Ein herrlicher Frühlingstag, der erste richtig warme Tag zum Draußensitzen. Der Marktplatz in Ottobeuren ist voller Menschen, erst herrscht eine entspannte Atmosphäre. Am Rand des Platzes steht ein großes und recht eindrucksvolles Gebäude: Das AKZENT Brauerei Hotel Hirsch / Gasthausbrauerei „Ottobeurer Bier“.
Drinnen erfreut es mit einem großen, durchaus einladend elegant eingerichteten Restaurant; draußen vor der Tür stehen robuste Bierbänke in der Sonne. Ach, es könnte so wunderbar sein, hier draußen zu sitzen, eine deftige Brotzeit zu essen, dazu ein paar feine Biere. Frühlingsidyll pur!
Aber…
Oh, je, der Konjunktiv „könnte“ gleitet mir nicht ohne Grund aus der Feder. Was wunderbar begonnen hat, lässt uns am Ende recht enttäuscht zurück.
Gut gelaunt nehmen wir an den dicken Holztischen in der Sonne Platz und freuen uns auf einen schönen Frühnachmittag. Geduldig sitzen wir und warten.
Und warten…
Es dauert schier ewig, bis eine junge Dame nach draußen schaut und erschrocken feststellt, dass nicht nur wir hier draußen sitzen und auf die Bedienung warten, sondern auch ein paar andere Gäste. Wortkarg flitzt sie nun an den Tischen vorbei, legt überall artig Speisekarten hin und verschwindet wieder.
Wir warten erneut…
Nun, immerhin haben wir dadurch Zeit, die Speisekarte sehr sorgfältig zu studieren. Wir freuen uns über das Angebot einer Bierprobe, also vier kleinen Gläsern auf einem Probierbrett, um so das Angebot des Hauses einmal quer verkosten zu können. Und auf ein leckeres Essen dazu.
Irgendwann kommt die junge Dame tatsächlich wieder vor die Tür, stellt sich vor unseren Tisch und schaut uns erwartungsvoll an. Wir bestellen die Bierprobe und, saisonangepasst, Spargel aus der Extrakarte. „Nee, nur kalte Küche jetzt“, bescheidet die junge Dame fast ein wenig barsch und lässt uns ratlos zurück. Hätte sie ja auch vorher sagen können, grummeln wir und suchen geduldig aus den Brotzeiten etwas aus.
Immerhin kommt die Bierprobe jetzt recht rasch, und sie sieht auch ganz appetitlich aus. Zack, wird sie auf den Tisch gestellt, und schon verschwindet die junge Dame wieder. Gerade noch kann meine Frau die Brotzeitbestellung hinterherrufen. Ob sie das noch gehört hat?
Ich schaue mir die in der Sonne appetitlich leuchtenden Biere an. Tja, ein kleines heiteres Ratespiel ist es jetzt wohl – welches Bier ist welches. Denn für einen kurzen diesbezüglichen Hinweis fehlte der jungen Dame offensichtlich die Zeit…
Das Hefeweizen ist schnell identifiziert, das Helle eigentlich auch. Das Glas, das der Farbe nach das Märzen beinhalten müsste, riecht aber viel zu vollmundig und kräftig, also scheint das das Jubiläumsbier zu sein – was immer sich hinter dieser Bezeichnung verbirgt. Und das Märzen ist dann offensichtlich das naturtrübe Helle ganz links.
Also, von links nach rechts Märzen, Helles, Jubiläumsbier und Weizen.
Ich nehme zunächst einen Schluck vom Weizen. 4,6% hat es laut Speisekarte, also verhältnismäßig leicht und dünn für diesen Bierstil. Und genau so schmeckt es auch. Erfrischend, leicht fruchtig, aber etwas wässrig. Nun – für einen warmen Frühlingstag eigentlich sehr schön. Wir sind nicht unzufrieden.
Nun das 5,2%ige Märzen. Ich schnuppere am Glas und rümpfe die Nase. Das Bier schwefelt. So etwas kann vorkommen, wenn eine untergärige Hefesorte verwendet wird, die während der Gärung deutliche Schwefelwasserstoffnoten produziert, und die Gärung mit anschließender Lagerung nicht ausreichend lang und nicht bei den richtigen Temperaturen stattfindet. Ungeduld des Brauers? Zu wenig Lagerkapazität? Oder war das Jungbier noch nicht ganz ausgegoren, als der Übergang von Gärung zu Lagerung stattfand? Vielleicht, weil das Wochenende nahte und der Brauer keine Zeit hatte? Ach, alles Spekulation. Woran es auch immer liegt, aber das Bier riecht (und schmeckt) recht deutlich nach Schwefelwasserstoff. Noch nicht so intensiv, dass es untrinkbar wäre, aber doch so, dass es kein wahrer Genuss mehr ist.
Ich hoffe auf das nächste Bier, das Helle. 4,9% Alkohol verkündet die Speisekarte. Der Geruch hingegen verkündet, dass die Würze nicht ausreichend gekocht wurde. Intensive Noten nach Dosenmais wabern über dem Glas. Dimethylsulfid, kurz DMS, nennt sich die Chemikalie, die diesen Geruch verursacht, und üblicherweise wird sie beim Hopfenkochen restlos ausgetrieben. Kocht man hingegen zu kurz oder nicht richtig wallend, oder tropfen die kondensierten Brüden zurück in den Kessel, weil der Abzug nicht funktioniert, dann bleibt das DMS in der Würze und schließlich auch im Bier. Auch hier: Das Bier ist noch trinkbar, aber ich käme nicht auf die Idee, mir davon ein zweites zu bestellen.
Unsere Gesichter sind schon recht lang als ich das vierte und letzte, das Jubiläumsbier, probiere. 5,9% sind eine ordentliche Ansage, und in der Tat schmeckt das Bier auch vorzüglich. Ein kräftiger und runder Malzkörper, feine weiche, fast schon karamellige Aromen. Sehr schön. Na bitte, eins von vieren schmeckt dann doch recht gut, und genau von diesem Jubiläumsbier hätte ich nun gerne ein großes Glas, signalisiere ich einer anderen, ein bisschen älteren Bedienung.
„Jubiläumsbier?“ Sie schaut mich entgeistert an. „Das haben wir doch zur Zeit gar nicht!“
„Aha, und was war dann in dem dritten Glas drin, in dem einzigen, in dem das Bier etwas dunkler war?“, möchte ich nun natürlich wissen.
„Hat Ihnen das niemand gesagt? Das ist unser Bockbier!“
Bockbier. So, so. Das erklärt den Geschmack. Rund und malzig, kräftig. Passt alles. Sehr schön, also dann bitte ein großes Glas Bockbier. „Und… ähm, wo bleibt eigentlich unsere Brotzeit?“
Das Bockbier kommt nun recht zügig. Und einige Minuten später auch das Holzbrettchen mit der Brotzeit, nun wieder serviert von der jungen Dame. Beim Abstellen auf dem Tisch kullern die beiden Gürkchen von der Platte auf den Boden. Schnell räumt sie sie beiseite, aber es folgt weder eine Entschuldigung noch werden neue Gürkchen gebracht. Brotzeit also ohne Gürkchen. Nun ja. Geht auch, aber irgendwie hätten wir uns eine Reaktion gewünscht.
Bockbier, Sonne, Brotzeit – für einen Moment stimmt es wieder, und wir genießen den Nachmittag.
Bis dann ein junger Mann an unseren Tisch kommt. Offensichtlich war Schichtwechsel beim Personal. Ohne uns anzuschauen, ohne auch nur ein Wort zu sagen, tritt er an unseren Tisch, räumt das leergegessene Geschirr ab und verschwindet. So, als hätten wir überhaupt nicht da gesessen. Sehr merkwürdig.
Nee, nun reicht es uns aber. So ein merkwürdiger Service, dazu von vier Bieren zwei richtig schlechte und ein nur mäßig gutes, das begeistert uns überhaupt nicht.
So sehr ich sonst immer behaupte, dass es bei jeder einzelnen Brauerei schön ist, dass es sie gibt und dass sie ihren Teil zur Biervielfalt der Welt beiträgt – hier beim AKZENT Brauerei Hotel Hirsch / Gasthausbrauerei „Ottobeurer Bier“ sehe ich das anderes. Gäbe es diese Brauerei, diesen Gasthof nicht – der Welt würde es an nichts fehlen.
Nein, wirklich keine Empfehlung.
Das Restaurant im AKZENT Brauerei Hotel Hirsch / Gasthausbrauerei „Ottobeurer Bier“ ist täglich von 11:00 bis 23:30 Uhr durchgehend geöffnet, kein Ruhetag. Im Winter ist sonntags ab 14:30 Uhr geschlossen. Zwischen 14:00 und 18:00 Uhr gibt es nur kalte Küche – das erfährt man aber nur auf Nachfragen. Für das kleine kupferne Sudwerk im Eingangsbereich des Hotels gibt es Führungen und Besichtigungen auf Anfrage. Zu erreichen ist das Hotel mit seiner Brauerei am besten mit dem eigenen Auto. Oberhalb der berühmten Benediktiner-Abtei Ottobeuren gibt es einen großen Besucherparkplatz, und von dort aus sind es nur wenige Minuten zu Fuß bis zum Marktplatz.
AKZENT Brauerei Hotel Hirsch / Gasthausbrauerei „Ottobeurer Bier“
Marktplatz 12
87 724 Ottobeuren
Bayern
Deutschland
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