In der Kolokotroni-Straße, nur wenige Gehminuten vom Syntagma-Platz entfernt, reihen sich Kneipen und Bars aneinander, und schon tagsüber kann man hier kaum entlanggehen, ohne angesprochen und in irgendein Lokal hineingebeten zu werden. Zwar noch nicht so schlimm, wie unmittelbar rund um das Akropolis-Museum, aber doch auch schon ganz schön lästig. Nachdem ich nun schon zum dritten Mal recht hartnäckig eingeladen worden bin, starte ich zum Gegenangriff und frage den penetranten Reinschnacker, warum denn das Essen in seinem Lokal so schlecht sei?
„Wie, schlecht?“ Er schaut mich entgeistert an.
„Nun, wenn Ihr es nötig habt, die Passanten so aufdringlich anzusprechen, ist das Essen offensichtlich nicht gut genug, um für sich selbst zu werben!“ Ich drehe mich um und gehe weiter, am nächsten Reinschnacker vorbei, der unseren Wortwechsel mitgehört hat und mich nun mit breitem Grinsen passieren lässt. Unbehelligt.
Aber es wäre schade, sich von diesen nervenden Typen abschrecken zu lassen und die Kolokotroni-Straße nicht bis mindestens zur Hausnummer 6 entlang zu gehen – bis zur Bier Bar Barley Cargo.
Hier steht kein Reinschnacker, aber hier ist auch keiner nötig. Über die an der Straße stehenden Tische und Stühle hinweg kann man in den Innenbereich sehen und bemerkt sofort die aus aufeinandergestapelten Holzkisten bestehende Regalwand – gefüllt mit Bierflaschen. Mehr braucht es nicht, um hier hinein gelockt zu werden!
Von hinten indirekt illuminiert, umgeben von einem tiefblau leuchtenden Rahmen fokussieren die Boxen den Blick auf das, was das Barley Cargo so einzigartig macht: Eine Riesenauswahl an Bieren. Und diese trifft zielgenau auf unser großes Vorurteil!
Wie oft habe ich es schon gehört: Griechenland? Bier? Da gibt es doch nur das in Lizenz gebraute Amstel und das genauso grauenvolle Mythos!
Bis noch vor wenigen Jahren mag das gestimmt haben, aber mittlerweile hat in Griechenland die Aufholjagd begonnen, und wer es nicht glaubt, wird im Barley Cargo eines Besseren belehrt. Weit mehr als ein Dutzend Zapfhähne (was für ein Anfängerfehler: ich habe sie nicht gezählt) bieten ein paar internationale und viele griechische Biere an. Sollte das nicht genug sein (vielleicht, weil die Bierliebhaberin das Hotelzimmer direkt nebenan hat und nun jeden Abend hier auf den letzten Absacker einkehrt), dann finden sich in der umfangreichen Getränkekarte noch viele, viele Flaschenbiere – eben die, die schon in den Holzkisten die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Ich schwinge mich auf einen der Barhocker und bekommen vom jungen, noch etwas unsicher wirkenden Barmann schon mal ein kleines Schüsselchen mit Kartoffelchips rübergeschoben. Tja, nach was suche ich heute eigentlich? Auf was habe ich denn Appetit? Unschlüssigkeit schaue ich zwischen Getränkekarte und der Zapfhahnbatterie hin und her. Der letzte Zapfhahn weckt meine Aufmerksamkeit. Strange Brew. Merkwürdiges Gebräu. Klingt gut, und ohne weiter nachzudenken, bestelle ich ein Glas davon.
Uncle Jam’s American Stout heißt das Bier, und entstanden ist es in der Lakoniki-Brauerei, denn Strange Brew, das sind Gipsy-Brauer, wie sie auf ihrer Website auch freimütig verkünden: „Brewers without a brewery, we are here to feed your head with strange brews and unique flavors.“
Das Bier schmeckt gar nicht mal schlecht. Schöne Röstaromen, ein Hauch von Kakao, ein bisschen wie Brotkruste, frisch aus dem Backofen. Lediglich ein Hauch Säure und eine Ahnung eines metallischen Beigeschmacks stört ein kleines Bisschen – vielleicht liegt’s an gerösteter Gerste, die im Übermaß hinzugefügt sein mag? Aber sonst: Fein!
Der Barmann, der mich bedient, scheint noch ganz neu zu sein. Nicht nur, dass er noch ein wenig unsicher agiert, er ist auch nicht ganz firm, was die angebotenen Biere anbelangt. Immer wieder fragt er bei seiner Kollegin an der Kasse nach, um Fragen nach den Bieren beantworten zu können. Aber er gibt sich Mühe, ist freundlich, aufmerksam und offensichtlich auch bereit, zu lernen.
Während ich mein Bier genieße, sehe ich mich ein wenig genauer im Schankraum um. Über der Theke hängt ein mit blauen Leuchtdioden illuminiertes Segelschiff, ein Cargo-Frachter, und zieht die Blicke auf sich – es spielt auf den Namen der Bar, Barley Cargo, an. Im hinteren Bereich des Schankraums macht sich ein wenig Unordnung breit. Pappkartons stehen herum, Bierkisten stapeln sich, und mittendrin steht eine Registrierkasse. Aha – man kann sich hier also auch Flaschenbier zum Mitnehmen kaufen. Nicht nur Ausschank, sondern auch Bottleshop. Für einen Moment überlege ich, ob ich mir noch eine Flasche mit ins Hotel nehmen soll, aber dann siegt die Vernunft. Für heute war es eigentlich schon genug Bier, immerhin ist das Barley Cargo nach Athena’s Cook heute schon meine zweite Station, und an Bord des Fliegers hat es auch schon Bier gegeben.
Aber ich bin ja noch ein paar Tage in Athen, wer weiß…
Mit der 2012 gegründeten Bierbar haben die beiden Geschäftsführer, Marios Mantzoukis und Nectarios Kefalas, die sich auf der Website scherzhaft Mr. Barley und Mr. Cargo nennen, einen schönen Anlaufpunkt für den Bierliebhaber geschaffen. Eine entspannte Atmosphäre, die Möglichkeit, draußen zu sitzen, freundliches Personal, eine riesige Auswahl an griechischen und internationalen Bieren und dann und wann auch ein paar nette Aktionen rund ums Bier machen die Bar zu einem empfehlenswerten Ziel.
Die Bierbar Barley Cargo ist täglich ab 11:00 Uhr vormittags durchgehend bis in die Nacht hinein geöffnet, und das heißt in Griechenland, wirklich bis weit in die Nacht hinein. Sehr weit. Lediglich sonntags wird erst um 19:00 Uhr geöffnet. Kein Ruhetag. Von der Metrostation Panepistimo (Linie M2) sind es etwa drei bis vier Minuten zu Fuß durch die engen Gassen bis zur Bar.
Barley Cargo
Kolokotroni / Κολοκοτρώνη 6
105 61 Athen / Αθήνα
Griechenland
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