierzulande noch eher unbekannter Hochalpha-Hopfen.
Aber ach, hätte ich es doch bei den ersten beiden Bieren belassen. Nicht nur, dass ich jetzt einen wilden Markenmischmasch serviert bekomme (Matuška-Bier im Chroust-Glas auf Žichovec-Deckel), nein, es ist auch so, dass das Eldorado APA leider überhaupt nicht überzeugt. Die erhofften Hopfenaromen kommen dumpf und fast schon muffig daher, das Bier regt nicht zum Weitertrinken an. Da habe ich von Matuška aber schon viel Besseres getrunken…
Ein etwas ärgerlicher Abschluss also, der allerdings den positiven Eindruck einer netten, kleinen Craftbier-Bar nicht trüben sollte. Die beiden jungen Leute hinter der Bar sind kompetent, freundlich und schnell, die Bierauswahl geht einmal quer durch die Tschechische Republik und bietet für jeden Geschmack einen passenden Bierstil an, und die Atmosphäre ist sehr angenehm. Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, viele, vorwiegend jüngere Gäste kommen auf ein Bier, stehen einen Moment an der Bar, unterhalten sich, und ziehen dann weiter. Pärchen und kleine Gruppen verteilen sich, immer wieder setzt sich jemand zu einer Gruppe dazu – das 20 PIP Craft Beer Pub scheint seine Rolle als Kommunikationszentrum wohl gut auszufüllen. Sehr schön!
Das 20 PIP Craft Beer Pub ist täglich von 15:00 bis 01:00 Uhr geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen ist es problemlos mit der Metro oder der Straßenbahn; beide halten an der Station Náměstí Míru, von wo aus es nur einmal quer über den Platz bis zur Slezská-Straße ist.
20 PIP Craft Beer Pub
Slezská 1357/1
120 00 Praha
Tschechien
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