Es gibt sie noch, diese kleinen Orte, irgendwo auf dem Land, wo die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Gasthöfe mit angeschlossener Brauerei mitten im Ort. Eine Gaststube, die kuschelig warm ist und in der bodenständige Küche serviert wird. Dazu frisches, selbstgebrautes Bier vom Fass ohne Experimente. Biere, die es so schon vor vielen Jahrzehnten gab und hoffentlich noch viele Jahrzehnte geben wird.
Südlich von Memmingen, im hügeligen Nichts zwischen der Autobahn A7 und der Iller, gibt es ein kleines Dörfchen namens Kronburg, in dem uns ein solcher Ort begrüßt: Die Brauerei und Gasthof Kronburg.
Grau und eintönig liegt die Landschaft vor uns. Der erste Schnee des Jahres, noch matschig und schmuddelig. Und so sind wir froh, irgendwann in der Ortsmitte von Kronburg anzukommen und auch mit etwas Glück einen Parkplatz direkt vor der Gastwirtschaft zu bekommen. Ein großes, eindrucksvolles Gebäude – vorne der Brauereigasthof, und im hinteren Teil die Brauerei. Zentrum und erster Anlaufpunkt im Dorf.
Wir gehen durch die Eingangstür und stehen in einem großzügigen Treppenhaus. Platz scheint hier nie ein einschränkender Faktor gewesen zu sein. Durch ein großes Fenster blicken wir in den Garten, in dem des Sommers die Gäste draußen sitzen können. Dahinter erneut ein großes Fenster, durch das wir die großen Kupferkessel des Sudwerks erkennen. Es spiegelt zwar etwas, aber wir sehen: Es ist ein klassisches Brauhaus, wie man es in so vielen kleinen, regionalen Brauereien findet. Nichts Spezielles, nichts extra für das Auge konstruiertes, und auch kein in die Gaststube integriertes Sudwerk. Einfach nur ein gefälliges und trotzdem zweckmäßiges Sudwerk alter Bauart.
Rechter Hand gehen wir in die Gaststube. Es ist Sonntagmittag, und traditionell ist es rappelvoll. Die Familien aus dem Dorf und die wenigen Touristen, die am Ende der Saison noch hier sind, füllen jeden Platz. Ein kleiner Tisch am Rand ist reserviert, ansonsten sind alle Plätze besetzt. Mit beschlagenen Brillengläsern – es ist kuschelig warm in der Stube – suchen wir einen Tisch, an dem wir uns vielleicht dazu quetschen könnten, als uns der Hausherr, Florian Schweighart, an eben den kleinen reservierten Platz bittet. Glück gehabt!
Rasch haben wir die Speisekarte in der Hand und werden nach unseren Getränkewünschen gefragt. „Bier!“ Natürlich, was sonst? „Wir sind in einer Brauerei!“ Die Kellnerin lacht: „Eh klar, aber welches? Wir haben drei vom Fass und dann noch einiges in der Flasche!“
Ich fange mit einem einfachen Hellen an. Blitzschnell steht es vor mir. Ein klassischer Willibecher, mit einem etwas altmodischen, roten und schwarzen Schriftzug: Brauerei Kronburg. Kein Wappen, keine große Zierde, kein Firlefanz. Das Bier genauso. Schlicht, geradeaus, süffig. Ein feines, malziges Aroma, ein schöner und runder Malzkörper, ein bisschen Süße, ein Hauch von milder Herbe im Abgang. 5,0%. Alles sehr schön ausgewogen. Ein paar große Schlucke, und ich erwische mich, dass das Glas bereits leer ist, bevor ich das Essen bestellt habe. Gegen das Bier spricht das wohl nicht, ganz im Gegenteil.
Die Speisekarte macht es uns schwer. Regionale Küche. Selbstgemachte Maultaschen. Kässpatzen. Schweinsbraten. Sollte sich ein Gast vorgenommen haben, hier seine Diät fortzusetzen – leicht wird es ihm nicht fallen. Gegen alle guten Vorsätze schlagen auch wir kräftig zu. Kässpatzen und Maultaschen mit warmem Kartoffelsalat. Mir läuft beim Bestellen schon das Wasser im Mund zusammen.
Das zweite Bier, ein Hefeweissbier, kommt gleichzeitig mit dem Essen. Serviert werden die Maultaschen auf einem klassischen Porzellanteller mit dem Schriftzug Brauerei Kronburg am Rand. Gutbürgerliche alte Tradition, wie es sie heute nur noch selten gibt. Wie vor fünfzig Jahren, in der guten alten Zeit (die, wenn wir ehrlich sind, eigentlich nur alt war, das Gute ergibt sich erst in der verklärenden Erinnerung…). Das Weissbier ist vollmundig, und dem Brauer ist es gelungen, sowohl Bananen- als auch Gewürznelkenaromen gleichberechtigt nebeneinander in das 5,1%ige Bier hinein zu zaubern. Meine holde Ehefrau ist begeistert, und selbst mir, als anerkanntem Weissbier-nicht-so-richtig-Goutierer, schmeckt es hervorragend.
Das Essen dazu ist über alle Kritik erhaben. Einfach, aber köstlich. So ist’s, auf dem Land.
Ob wir noch einen Nachtisch haben wollten, fragt die junge und gertenschlanke Bedienung. Hm, so, wie sie selbst aussieht, widersteht sie dieser Verführung problemlos. Und auch wir bleiben heute einmal tapfer und winken ab. Zu kräftig, zu reichhaltig war der Hauptgang. „Aber ein kleines Bockbier als Dessert, das darf noch sein“, entscheide ich. Die junge Dame lächelt. Meine Frau auch, nur etwas spöttischer.
Macht nix. Das Bier ist das spöttische Grinsen meiner Frau wert. Goldblond, malziger, voller Geruch, runder, vollmundiger, fast schon sämiger Geschmack. Köstlich. So darf, so muss ein frisches Bockbier schmecken. 7,0% sind auch nicht übermäßig viel. Da passt alles. „Da hätte ich doch gerne ein Sixpack aus Pappe mit genau diesem köstlichen Bock zum Mitnehmen, und wenn Sie gerade dabei sind, einen zweiten mit einem Mix aller Ihrer Biere!“
Jetzt wird nicht mehr gegrinst, sondern freundlich gelacht. Im Nu stehen die beiden Sixpacks vor uns. Frisch aus der Kühlung. Ein Souvenir für uns selbst. Vorsichtig verstauen wir die Flaschen im Auto und sehen uns noch einmal um. Bayerisch-Schwaben. Eine Welt für sich. Aber eine mit richtig guten, klassischen Bieren. Keine Hipster, keine stylische Bar, sondern Brauerei und Gasthof, wie sie immer schon waren.
Der Brauereigasthof Kronburg ist donnerstags bis sonntags von 11:30 bis 22:00 Uhr durchgehend geöffnet; mittwochs erst ab 16:00 Uhr. Montags und dienstags ist Ruhetag. Die seit 1891 im Besitz der Familie Schweighart befindliche Brauerei Kronburg bietet Brauereiführungen nach Absprache an. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist Kronburg leider nicht sinnvoll zu erreichen; man kann aber direkt vor der Brauerei gebührenfrei parken. Immerhin…
Brauerei und Gasthof Kronburg
Hauptstraße 21
87 758 Kronburg
Bayern
Deutschland
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