Eigentlich ja ein schönes Brauhaus – ein gemütliches Ambiente, ein netter Biergarten, ein ansprechender Schankraum und dazu eine schmackhafte Küche und süffige Biere. Fein!
Aber Gäste gibt’s hier… Gäste, sag‘ ich Euch…
Aber dazu gleich ein wenig mehr.
Es ist Sonntag, die Sonne lacht, und die Fahrt über die kleinen Dörfer im Voralpenland macht heute selbst mir, der ich doch oft über das Autofahren und die aggressiven Autofahrer schimpfe, richtig Spaß. Wenig Verkehr, kleine Sträßchen, viele Kurven.
Vor uns taucht das kleine Dörfchen Kaltental auf, und mittendrin der alte Gasthof Zur Traube. Ein klassischer Dorfgasthof, der so aussieht, wie er immer schon ausgesehen hat. Seit vielen Jahrzehnten scheint hier die Zeit stehengeblieben zu sein.
Doch die Rückseite dieses alten Gasthofs zeigt ein neues Gesicht. Ein schöner Biergarten lockt, der aber noch nicht allzu alt zu sein scheint. Zu klein sind die Kastanien, zu groß die Lücken zwischen den noch jungen Bäumen – Lücken, die noch mit Sonnenschirmen geschlossen werden müssen, damit die Gäste auf den Bierbänken nicht dahinschmelzen oder gar anbrennen.
Durch ein großes, halbrundes Fenster sehen wir ein kupfernes Sudwerk schimmern und wissen: Hier sind wir richtig. Im Kaltentaler Brauhaus.
Wir nehmen an einem der dicken Holztische Platz – „Proscht!“ ist in eines der Bretter eingeritzt, und das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Der Brauer scheint Musikliebhaber oder gar Musiker zu sein, denn die Biere tragen die Namen von Blasinstrumenten. Wir fangen mit der Tuba Weisse an, einem schönen, 5,0%igen, bernsteinfarbenen Weissbier. Eine leicht beigefarbene Schaumkrone, eine dezente, gleichmäßige Trübung – der optische Eindruck ist schon mal prima. Geruch und Geschmack aber auch, wie sich rasch zeigt. Ein rundes und würziges, nur leicht estriges und schön süffiges Bier. Selbst mir, der ich Weißbieren gegenüber doch etwas kritisch bin, mundet es ausgezeichnet.
Ein gutes Bier macht meistens hungrig – selbst bei der heutigen Hitze. Die Küche bietet mit hauchdünnen, knusprigen und schmackhaft belegten Flammkuchen genau das Richtige, und es kommt, wie es kommen muss: Ein paar Bissen nur, und schon regt sich wieder der Bierdurst. So könnte es dann ewig weitergehen – auf Bierdurst folgt Hunger folgt Bierdurst folgt Hunger… Für einen Moment kann man dieses Spielchen aber durchaus mitmachen, und so bestelle ich mir ein weiteres Bier, diesmal das Zwickel.
Das Zwickel nennt sich Horn, hat ebenfalls 5,0% Alkohol und erfrischt ganz vorzüglich. Hellgelb, nur leicht trüb, mild, mit recht wenig Hopfen ist es ein Bier für den großen Schluck. Gefährlich bei dem heutigen Wetter – zu groß kann die Versuchung sein, davon zwei oder drei Stück zu trinken und dann in der prallen Sonne im wahrsten Sinne des Wortes leicht einen sitzen zu haben.
Der Dialog, der sich am Nachbartisch entwickelt und den wir, ob wir wollen oder nicht, ob der penetranten Stimme des Hauptdiskutanten zwangsweise mithören müssen, verhindert aber, dass wir uns zu lange und zu gemütlich im Biergarten festsetzen. Eine gemischt schwäbisch-amerikanische Gruppe ist es, und die Amerikaner sind wohl das erste Mal in Deutschland und bekommen eine ausführliche und, wie der Sprecher meint, wohl sehr fachkompetente Vorlesung zum Thema „Deutsches Bier“.
Nicht nur, dass die altbekannten Plattitüden kommen, von wegen, das deutsche Bier sei das Beste der Welt und das läge nur und ausschließlich am Reinheitsgebot, sondern es folgt ein langer Monolog über die Roh- und Inhaltsstoffe guten Biers. Allen voran der Hopfen, denn das sei die einzige Zutat, ohne die kein Bier entstehen könne.
„Ist doch klar“, heißt es. „Davon kommt nämlich die Stammwürze. Das ist so ähnlich, wie die Öchsle-Grade bei unserem Wein, nur, dass die hier vom Hopfen kommen. Daher nennt man die Stammwürze nämlich auch Hopfenwürzigkeit.“
Soso. Ich nicke in mich hinein und fühle mich einmal wieder ob der Dummheit der deutschen Konsumenten bestätigt.
„Habt Ihr eigentlich schon einmal ein Weizenbier getrunken?“, fährt der Besserwisser fort und belehrt seine amerikanischen Begleiter, die höflich und zustimmend mit dem Kopf wackeln. „Das schmeckt völlig anders als normale Biere, das kommt dann von so einem speziellen Hopfenmalz, wisst Ihr! Ich kenn mich da aus!“
Hm, er kennt sich also aus. Uns beginnen die Ohren zu tränen. Entgeistert schauen meine holde Ehefrau und ich uns an. Da schmeckt uns ja schon fast das Bier nicht mehr…
Wir trollen uns noch für einen Moment in das Innere des Brauhauses. Zum einen ist es hier ganz angenehm kühl, und zum anderen hören wir hier das Geschwätz vom Nachbartisch nicht mehr. Stattdessen sehen wir so einiges. Die nette Dekoration mit zahlreichen Bierkrügen, beispielsweise, oder die Wanduhr mit dem riesigen Zifferblatt und den winzigen Zeigern, bei denen uns erst beim zweiten, genaueren Hinsehen auffällt, dass sie doch tatsächlich die richtige Zeit anzeigt und nicht nur zur Zierde dient.
Der Zierde dient auch die kupferne Verblendung des Sudwerks. Ihr Glanz hatte uns ja schon von draußen durch das große Fenster gefallen. Von drinnen aus betrachtet, ist es zwar nicht mehr ganz so hübsch, aber immer noch ansehnlich. Ein bisschen eng in die Ecke hinter der Theke gequetscht stehen Bottich und Pfanne, und von hinten sieht man natürlich auch die Verrohrung unter den Geräten, die nicht mehr von auf Hochglanz poliertem Kupferblech verblendet ist. Andererseits: Die Technik ist ja kein Geheimnis, und man darf sie durchaus auch sehen.
Ein paar Minuten unterhalten wir uns noch mit der sehr freundlichen Dame hinter der Theke, ringen für einen Moment noch mit uns, ob wir auch noch etwas Bier mit heimnehmen, entscheiden uns angesichts der Hitze und des kurvigen Heimwegs dagegen – der Transport täte dem Bier mit Sicherheit nicht gut. Auch wenn die Verlockung groß ist.
Auf dem Weg zum Ausgang kommen wir noch am Gärkeller vorbei, in dem sich früher Metzgerei und Wurstküche befanden. Durch ein Fenster kann man in die Stahlwannen sehen, in denen das Bier in offener Gärung entsteht. Beziehungsweise könnte man, denn derzeit sind die Wannen leider leer. Keine schönen Kräusen, kein weißer Hefeschaum, sondern nur blitzblank geputzter Edelstahl…
Mit Stand 23. Juni 2019 ist das Kaltentaler Brauhaus täglich ab 16:00 Uhr, sonn- und feiertags bereits ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet; mittwochs ist Ruhetag. Kaltental liegt etwas abgelegen, insofern erreicht man das Brauhaus sinnvoll eigentlich nur mit dem Auto, was den Biergenuss für mindestens eine Person leider ausschließt.
Kaltentaler Brauhaus
Blonhofener Straße 12
87 662 Markt Kaltental
Bayern
Deutschland
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