„Hunger!“
Ein wenig maulig klingt die Stimme meiner holden Ehefrau mittlerweile schon…
Eine gute Weile sind wir kreuz und quer durch die schönen Gassen in der Regensburger Altstadt gelaufen, haben mal hier geschaut und mal dort, und irgendwann fiel uns auf, dass das Frühstück nun doch schon ziemlich lange her sei – unsere Mägen begannen, zu knurren. Ich warf einen Blick auf den Bildschirm meines schlauen Telefons und stellte drei verschiedene Brauereien zur Auswahl.
„Brauhaus am Schloss“, beschied meine bessere Hälfte, und wir machten uns auf den Weg.
Richtig weit weg ist es ja nicht, aber psychologisch scheint es schon einen Unterschied zu machen, ob wir im Touristengewühl in den Altstadtgassen umherschlendern oder zielgerichtet den lebhaften Teil der Stadt verlassen und durch eine zwar hübsche, aber unbelebte Straße gehen – letzteres scheint komischerweise viel länger zu dauern.
Ungeduld klingt also mit, obwohl es doch nur höchstens fünf Minuten sind, die wir bereits in Richtung Süden laufen.
Aber da taucht vor uns schon der Komplex des Schlosses Sankt Emmeram auf und damit auch der Neue Marstall. Hier waren von 1910 bis 1935 die Pferdeställe und eine Kutschenremise untergebracht, hier hatte der Fürstliche Hofmarschall seinen Amtssitz. Später richteten die Besitzer, die Familie Vonthurnundtaxis, hier ein Kutschenmuseum ein, 2005 kam das Fürstliche Brauhaus, und seit 2015 befindet sich in diesem eindrucksvollen Gebäude nun die Gasthausbrauerei Brauhaus am Schloss.
Wir gehen durch einen Torbogen hindurch und laufen auf das eigentliche Gebäude des Marstalls zu. Rechter Hand sehen wir eine hässliche Metall- und Glaskonstruktion, den Palmengarten, der derzeit zum Biergarten mit großen Bildschirmen umfunktioniert ist, um die Spiele der Fußballweltmeisterschaft öffentlich zeigen zu können. Wir sind uns nicht sicher, ob diese merkwürdige Wintergartenkonstruktion erst mit der Eröffnung der Brauerei entstanden ist oder ob sie vorher schon da war, aber an ihrer Hässlichkeit ändert die Antwort auf diese Frage vermutlich nichts.
Der Schankraum der Brauerei hingegen ist sehr ansprechend. Robuste und schlichte Holzmöbel, Wandvertäfelungen und kleine Trennwände aus jeweils verschiedenen Holzsorten machen den großen Saal durchaus gemütlich, und zentral mitten im Raum steht hinter der Theke ein kupfernes Sudwerk. Eine dezente Dekoration und vor allem eine Unmenge sorgfältig gestapelter Biergläser und -krüge davor machen es zum Blickfang des Raums. Schön hier!
Doch halt, irgendetwas stimmt hier doch nicht!
Richtig: Der Raum ist völlig menschenleer. Nicht nur, dass kein einziger Gast zu sehen ist, nein, auch kein Bedienungspersonal. Niemand hinter der Theke, niemand davor.
Eine Geisterbrauerei?
Aber da kommt schon ein junger Kellner von hinten angelaufen und deutet auf einen Durchgang hinter der Theke: „Zum Biergarten bitte da entlang!“
Wir verlassen das Gebäude also nach hinten raus und kommen auf eine weitläufige Terrasse. Aha, hier sind die ganzen anderen Gäste also…
Wir nehmen in der Sonne Platz und genießen die schöne Atmosphäre. Die Bierkarte verspricht einiges. Zwar sind die Standardbiere (Sankt Emmeram Hell, Marstall Dunkel und Schloss Weisse) nicht wirklich originell, sondern beeindrucken eher durch die Einfallslosigkeit des Angebots, aber bevor ich mich darüber echauffieren kann, entdecke ich auf einer anderen Seite der Getränkekarte die Übersicht „Im Brauhaus gebraute Sonderbiere“. Na, das sieht doch schon besser aus!
Mit der Hopfenblume gibt es ein mit Cascade gestopftes Sommerbier, das Brauhaus Vladimir ist ein mit vielen fruchtigen Hopfen schon fast wie ein Russ, also ein Weizenbier-Alsterwasser schmeckendes Weißbier, das Regensburger Kaminbier ist ein Rauchbier, und als ganz besondere Spezialität wird noch ein Whisky-Bock, also ein im Whiskyfass ausgebauter Doppelbock angeboten. Na bitte, es geht doch!
(Wer trinkt hier denn dann eigentlich noch das Standard-Triplett Hell – Dunkel – Weizen, wenn es doch auch interessante Biere gibt?)
Während meine Holde sich das Vladimir bestellt, ordere ich das Kaminbier. Blitzschnell bringt uns der junge und gut gelaunte Kellner die Biere, und erschrocken stelle ich fest: Auf den Gläsern steht groß Hacker-Pschorr! „Aber die sind schon hier gebraut?“, frage ich nach und bekomme die beruhigende Antwort: „Natürlich!“ Die Gasthausbrauerei gehört zwar zur Großbrauerei Hacker-Pschorr und damit wiederum zu Paulaner, die dann wieder zu Schörghuber und Heineken gehören, aber die angebotenen Biere entstehen in der Tat hier vor Ort auf dem kleinen Sudwerk in der Mitte des Schankraums.
Wunderschön orange und hellgelb leuchten die beiden Biere in der prallen Nachmittagssonne, und wir freuen uns auf den ersten Schluck.
Das Vladimir schmeckt spritzig-weizig und weist in der Tat viele fruchtige, zitronige Noten vom Hopfen auf. Vom Geruch her ginge es locker als Russ durch, im Geschmack lässt es natürlich die Süße der zugegebenen Zitronenlimonade vermissen und ist weißbiertypisch trocken. Ein sehr schönes Sommerbier.
Das Regensburger Kaminbier hingegen ist kräftig malzig, weist eine dezente Rauchnote auf und schreit damit geradezu nach einer Begleitung durch ein deftiges Essen. Und da kommt es auch schon. Bierbratl nennt es die Speisekarte – Schweinsbrust, kräftig gebraten mit viel, viel dicker und knuspriger Kruste. Die perfekte Kombination zu diesem Bier. Krosse Kruste! Schon beim Aussprechen dieser beiden Wörter – Krrrosse Krrruste – bekommt man einen Vorgeschmack, wie es sich anfühlt, auf die Kruste zu beißen. Dazu das deftige Rauchbier – es passt ganz einfach!
Viel zu groß war die Portion, viel zu sehr spannt nun der Magen. Die vom Ober angebotenen Nachspeisen lehnen wir ab. Oder doch nicht? Eine kleine Rhabarberschnitte vielleicht? Aber wirklich nur eine, mit zwei Gabeln bitteschön. Und dazu, als Dessertbier, den Whisky-Bock.
Ein kleines Probierglas nur. 100 ml in einem Weinglas serviert. Schon die Nase verspricht viel: Fruchtige Frische, fast schon zitronige Aromen, gepaart mit feinem Whisky-Duft – ein leichtes, spielerisches Erlebnis in der Nase, ganz anders als die schweren, torfigen, manchmal schon an einen Kabelbrand erinnernden Aromen eines schottischen Whiskys. Dann der erste Schluck. Vollmundig, rund, weich, fruchtig. Ein ganz vorzügliches Bier. Die Säure des Rhabarbers kontrastiert mit der süßen und weichen Wärme des holzfassgereiften Doppelbocks, und wir sind begeistert.
So kann man einen wunderbaren Biergartenbesuch perfekt ausklingen lassen!
Das Brauhaus am Schloss ist täglich ab 11:00 Uhr, sonnabends, sonntags und feiertags bereits ab 10:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Fernreisende gehen vom Hauptbahnhof aus etwa fünf Minuten in nordwestlicher Richtung; Busreisende (Stadtbus) kommen am Arnulfplatz an und gehen vier Minuten in Richtung Süden.
Brauhaus am Schloss
Waffnergasse 6-8
93 047 Regensburg
Bayern
Deutschland
Verdammte Besitzverhältnisse heutzutage. Wie soll man da den Überblick behalten
Das ist ja manchmal so gewollt.
Wenn man sich überlegt, dass die Mehrheit der Münchner Brauereien in Konzernbesitz ist, das aber bewusst immer nur am Rande erwähnt wird, damit der Münchner Bierdimpfl auch weiterhin glaubt, wie vor hundert Jahren lokal zu trinken …
Schlimm!