Das Luzerner Rathaus steht seit über 400 Jahren am Ufer der Reuss – genauer seit 1606 – und es wird unverändert seit dieser Zeit für die Sitzungen des Stadtrates genutzt. Das Tiefgeschoss mit seinen Rundbögen direkt zur Reuss hin wurde lange Zeit als Lager für Lebensmittel genutzt, und unter den Bögen wurde Handel getrieben. Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten wurde im Frühjahr 1998 hier eine kleine Gasthausbrauerei, die Rathaus Brauerei AG, eingerichtet.
Die Innenräume sind urig und gemütlich – die Gewölbe sind einladend, und die kleingliedrige Gestaltung der Innenräume erzeugt eine angenehme Atmosphäre. Im Sommer spielt sich der Gastbetrieb jedoch fast ausschließlich draußen ab – entweder unter den arkadenartigen Bögen oder auf der Terrasse direkt am Wasser, von wo aus man direkt auf die berühmte Kapellbrücke und den Wasserturm schaut, vor denen die Schwäne ihre Kreise ziehen.
Die kupferne und glänzend polierte Brauerei steht zentral als schöner Blickfang im Restaurant. Leider ist kein Typenschild sichtbar, und auch die freundliche Bedienung, die uns am 7. September 2013 mit Bier versorgte, konnte über die Brauerei leider nichts sagen. Nach der Gärung und Reifung wird das Bier in Ausschanktanks gepumpt, die senkrecht nebeneinander direkt hinter der Theke stehen, und man rühmt sich damit, mit einer Leitungslänge von gerade mal 30 cm vom Ausschanktank bis zum Zapfhahn die wohl kürzeste Zapfleitung der Welt zu haben.
Zwei Biersorten werden hier standardmäßig angeboten: Ein naturtrübes Helles und ein Saisonbier. Während unseres Besuchs war das Saisonbier ein bernsteinfarbenes Weißbier, sehr süffig, aber auch – selbst für ein Weißbier – ein sehr süßliches Bier. Nicht übermäßig hoch gespundet und fast überhaupt nicht gehopft war es ein angenehmer, aber sortenuntypischer Durstlöscher an einem warmen Sommerabend.
Überhaupt nicht gefallen hat hingegen das Helle. Ganz hellgelb und sehr trüb stand es im Glas und schmeckte, als sei es überhaupt noch nicht gelagert, sondern direkt nach der Gärung ausgeschenkt worden. Ob hier in den heißen Sommermonaten der Umsatz an selbstgebrauten Bier wirklich so hoch ist, dass man auf die Lagerung quasi verzichten muss, um alle durstigen Gäste zufrieden zu stellen?
Schade, denn dadurch wird der ansonsten hervorragende Eindruck, den wir hatten, doch ein wenig getrübt.
Die Rathaus Brauerei ist täglich ab 10:00 Uhr geöffnet (im Sommer und an den Markttagen Dienstag und Sonnabend auch schon morgens ab 08:00 Uhr). Sie liegt direkt am Ufer der Reuss, nur wenige Schritte von der Kapellbrücke entfernt. Keine Parkmöglichkeit, aber vom Hauptbahnhof und dem davorliegenden Busbahnhof sind es nur drei Minuten zu Fuß.
Nachtrag 2. Januar 2019: Mit Freunden bummeln wir am Ufer des Vierwaldstättersees entlang, als irgendwann die Frage kommt: „Wir haben ja jetzt Hunger und Durst. Volker, Du kennst doch bestimmt eine Adresse hier in Luzern, wo es gutes Bier und etwas zu essen gibt?“
Ich blicke entgeistert zurück: „Wer sind denn jetzt hier die Schweizer? Ihr oder ich?“ Trotzdem fühle ich mich geschmeichelt, wenn auch die einzige bierige Adresse, wo man auch gut essen kann, die eigentlich allbekannte Rathaus Brauerei ist.
Also kehren wir nach mehr als fünf Jahren einmal wieder hier ein.
Voll ist’s, denn die Menschen, die sich sonst auf den Biergarten verteilen, drängen jetzt, im Winter, natürlich nach drinnen, und so steht am Eingang zum Restaurant ein Schild: Sorry, Full House. Schade. Aber wenigstens ein Zielfoto vom Sudwerk möchte ich machen, gehe am Schild vorbei in den Gastraum und … sehe, wie gerade eine Gruppe von vier Gästen bezahlt. „Wird hier frei?“
„Aber ja“, lautet die Antwort, und Sekunden später sitzen wir gemütlich am Tisch. Glück gehabt.
Die junge und freundliche Bedienung kommt sofort, und die wichtigste Frage lautet natürlich: „Was habt Ihr denn zur Zeit für ein Spezialbier?“ Unverändert bietet die Rathaus Brauerei nur zwei Biere an – das Standardbier Naturtrüb und ein saisonal wechselndes Spezialbier. „Einen dunklen Weihnachtsbock, vollmundig, malzig und mit 7,5% Alkohol“, lautet die blitzschnelle Antwort. Drei Köpfe nicken und bestellen damit eben genau dieses Bier, ein vierter Kopf, der des eingeteilten Fahrers, wackelt enttäuscht: „Für mich bitte einen alkoholfreien Suure Moscht.“ Einen alkoholfreien Apfelmost, also, ein Getränk, dass sich hier in der Schweiz einer gewissen Beliebtheit erfreut. Für mich völlig unverständlich, wie man so etwas trinken kann. Genauso grässlich wie hessischer Appelwoi, und dann auch noch alkoholfrei…
Der Weihnachtsbock entpuppt sich als Glücksgriff. Vollmundig? Ja! Malzig? Ja! Süffig? Auch!
Viel zu schnell sind die Gläser leer, und nur schwer widerstehen wir der Versuchung, schon am frühen Nachmittag ein zweites Glas von dem Starkbier zu bestellen. Wir steigen lieber um auf das Naturtrüb, wenn wir auch Sorge haben, dass es nun, nach dem gehaltvollen Bock, wässrig schmecken könnte.
Aber die Sorge ist unbegründet. Rund und würzig, um Größenordnungen besser als der Sudel, der uns vor fünf Jahren hier als fast untrinkbares, bierähnliches Getränk unter gleicher Bezeichnung vorgesetzt wurde. Ein sehr schöner Begleiter zur deftigen, aber sehr fein und ausgewogen gewürzten Küche.
Zufriedene Gesichter am Tisch. Sinnierend blickt unser Fahrer zu den an die Gewölbedecke projizierten Bierschaumbläschen, die langsam an den Bögen entlangwandern. „Wussten wir es doch, dass Du hier eine gute Adresse kennst“, sagt er und gibt als Einheimischer unumwunden zu, dass es manchmal vielleicht doch eine gute Idee ist, einen Zugereisten um gute Tipps zu bitten…
Rathaus Brauerei AG
Unter der Egg 2
6004 Luzern
Schweiz
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