AmmutsØn? Ammutson? Ammutsøn? Ammutsoon? Liebhaber kreativen Schreibens haben ihre helle Freude an der kleinen Bierbar in Wien, die im März ihre Pforten geöffnet hat.
Die ersten drei Schreibweisen waren mir aus dem Internet schon vertraut, die vierte, die mit dem Doppel-O, begegnet mir auf der (elektronischen) Getränkekarte vor Ort zum ersten Mal.
Einigen wir uns mal auf die Version mit dem Großbuchstaben Ø, AmmutsØn, also.
Bleibt die Frage: Was heißt das eigentlich? Ammut (oder auch Ammit, Ammyt oder Ametmut – die Konfusion geht also weiter…) war eine altägyptische Jenseitsgöttin, Gefährtin des Osiris, mit einem Krokodilkopf, einem Löwenoberkörper nebst Mähne und dem Rumpf eines Nilpferds. Von allem etwas, gewissermaßen.
Von allem etwas, das soll dann auch unser Programm für heute Abend sein.
Wir suchen uns einen Platz auf der Terrasse; es ist ein heißer Julitag gewesen, nur langsam kühlt die Luft wieder ab. Der junge Mann, der heute hier bedient, weist uns freundlich auf die elektronische Getränkekarte hin, also auf den großen Monitor, der drinnen vor der Theke hängt.
Zwölf Biere sind dort verzeichnet, zehn davon normal gezapft, zwei mit Nitro. Eine kleine Fußnote weist darauf hin, welches Bier als nächstes zu erwarten ist, wenn eines der gerade angestochenen Fässer leer läuft. Damit haben wir schon einmal einen Eindruck vom Konzept der Bar AmmutsØn: Es gibt zwölf verschiedene Biere, vorwiegend von kleinen und kleinsten Brauereien. Jedes Bier gibt es genau einmal, und wenn das Fass alle ist, gibt es ein neues, anderes Bier. Wichtig: Es ist für jeden Geschmack etwas dabei; die Liste ist nicht nur von IPAs dominiert, wie in manch anderer Craftbier Bar.
Nun denn, womit sollen wir beginnen?
Meine holde Ehefrau macht es sich einfach: „Ich habe großen Durst! Ich will ein Weißbier zum Zischen. Ein ganz normales Weißbier.“
Ein ganz normales Weißbier? Kein Problem. Die Leo-Weisse von Maxlrainer steht bereit. 5,2%, eine schöne orangene Farbe, weißer, fester Schaum, leicht fruchtiges Aroma und ordentlich gespundet. Das zischt wirklich und scheint die bestmögliche Erfrischung nach einem heißen und fordernden Tag in Wien zu sein.
Mich zieht es hingegen eher zu den exotischeren Bierstilen und Brauereien, und ich beginne mit dem Dry Humor, einem Brut IPA von Yankee & Kraut mit 6,8%. Wie es der Name sagt: Gut ausgegoren, sehr trocken, gepaart mit duftigen, fruchtigen Hopfenaromen. Auch nicht schlecht als Durstlöscher, allein, die fast sieben Prozent Alkohol machen es doch ein wenig gefährlich, und so beschränke ich mich auf ein kleines 0,1-l-Glas zum Verkosten.
Gleiches gilt für das UW, ein 6,3%iges IPA aus dem Hause Dry & Bitter in Dänemark. Ebenfalls nur 0,1 l. Angenehme Fruchtnoten, schön herb und frisch – ein sehr ausgewogenes und nicht zu wuchtiges IPA. Schön!
Mittlerweile hat meine Frau ihr Weißbier ausgetrunken und möchte nun auch gerne verkosten. Ihre Wahl fällt auf das Red Ale von Porterhouse aus Dublin. Mit Nitro gezapft kommt zunächst ein Glas voller Schaum, der sich dann langsam und unter faszinierendem Strömungsspiel im Glas setzt, bis ein leuchtend rotes Bier mit kremiger Schaumkrone übriggeblieben ist. Es hat nur 4,2% Alkohol und betört mit einem intensiven Geruch nach frischen Walnüssen. Zunächst sehr attraktiv, aber nach einigen Schlucken merken wir: Auf Dauer ist das Walnussaroma zu intensiv; es beginnt, zu ermüden. Ein gutes Bier, ja, aber keines, von dem man größere Mengen trinken könnte. Obwohl… An einem kalten Winterabend mag dies anders aussehen. Es ist aber definitiv kein Sommerbier.
Weiter geht’s, in den Mittelmeerraum. Ein Double Pale Ale mit 8,0% namens Slapa aus der italienischen Brauerei BioNoc. Eine Aromawolke aus zunächst tropischen Früchten, dann aber rasch ins Weinige umschlagend. Aromen von überreifen Weintrauben mischen sich in die Tropenfrüchte und finden sich letztendlich auch im Geschmack wieder. Im Resultat wirkt dies neben dem trotz der hellen Farbe erstaunlich vollen Malzkörper, als wären dem Bier tatsächlich Trauben hinzugegeben worden. Mein persönlicher Fall ist das nicht; meiner Frau gefällt’s.
Aus Spanien kommt nun das Apassionada, ein Sauerbier mit Passionsfrucht und gerade einmal 4,0%. Gebraut bei Edge. Die fruchtigen Aromen, die leichte Säure, die spritzige Kohlensäure – alles passt harmonisch zueinander. Sehr gelungen. Uns erinnert das Aromenspiel an eine Verkostung von vielen verschiedenen Passionsfruchtsorten auf einem Markt in Funchal vor ein paar Jahren. Das gehört zwar zu Portugal, nicht zu Spanien, aber die Brauer bei Edge mögen mir das verzeihen. Ein feines Bier, das ganz hervorragend als Durstlöscher zu Beginn des heutigen Abends geeignet gewesen wäre. Ein paar fruchtig-frisch-saure große Schlucke, um den Staub von der Zunge zu spülen und trotzdem schon genießen zu können.
Mit dem Wave Runner aus der italienischen Brauerei Hammer beschließen wir den Reigen der hellen und fruchtigen Biere. Ein American Pale Ale mit viel fruchtigen Hopfen (Citra, Amarillo, Simcoe), 6,5% Alkohol und einem kräftigen, aber nicht zu mastigen Körper. Sehr schön.
Wenden wir uns nun der dunklen Seite der Macht zu. Das Get The Cream, ein Cream Sweet Stout mit 5,5% Alkohol kommt weich und süßlich daher, ohne gleich von Milchzucker klebrig und schleimig zu werden. Die Dänen von Dry & Bitter haben es gebraut, und es macht dem Namen der Brauerei so gar keine Ehre. Weder dry noch bitter, stattdessen wirklich samtig, kremig, weich und süß. Ein Dessertbier.
Green Petrol, ein Black IPA mit 8,2%, bringt uns wieder zurück nach Italien. BrewFist hat’s gebraut. Viel, viel Hopfen mit kräftigen Fruchtaromen, die sich mit den eher röstigen, kernigen Noten des schwarzen Malzes um die Vorherrschaft balgen. Spannend. Ein schönes Geschmackerlebnis, das in eine völlig andere Richtung geht als das süße Cream Stout zuvor.
Wir sind das Sortiment fast durch, stelle ich fest, als sich die ersten Ermüdungserscheinungen bemerkbar machen. Na, eins noch, und dann ist es gut für heute. Wir überspringen das einfache Pils von Elch Bräu – das hätten wir eher am Anfang der Verkostungsserie trinken müssen. Und auch das Bomboclat von Bierol, ein 8,2%iges Imperial Stout mit Kakaobohnen und Kokosnuss spricht uns angesichts der immer noch großen Hitze nicht so wirklich an. Bleibt also das Easy Death, ein Imperial Pale Lager mit Motueka-Hopfen gebraut, und zwar unter der Marke Ammutsoon. Ein Hausbier, gewissermaßen. Gastgebraut in Hallerndorf, beim Rittmayer wohl. 7,0%, bernsteinfarben. Der Hopfen verleiht dem Bier einen zitronigen und doch gleichzeitig kräuterigen, würzigen Charakter. Ein interessantes Aromenspiel zum Abschluss einer umfangreichen Verkostung.
Wir werfen noch einen Blick in das Innere der bei dem herrlichen Wetter allerdings völlig leeren Bar – die Gäste tummeln sich lieber draußen auf der Terrasse. Die zwölf Zapfhähne dominieren die Theke, sie haben jeweils ein durchsichtiges Taphandle, das mit Malzkörnern oder mit Hopfendolden gefüllt ist. Eine nette Idee. Die Einrichtung ist hell, viele verschiedene Holzsorten wurden verwendet. Im vorderen Bereich weiß gekalkte Ziegelwände, im hinteren Bereich helle Fliesen. Ansprechend. Das große Logo an der Wand zeigt die Göttin Ammut, die Namensgeberin der Bar. Direkt daneben prangt das Logo der Tribaun-Bar in Innsbruck, die, obwohl konzeptionell etwas anders aufgestellt, die Schwesterbar des AmmutsØn ist – dahinter stecken die gleichen Köpfe: Misho Omar und Robby Haesebrouk.
Uns gefällt’s hier, und so stellen wir fest, dass Wien seit Mitte März 2018 um eine besuchenswerte Bierattraktion reicher ist.
Die Bar AmmutsØn ist täglich ab 16:00 Uhr, sonnabends und sonntags bereits ab 14:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Mit der U-Bahn-Linie U3 fährt man bis zur Station Neubaugasse in der Mariahilferstraße, und von dort aus sind es drei Minuten gemütlichen Schrittes bis zum AmmutsØn in der kleinen Seitenstraße.
AmmutsØn
Barnabitengasse 10
1060 Wien
Österreich
Hinterlasse jetzt einen Kommentar