„Ich kann über Wasser gehen“, mag der eine oder andere Craftbier-Liebhaber nach heftigem Genuss seines Lieblingsgetränks in der Augsburger Bierbar The Drunken Monkey ausrufen und mit breit ausgestreckten Armen davonwanken. Verwunderte Blicke wird er dann auf sich ziehen, aber …
… er wird auch nicht zu hundert Prozent unrecht haben.
Das Schöne an The Drunken Monkey ist nämlich, dass man hier in der warmen Jahreszeit tatsächlich über Wasser gehen und über dem Wasser sitzen kann. Die kleine Holzterrasse vor dem Eingang der Bar ist über einen kleinen Bach gebaut, es dürfte der Hintere Lech sein, und wenn man so in der Sonne sitzt, sein Bier genießt und nach unten schaut, dann sieht man das Wasser unter seinen Füßen dahinfließen. Man sitzt auf dem Wasser, man geht über das Wasser.
Es ist ein sonniger Sommertag, an dem ich hier über dem Wasser sitze und ein paar feine Biere genieße. Ich spähe durch die Spalte zwischen den Holzbrettern, sehe das Wasser in der Sonne glitzern, und, anstatt diesen romantischen Moment zu genießen, habe ich ganz profane Gedanken: Wie viele Euromünzen und Autoschlüssel mögen schon auf Nimmerwiedersehen durch diese Spalten gerutscht, gekullert oder gefallen sein? Seit 2015 gibt es die Bar schon, also vier lange Sommer, in denen schusselige oder angetrunkene Besucher ihr Kleingeld, ihre Busfahrscheine oder ihre Schlüssel vom Tisch haben fallen lassen. Zuerst macht es klong oder klack, und Erleichterung macht sich breit. Die Münze, der Schlüssel ist auf ein Brett gefallen. Sekundenbruchteile später macht es platsch, und die Gewissheit ist da: Sie oder er ist trotzdem durch den Spalt gerutscht. Weg! Einfach weg. Suchen zwecklos.
„Was darf ich Dir denn bringen?“, fragt mich der freundliche junge Mann, der heute hier bedient. Hm, da hat er mich auf dem falschen Fuß erwischt, denn vor lauter Sinnieren über schusselige Gäste habe ich noch gar nicht in der Bierkarte geblättert. Und dieses Versäumnis lässt sich auch so schnell nicht aufholen, denn die fünfzehn eng bedruckten Seiten der Getränkekarte, davon zehn allein mit nach Stilen sortiertem Bier lassen sich jetzt nicht schnell und diagonal überfliegen.
Angriff also nach vorn: „Was würdest Du denn empfehlen, wenn ich mich heute auf zwei Biere beschränken möchte?“
„Zwei Biere?“ Er überlegt nur kurz. „Dann mach doch eine Vergleichsverkostung von Split Decision, den beiden Bieren von Hanscraft. Das gleiche Bier, nur einmal im Hallertau Style und einmal im Yakima Style.“
Eine gute Idee, und Momente später steht das erste Bier vor mir. Hallertau Style, soll heißen, mit Hallertauer Hopfen gebraut und gestopft. Ein Juicy India Pale Ale, also mit Unmengen von Hopfen. So viel, dass das Bier trübe wird und dass es ein saftiges, fruchtiges Aroma bekommt. Der Hopfen aber auch nur so kurz zugesetzt, dass die Bittere nicht überhandnimmt, sondern die saftigen Aromen im Vordergrund bleiben. 6,3% Alkohol, durchaus kräftig, aber nicht übermäßig stark.
Mir gefällt’s. Ich schmecke feine, eher klassische Hopfenaromen. Nicht nur Fruchtbomben, sondern auch heuartige und kräuterige Noten sind zu finden, wenn auch nur dezent im Hintergrund. Ein durchaus sympathisches Bier. Sehr schön.
Direkt danach die andere Version. Yakima Style. Dasselbe Rezept, aber mit amerikanischen Hopfensorten, wie sie für das Yakima Valley typisch sind. Noch prägnanter sind die die Fruchtaromen, noch direkter und süßlicher. Ansonsten aber sehr ähnlich. Ebenfalls 6,3% Alkohol, ebenfalls ein saftiges Bier.
Beiden Versionen ist gemeinsam, dass der Geruch ein bisschen mehr verspricht, als der Geschmack dann hält. Das ist aber typisch für diese Juicy IPAs oder New England IPAs. Viel Fruchtcharakter im Duft, dann auf dem Gaumen schon noch ein bisschen saftig, aber beim Schluck kommt doch die Bittere des Hopfens durch, und die Frucht verschwindet. Wer diesen Wechsel mag, für den sind das tolle Biere – mir wäre es umgekehrt lieber: Erst die Bittere, dann die Frucht.
Mittlerweile habe ich die Getränkekarte durchgeblättert und bin begeistert. ‘zig Biere könnte ich hier noch verkosten, ohne dass es mir langweilig werden müsste – gemeinsam mit dem schönen Ambiente über dem Wasser also schon zwei Gründe, hier mal wieder herzukommen.
Einen kurzen Blick werfe ich noch nach drinnen. Viel dunkles Holz, dass aber mit bunter Illumination und farbenfrohen Dekorationselementen kombiniert gar nicht so klassisch aussieht. Ein paar merkwürdige Graffiti, im Stil an exzentrische Science-Fiction-Comics angelehnt, zieren die Wände und bilden ein paar surreale Szenen ab. Durchaus ansprechend, und als Erst-Besucher hat man zunächst viel zu kucken, nicht nur zu trinken.
The Drunken Monkey also. Sicherlich eine Adresse, die sich der Kreativbier-Liebhaber merken sollte.
Die Bierbar The Drunken Monkey ist donnerstags bis sonnabends ab 18:00 Uhr durchgehend geöffnet; den Rest der Woche ist zu. Durch die Lage mitten in der Altstadt ist die Bar problemlos zu Fuß zu erreichen; alternativ mit der Straßenbahn, Haltestelle Pilgerhausstraße, und von dort zwei Minuten.
The Drunken Monkey
Auf dem Rain 5
86 150 Augsburg
Bayern
Deutschland
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