Einst, als die steilen Hänge der Akropolis ihnen noch hervorragende Lebensbedingungen boten, waren Steinkäuze in Athen häufig – so häufig, dass wir heute noch eine überflüssige Tätigkeit mit dem Spruch „Das ist ja wie Eulen nach Athen zu tragen“ kommentieren. Mit ihren großen und im Unterschied zu anderen Vögeln nach vorne gerichteten Augen haben diese kleinen Eulen ein fast menschliches Antlitz, und so wurde ihnen auch besondere Weisheit zugeschrieben. Es war nur folgerichtig, dass sie zum Symbol der Pallas Athene, der Göttin der Weisheit und der Schutzgöttin der nach ihr benannten Stadt, wurden.
Die Pallas Athene wurde später in der römischen Mythologie zur Göttin Minerva – heute sprechen wir daher immer von der Eule der Minerva, wenn wir eine tiefere Erkenntnis metaphorisch umschreiben wollen. Ursprünglich aber hat diese Assoziation ihren Ursprung in Griechenland.
Der Steinkauz hat es somit zum Wappentier Griechenlands gebracht und wurde auch schon immer auf die griechischen Münzen geprägt – auf die Münzen des vierten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung genauso wie auf die Ein-Euro-Münzen der Neuzeit.
Der lateinische Name des Steinkauz lautet Athene Noctua, und er findet sich nicht nur auf Münzen, Symbolen und Wappen der Stadt, sondern seit rund anderthalb Jahren auch als Symbol der ersten Handwerksbrauerei in Athen, der Noctua Brewery Athens.
Es ist noch früher Vormittag, aber die Sonne brennt schon kräftig, als ich nach wenigen Minuten Fußweg die Brauerei in der Peiraios-Straße erreiche. Eine simple, dunkelgrau, fast schwarz gestrichene Wellblechfassade, die so auch irgendwo in einem heruntergekommenen Städtchen in den Weiten der USA stehen könnte, empfängt mich; auf das Eingangstor sind die Augen einer Eule gemalt, die mich mit stechendem Blick fixieren.
Ich öffne die Tür und gehe hinein. Drinnen erinnert nichts mehr an die triste Schwärze oder an die staubige Hitze draußen. Hell und freundlich ist es, frisch renoviert und angenehm kühl. Rechts von mir höre ich das Klimpern von leeren Bierflaschen, und da kommt auch schon Iasonas Panagiotopoulos auf mich zu. „Entschuldigung, wir sind gerade dabei, die Flaschenabfüllung des aktuellen Suds vorzubereiten“, erzählt er und führt mich gerade aus weiter in das kleine Sudhaus.
Blitzsauber und gepflegt steht das Edelstahlsudwerk zu meiner Linken, ordentlich aufgereiht die Gär- und Lagertanks zu meiner Rechten. Neugierig spähe ich auf das Typenschild der Brauerei. „Ja, hier in Griechenland hergestellt“, bestätigt Iasonas stolz. „Griechenland ist zwar kein typisches Bierland, aber eine Brauerei zu konstruieren, das kriegen wir schon noch hin“, lacht er.
Die große Halle sei einmal eine Autowerkstatt gewesen, erfahre ich, und ursprünglich mal noch viel größer. Jetzt sei eine Trennwand eingezogen worden, Iasonas und seine drei Mitstreiter hätten die alte Halle renovieren und auffrischen lassen, die notwendigen Installationen eingebracht, und schließlich, im Sommer 2016 sei die Brauerei aufgestellt worden. Der erste Sud wäre im Herbst 2016, also vor rund anderthalb Jahren, auf den Markt gekommen.
„Damit sind wir die erste Brauerei in Athen, und nach wie vor die einzige.“ Ich merke Iasonas den Stolz auf seine Brauerei an. Im Gegensatz zu vielen anderen neugegründeten Craft-Brauereien geht die Noctua Brewery Athens das Geschäft recht zurückhaltend an. „Wir müssen unsere griechischen Kunden vorsichtig an die neuen Bierstile gewöhnen“, erzählt Iasonas. „Die Craftbier-Revolution ist hier noch nicht richtig angekommen, und ein extremer, fordernder Bierstil würde eher verschrecken als begeistern.“
Insofern hat Noctua auch nur drei relativ gemäßigte Bierstile im Angebot. Das Head Twister, ein American Pale Ale mit 5,2 % Alkohol und aromatischer, aber zurückhaltender Hopfung, das Night Vision Black IPA, das schon etwas mutiger ist und mit 7,2% Alkohol sowie mit kräftigen, aber nicht übertrieben blumig-fruchtigen Hopfenaromen das vertraut wirkende Schwarzbier ein wenig aufpeppt, und das Chilling Season, ein Amber Ale, das mit seiner rötlichen Farbe sehr appetitlich aussieht.
„Zu unserem ersten Geburtstag haben wir zum ersten Mal ein India Pale Ale eingebraut, das 1st Anniversary IPA“, berichtet Iasonas. „Das war der erste mutige Schritt.“
Es gilt, sich den Markt langsam zu erarbeiten und solide zu wachsen. Und vor allem: „Wir müssen uns an das Saisongeschäft anpassen. Im Sommer können wir gar nicht so viel brauen, wie getrunken wird, im Winter ist die Nachfrage hingegen recht gering. Bier gilt immer noch als Sommerbier, als Durstlöscher, und noch nicht als Spezialität für den bewussten Genuss auch bei schlechtem Wetter.“
Noch eine Weile stehen wir beisammen, und ich erfahre die eine oder andere Kleinigkeit aus der der Brauerei, aber auch aus der griechischen Bierszene. Lagerbiere zu brauen, beispielsweise, sei keine Option. Völlig egal, wie schmackhaft die auch werden würden – griechische Biertrinker würden untergärige Biere immer mit Produkten aus den großen Bierfabriken assoziieren und dann den Preis für ein handwerklich gebrautes Bier schlicht und einfach nicht akzeptieren.
Schon sind wir bei der Diskussion um den Bierpreis. Ob mir den schon aufgefallen sei, wie teuer die Craftbiere in den Bars der Innenstadt seien, will Iasonas wissen. Und diese hohen Preise seien einzig und allein den hohen Margen der Gastronomie geschuldet, fügt er hinzu. Die kleine Brauerei, die er hier mit seinen drei Partnern betreibe, sähe davon keinen einzigen Cent. Er zuckt mit den Schultern: „Was sollen wir machen?“
Schön aber, dass es trotzdem so viel Initiative auf dem griechischen Biermarkt gibt. Brauereien entstehen, Craftbierbars öffnen, ganz langsam wandelt sich auch der Biermarkt in Athen und im Umland. Und die Noctua Brewery Athens ist mitten dabei. Klein noch, aber selbstbewusst und stolz.
Die Noctua Brewery Athens ist eine reine Produktionsbrauerei, sie hat keine Restauration, keinen Ausschank. Feste Öffnungszeiten gibt es daher nicht. Die Biere sind vom Fass oder in der Flasche in Athen und der Umgebung erhältlich; eine Landkarte auf der Website der Brauerei gibt genauere Informationen dazu. Zu erreichen ist die Brauerei problemlos mit der Metro, Linie M3, Haltestelle Kerameikos / Κεραμεικός, von dort sind es etwa fünf Minuten zu Fuß.
Noctua Brewery Athens
Peiraios / Πειραιώς 124
118 54 Athen / Αθήνα
Griechenland
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