Nachtrag 27. Juni 2024: Fast sechs Jahre sind vergangen. Viel hat sich verändert. Bei mir. Nicht bei der Brauerei Hostivar.
Insofern: Fast kommt es mir vor, als sei ich hier Stammgast. Alles wirkt vertraut und unverändert, bis hin zum eisernen Bullerjahn-Ofen, der auch im kältesten Winter die Gaststube warm halten wird. Dessen bin ich mir sicher.
Ums Warmhalten geht es heute aber nicht – die Sonne scheint aus allen Knopflöchern, es ist schon sommerlich heiß. Jetzt geht es eher ums Abkühlen, und obwohl es gerade erst Mittagszeit ist, zischt das Bier doch schon hervorragend.
Hostivar H-Ale 15
Das erste, ein Single Hop Ale mit Azacca Hopfen ist herrlich aromatisch, knackig herb, frisch und extrem durchtrinkbar. Davon ginge jetzt locker ein ganz großes Glas. Auf gleichem Niveau bewegt sich dann auch das H-Ale 15, ein 6,5%iges, ebenfalls kräftig und aromatisch gehopftes Bier.
Zwei echte Schätzchen. Wie gut, dass ich in allerbester Begleitung bin und Madame auf mich aufpasst. Mehr als zwei auf nüchternen Magen? Zur Mittagszeit? Bei dieser Hitze? Sie schüttelt tadelnd den Kopf.
Ach, sie ist so vernünftig. Und Recht hat sie auch. Nun ja …
Schweren Herzens reiße ich mich los. Nein, reißen wir uns los, denn ihr gefällt es hier ja auch richtig gut. Aber Prag bietet heute noch sooo viel, da wollen wir nicht jetzt schon hier draußen im Vorort hängen bleiben und versacken …
Restaurace Pivovar Hostivar
Nachtrag 8. Juli 2018: Drei Jahre später hat die Brauerei Hostivar eine Schwester bekommen. Nur wenig mehr als zehn Minuten zu Fuß entfernt, am anderen Ende des Stadtteils, liegt die neue Brauerei Hostivar H2, die sogar noch eine eigene Bäckerei aufweist. Für uns die perfekte Möglichkeit, einmal zu vergleichen, und so kehren wir nach einem von der Neugier getriebenen und recht ausgiebigen Besuch in der neuen Brauerei noch schnell auf ein Absackerbier in die alte ein.
Mittlerweile ist im Biergarten eine kleine Holzhütte als zusätzlicher Ausschank errichtet worden, und die gut gefüllten Bierbänke rund um diese Hütte zeigen, dass sich der Aufwand gelohnt hat. Jung und alt tummeln sich hier; die Erwachsenen sitzen beim Bier, und die Kinder toben über den schön angelegten Spielplatz.
aus einem Bier wurden zwei
Aus unserem geplanten Bier werden natürlich zwei. Lassen wir uns zunächst das Cyklistická Osmička 8° schmecken, das Leichtbier für Radler, und sind durchaus positiv überrascht, wie ein gerade einmal dreieinhalbprozentiges Bier doch einen guten Geschmack bieten kann, werden wir dann doch schwach und trinken noch ein weiteres. Wir sitzen halt gerade so schön, und es ist einfach nur schön. Also folgt noch ein Polotmáva Dvanáctka 12° – und es wäre schade gewesen, dieses Bier nicht getrunken zu haben. Würzig und voll, kräftig herb, erfrischend, ohne zu stark gespundet zu sein. Ein wunderbares Bier für jeden Tag und für den großen Durst.
Gut, dass wir doch noch einmal hier eingekehrt sind …
Restaurace Pivovar Hostivar
Sehr praktisch, dachte ich, als ich anhand des Prager Straßenbahnplans überprüfte, wie ich vom Hotel zur Brauerei Hostivar komme. Einfach nur in die Linie 22 einsteigen, und dann bis zur Endstation. Sehr bequem. Was ich nicht bedacht hatte, war die Tatsache, dass zwischen Hotel und Brauerei 34 weitere Haltestellen lagen – und so zuckelte ich fast eine Stunde lang durch Prag.
In der Tat, die Brauerei Hostivar liegt knapp zehn Kilometer vom Stadtzentrum entfernt in einem der weit draußen gelegenen Stadtteile. Von Idylle kann aber trotzdem keine Rede sein, denn direkt vor der Brauerei verläuft eine vierspurige Straße – nur ein schmaler, perfekt gepflegter Streifen Gras trennt die Brauerei vom Verkehr.
Moderne Architektur, eine große Glasfront, die den Blick auf die stählernen Installationen des Sudwerks und der Gär- und Lagertanks ermöglicht. Und ein riesiger Schriftzug – Hostivar!
Außenansicht
Der Eingang liegt auf der der Straße abgewandten Seite. Ich laufe um das Gebäude herum und bin positiv überrascht. Ein Biergarten, oder fast schon ein kleiner Park. Leuchtend grüner und sorgfältig getrimmter Rasen, der jedem Golfplatz zur Ehre gereichen würde. In der Mitte eine Hütte, die als Ausschank dient. Ein paar Schritte weiter ein großer Kinderspielplatz, und über das ganze Gelände verteilt Sitzgelegenheiten. Und zwar nicht billige Biergarnituren, sondern solide Holzkonstruktionen, ansprechend und einladend.
Heute, am 1. August 2015, besteht aber ein Luxusproblem: Für den Biergarten ist es viel zu heiß. Die Mittagssonne brennt unbarmherzig herab, das Thermometer steht weit jenseits der 30°C-Marke. In der Schankstube ist es wesentlich angenehmer. Zwar ist die ganze Glasfront aufgeschoben, die warme Luft von draußen kommt herein, aber genau dadurch weht auch ein ganz leichtes Lüftchen.
Die Getränkekarte verspricht fünf verschiedene Biere – und im Bewusstsein, noch einen langen Tag vor mir zu haben, beschränke ich mich auf zwei Sorten, beginne sogar mit einem leichten, elfgrädigen Bier. Hell, goldgelb steht es vor mir, ein feines Hopfenaroma, Spuren nur vom in Tschechien üblichen Diacetyl. Eine spürbare, aber nicht zu dominante Bittere, ein solider Malzkörper zum Ausbalancieren. Ein ausgezeichnetes Bier.
Zum Essen gibt es regionale und internationale Brauhausküche. Eine Haxe wäre bei der Gluthitze sicher nicht angebracht, aber eine ordentliche Portion Chicken-Wings passt ausgezeichnet zum Bier. Die Qualität überzeugt, der blitzschnelle und freundliche Service auch.
die Bar
Das Ambiente? Modern, ein wenig skandinavisch wirkend. Viel Holz, klare Linien, schnörkellos. In der Mitte ein gewaltiger Bullerjahn, der auch im tiefsten tschechischen Winter den Schankraum auf mollige 27° aufheizen können wird. Und, überraschend: Noch ein paar liegende Ausschank-Tanks. Mitten im Restaurantbereich, tiefschwarz, statt stählern glänzend. Ein Blickfang, das definitiv, aber ob der Aufwand zur Kühlung hier nicht unverhältnismäßig hoch ist?
Die scharfen Chicken-Wings machen Lust auf ein knackig-hopfiges Bier. Mit dem H-Ale, das H wohl für hořké, also bitter, stehend, glaube ich, nichts verkehrt machen zu können. Und ich liege richtig. Zwar ist das H-Ale mit 15° Stammwürze recht kräftig bei der Hitze, aber seine kernige, aber trotzdem blitzsaubere Hopfenbittere passt hervorragend zum scharfen Essen. Keine übermäßigen Fruchtaromen oder moderne Hopfenakzente, sondern eine saubere, aromatische Bittere klassischer Art. Ein Herrenbier, schießt es mir chauvinistisch durch den Kopf.
Zwei ausgezeichnete Biere, ein gutes Essen, eine rundum stimmige Atmosphäre – ich bin zufrieden. Trotz der langen Anfahrt würde es sich jederzeit lohnen, hier wieder her zu kommen.
Blick in den Gärkeller
Das Bierangebot wechselt im Laufe der Monate – als besonderes Bier wird im Hochsommer ein achtgrädiges Leichtbier, das Cyklistická Osmička, also das Radler-Achter, angeboten, allerdings sollte man sich durch den Namen nicht täuschen lassen – es ist definitiv kein Radler, kein Biermischgetränk. Der Winter sieht dann eher ein tiefschwarzes Dreizehner oder ein IPA im Angebot, oder zur Adventszeit einen Doppelbock.
Die Restaurace Pivovar Hostivar ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Im Sommer sind der große Biergarten und die Terrasse geöffnet. Obwohl es direkt vor der Brauerei gebührenfreie Parkplätze gibt, empfiehlt sich doch eher die Anreise mit der Straßenbahnlinie 22 (etwa 800 m bis zur Haltestelle) oder dem Bus 175. Mit dem Fahrrad geht es auch – direkt am Biergarten ist ein Abstellplatz für die Räder.
Restaurace Pivovar Hostivar
Lochotínská 656
109 00 Praha 15
Tschechien
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