Echte Geheimtipps gibt es ja schon lange nicht mehr. In Zeiten der Social Media wird jedes kleine Goldkörnchen, das irgendjemand irgendwo und irgendwann einmal entdeckt, sofort gnadenlos an die Öffentlichkeit gezerrt, bei Instagram fotografisch dokumentiert, bei Twitter ironisch kommentiert und bei Facebook kurz gehypt und dann von den Hatern und Miesmachern gnadenlos heruntergemacht. Die Spuren im Netz bleiben. Wer sich dieser Medien geschickt zu bedienen versteht, kann so bis ans Ende der Welt reisen und wird trotzdem nicht mehr überrascht.
Das Pingvinen in Bergen wäre vor wenigen Jahren vielleicht noch als Geheimtipp durchgegangen, heute weiß natürlich jeder im Vorfeld, wo es zu finden ist und was ihn dort erwartet.
Bergen ist nicht gerade das Ende der Welt, aber es ist eben auch nicht genau die eine Destination, die man wählen würde, wenn man auf der Suche nach gutem Bier ist. Nun sind wir aber schon mal hier, und dann durchstreifen wir natürlich die Stadt und stehen nach ein paar Minuten in einer der kleinen Gassen vor einem unscheinbaren Restaurant. Graue Steine im Erdgeschoss, die Stockwerke darüber dunkelgelb gestrichen, aber es blättert schon hie und da ein wenig ab. Ein uralter Holzklapptisch und zwei Klappstühle stehen einsam und verlassen vor der Tür, im kühlen Nieselregen setzen sich aber noch nicht einmal die wetterfesten Einheimischen dorthin. Pingvinen steht über der Tür und an einem Wirtshausschild, aber was sich dahinter verbirgt, darauf gibt es keinen Hinweis.
In seiner Unscheinbarkeit also ein Kandidat für einen Geheimtipp, fände man nicht in den Weiten des Netzes reichlich Informationen darüber, dass es sich hier um ein kleines Restaurant mit ausgezeichneter Bierauswahl handeln würde.
Wir huschen durch die Tür und stehen in einem kleinen, etwas unübersichtlichen Schankraum. Überraschend voll ist es hier. An der Theke sitzen die Biertrinker aufgereiht wie Perlen an einer Schnur, und an den kleinen Tischen überall im Raum verteilen sich Pärchen und kleine Gruppen.
Mit etwas Glück finden wir ein Zweiertischchen mit Blick auf die Bar und machen es uns gemütlich. Eine schwarze Tafel informiert uns über die angebotenen Biere – achtzehn Stück sind aufgelistet. Vom simplen Fabrikbier bis zu kreativen Bieren aus kleinen regionalen Brauereien ist einiges Interessantes dabei. Ein einfacher Zettel informiert uns über die Speisen – es gibt ein paar internationale Gerichte, von der Streetfoodbewegung inspiriert, aber auch ein paar regionale Dinge, wie beispielsweise Rentierfleisch.
Wir bestellen aus der Bierliste einfach mal das erste, was uns unbekannt vorkommt: Das Tulla Hefeweizen der Lindheim Ølkompani. Wir erhalten ein klassisches Pint-Glas, randvoll mit einer kräftig trüben, hefigen Flüssigkeit mit etwas Schaum drauf. Es riecht eher dumpf, mit ein paar erdig-kräuterigen Aromen, aber definitiv nicht wie etwas, was mit Hefeweizen auch nur im Entferntesten etwas zu tun hätte. Enttäuscht nuckeln wir an dem 4,7%igen Bier und sind recht unzufrieden.
Mehr Glück haben wir mit dem Oregonian der Voss Bryggeri. Hellkupferfarben, leicht trüb, mit kräftigen, würzigen Hopfenaromen. Ein klassisches India Pale Ale mit 6,0% Alkohol. Keine geschmackliche Offenbarung, derentwegen wir jetzt im Schankraum ein Freudentänzchen aufführen würden, aber ein solides Bier. Immerhin.
Ein drittes Bier gönnen wir uns noch, bevor es uns weiterzieht, und zwar das IPA von Austmann. 6,5% Alkohol hat es, und es ist nicht nur etwas alkoholstärker als das Oregonian, sondern auch geschmacksintensiver. Fruchtige Noten paaren sich mit harziger Würze – ein schönes Bier. Es versöhnt uns mit dem Reinfall des ersten, des Ganz-und-gar-nicht-Hefeweizens.
Die junge und etwas schusselige, aber sehr freundliche Bedienung hat unsere Unzufriedenheit mit dem ersten Bier registriert und erkundigt sich, warum es uns nicht geschmeckt habe. Wir erklären es ihr und haben den Eindruck, dass es sie tatsächlich interessiert und dass es nicht nur eine pflichtgemäße Nachfrage war. Sehr schön – so sollte es eigentlich in jeder ernstzunehmenden Bierbar sein.
Wir nehmen das merkwürdige Hefeweizen mal als die Ausnahme von der Regel und sind mit dem kleinen, unscheinbaren Bierrestaurant Pingvinen trotzdem zufrieden. Eine sehr angenehme, entspannte Atmosphäre, ein gutes, schmackhaftes Essen und ein warmherziger Service ergänzen die recht umfangreiche Bierauswahl und können den einen oder anderen Ausrutscher bei den Bieren durchaus kompensieren.
Das Bierrestaurant Pingvinen ist täglich ab 12:00 Uhr bis morgens um eins durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Es befindet sich etwa 500 m südlich des Fischmarkts und ist von dort aus in wenigen Minuten bequem zu Fuß zu erreichen.
Pingvinen
Vaskerelven 14
5014 Bergen
Norwegen
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