„Schillerstraße? Geh‘ mir fort!“ – Was bis vor nicht allzu langer Zeit eine typische Reaktion gewesen sein mag, wenn man einen Münchner auf die Straße angesprochen hat, die vom Hauptbahnhof in Richtung Süden führt, scheint sich derzeit langsam zu ändern. Sexshops, Stripbars, zwielichtige Gestalten, die in dunklen Hauseingängen herumlungern, verkotzte Treppenstufen, Überreste von mutwillig demolierten Fahrrädern und nicht funktionierende Straßenlaternen – so sah es einmal aus.
Aber es wird besser. Aus dem verruchten Viertel von einst ist eine bunte, internationale Szenen-Straße geworden, die zwar immer noch ein etwas robustes Flair ausstrahlt, das nicht von jedem goutiert wird, die aber mittlerweile auch die eine oder andere schöne Adresse bietet – wie beispielsweise die noch recht junge Gasthausbrauerei Schiller Bräu im mk | hotel münchen.
Unangenehmer Schneeregen begleitet mich, als ich vom Bahnhof die Schillerstraße entlang laufe, aber spätestens, als ich nach fünf Minuten die durch die großen Fenster kupfern leuchtenden Sudkessel sehe, ist der Ärger über das Wetter wie weggeblasen. Ich öffne die Tür, und es ist warm, trocken und gemütlich.
Allerdings auch ziemlich voll. Ninja Höfler, die mit ihrer Frau Kristina die Brauerei im Sommer 2017 eröffnet hat, kommt hinter der Theke hervor und fragt: „Hast Du reserviert?“ Bedauernd schüttle ich den Kopf. „Aber ich komme nur auf ein Bier und will gar nichts essen.“ Sie schaut erleichtert und deutet auf die Theke. „Dann kannst Du ja an der Theke sitzen – ist das in Ordnung?“
Und ob. Direkt an der Theke, das lebhafte Zapfgeschehen im Blick und die Kupferkessel vom Caspary-Sudwerk direkt hinter mir – der Platz ist okay.
„Weißt Du schon, was Du trinken willst? Oder willst Du erst noch mal kucken?“ Kellner Nadhir drückt mir die Bierkarte in die Hand und schaut mich fragend an. „Erstmal ein kleines Helles zum Auftakt“, antworte ich und schaue auf das Klemmbrett, das die Zettel der Bierkarte zusammenhält. Vier reguläre Biere gibt es hier, dazu ein Monatsbier. Die werde ich wohl nicht alle schaffen, zumal ich gleich noch am anderen Ende der Innenstadt verabredet bin. Aber mal sehen, wie weit ich komme.
Frisch gezapft steht das Helle vor mir. Ein schöner, weißer Schaum, hellgelbe Farbe, gleichmäßige Trübung – gut schaut’s aus. Eigentlich schmeckt’s auch gut, aber mir persönlich ist es viel zu süß. Das Münchner Helle ist nun eh schon ein süßlicher Bierstil, bei dem ich immer das Gefühl habe, das der Hopfen den Braukessel immer nur von außen gesehen hat, aber dieses 4,8%ige Bier wirkt dann doch schon etwas zu zuckrig. Mit meiner Meinung scheine ich aber alleine zu sein – rundherum trinken die Gäste es mit großem Vergnügen und ebenso großen Schlucken.
Das Dunkle, mit 5,5% Alkohol eine ganze Schippe kräftiger, sagt mir schon eher zu. Ein kräftiger, malziger Geschmack, der wohl auch meinem Sitznachbarn zusagt. Er setzt sich in seinem klassisch-bayerischen Gwand neben mich, und ohne, dass er etwas bestellt hätte, bekommt er ein großes Dunkles vorgesetzt. Aha, ein Stammgast.
Wir kommen ins Gespräch, und während wir so sitzen, erzählen und trinken, beobachte ich, wie Barmann, Kellner und Ninja selbst hinter der Theke wirbeln. Es ist voll, da muss jeder Handgriff sitzen und schnell gehen. Schön, zu sehen, dass dabei die Freundlichkeit nicht zu kurz kommt. Die Atmosphäre ist wirklich rundum ansprechend. Und: Es wummert keine laute Musik; es hängen keine riesigen Flachbildschirme an der Wand. Stattdessen: Sympathische Gemütlichkeit.
Einige – ganz wenige – Gäste ziehen ein Gesicht. „Gleich ist doch das Halbfinale in der Handball-Weltmeisterschaft…“ Aber einer der Gäste an der Theke weiß Rat. Er zaubert ein Tablet aus der Tasche hervor, baut es vor sich auf und streamt das Handballspiel auf sein Gerät. Ein ganz persönliches, kleines Public Viewing. Drei, vier Köpfe stecken sich vor dem winzigen Bildschirm zusammen und verfolgen gebannt den Anpfiff und das spannende Spiel.
Ich bestelle mir das Monatsbier und verpasse prompt gleich die ersten Tore. Wie gut, dass mich Sportübertragungen nicht so wirklich interessieren. Der dunkle Weizenbock, Rawuckerl genannt, hat mit seinen 7,0% Alkohol aber auch ungeteilte Aufmerksamkeit verdient. Kräftig estrige Noten im Aroma und ein runder, voller, fruchtiger Geschmack überzeugen. Kein Bier für den großen Schluck, sondern eines für den behutsamen und bewussten Genuss. Sehr gelungen!
Zwei weitere Biere könnte ich jetzt noch probieren. Das ganz normale Weißbier und den Scheps, ein bräunliches Leichtbier mit nur 2,5% Alkohol. Aber da habe ich mich mit dem Weizenbock in eine Sackgasse manövriert. Nach diesem kräftigen Geschmackserlebnis wird das Weißbier eher enttäuschend sein, und der Scheps, wie gut er auch sein mag, wird im direkten Vergleich wohl eher dünn wirken. Nun denn, nehmen wir das als guten Grund, hier einmal wieder einzukehren und dann diese beiden Biere auch noch zu verkosten.
So lasse ich es denn für heute gut sein. Wenn mir auch das Helle nicht behagt hat, so war es doch ein schöner Besuch. Sehr freundliche Atmosphäre, herzliches Personal, und an der Theke kommt man auch sofort mit seinen Nachbarn ins Gespräch, könnte sich hier festsetzen und den ganzen Abend gemütlich vor sich hin zechen. Prima.
Natürlich gibt es in dieser klassischen Gasthausbrauerei auch gutes Essen. Das, was ich gesehen habe, sah lecker aus, und die Gäste weiter hinten an den Tischen ließen es sich alle schmecken. Kann so schlecht also nicht sein.
Das Schiller Bräu ist täglich von 16:00 bis 24:00 Uhr durchgehend geöffnet; sonntags ist Ruhetag. Zu erreichen ist es in fünf Minuten zu Fuß vom Hauptbahnhof in Richtung Süden.
Schiller Bräu
Schillerstraße 23
80 336 München
Bayern
Deutschland
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