Pioneer Beer
Žatec
CZE

Eine flache blassgrüne Halle, der man heute, bei mäßigem Wetter, von außen nicht unbedingt ansieht, was sie beherbergt. Ein paar hölzerne Biertischgarnituren stehen zwar auf dem Platz davor, aber die meisten davon sind in dicke Plastikfolien verpackt und es sieht aus, als hätte ein Möbelhaus gerade eine Lieferung bekommen.

Auf den zweiten Blick sehen wir an der Wand aber das stahlgraue Logo: Pioneer Beer. Erst letztes Jahr hat diese Brauerei eröffnet, aber sie hat sich schon einen hervorragenden Ruf erarbeitet.

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Der erste Blick wirkt jetzt noch nicht so spannend: Pioneer Beer

Michal Havrda ist Brauer, er hat rund zehn Jahre Erfahrung in der bekannten Brauerei Krusoviče auf dem Buckel. Dann lernt er Miriam kennen, eine Slowakin, die mit ihm die Begeisterung für Bier teilt, und gemeinsam beschließen sie, eine Brauerei zu eröffnen, und Ende des Jahres 2018 kommt das erste Bier aus den Zapfhähnen.

Ein altes, historisches Gebäude verbirgt sich hinter der blassgrünen Fassade, stellen wir fest, als wir hineingehen. Eine Hopfenhalle war es wohl einmal, und wir laufen direkt auf gewaltige, massive Eichenbalken zu, die das obere Stockwerk der Halle tragen. Unter den Eichenbalken sehen wir als erstes die beiden Edelstahlgeräte des Sudwerks. Ein bisschen in den Boden eingelassen stehen sie vor uns, und wir müssen aufpassen, nicht die Stufen hinunter zu stolpern, die zum Sudwerk führen. Haben die Kessel anders nicht unter die Eichenbalken gepasst?

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das Sudwerk wurde in den Boden abgesenkt, um Platz zu finden

„Ja“, lacht Michal, „genau so! Das Gebäude steht unter Denkmalschutz, und wir dürfen die Eichenbalken nicht durch ein anderes Tragwerk ersetzen. Ansägen dürfen wir sie auch nicht, sie sind ja Bestandteil der sorgsam ausgewogenen Statik des Gebäudes. Also haben wir das Sudwerk ein wenig tiefer gesetzt und so den notwendigen Platz geschaffen.“ Stolz zeigt er uns das Sudwerk und die vollelektronische Steuerung. „Sämtliche Ventile und Tanks kann ich von hier aus kontrollieren“, sagt er und deutet auf den Touchscreen.

„Hinter uns, in dem kleinen Raum, habe ich den Heißwassertank, und daneben die Chemikalientanks für die CIP-Anlage, also die automatische Reinigung des ganzen Systems.“ Heiß ist es in diesem kleinen Nebenraum, und rasch gehen wir wieder zurück in den Schankraum, dort, wo das Sudwerk steht.

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über den Touchscreen steuert Michal den gesamten Brauprozess

„Im oberen Stockwerk planen wir, einen großen, bewirtschafteten Schankraum einzurichten, aber bevor es dazu kommt, müssen wir uns erst einmal am Markt etablieren und das Geld dafür verdienen“, erzählt Michal und deutet nach oben, wo im oberen Stockwerk große, leere Räumlichkeiten auf ihre Nutzung warten. „Vorerst müssen die einfachen Bierbänke hier im Erdgeschoss und bei gutem Wetter vor der Tür genügen.“

Tun sie eigentlich auch, und wir setzen uns für einen Moment mit einem frisch gezapften Bier hin. Cloudya nennt es sich wortspielerisch – ein Session New England India Pale Ale, oder kurz Session NEIPA. Trüb wie Fruchtsaft ist es, und die Hopfensorten Eldorado und Mosaic verleihen ihm ein fruchtiges Aroma. Die Bittere ist noch ausgewogen, und angesichts von nur 4,3% kann ich mir vorstellen, von diesem Bier gerne ein paar größere Gläser zu trinken.

Dafür ist unsere Pause aber zu kurz. „Wir gehen jetzt in den Lagerkeller“, ruft Michal, und das lassen wir uns natürlich nicht zweimal sagen.

Hinter der Glastür, die den Lagerkeller vom Schankraum trennt, stehen die großen Tanks dicht an dicht. „Hier war es echte Maßarbeit, die Tanks zwischen die Eichenbalken zu stellen. Letztendlich war es Handarbeit. Vorsichtig haben wir die Tanks im Liegen bis an ihren jeweiligen Standort gebracht und dann mit acht Mann per Hand aufgestellt.“ Wir schauen nach oben und sehen, wie knapp die Holzbalken an den Tanks vorbeiführen – das war bestimmt nicht einfach.

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eine beeindruckende Lagerkapazität

Jetzt steht hier aber eine beeindruckende Lagerkapazität, die es Michal ermöglicht, die Biere auch richtig schön lange zu lagern – ganz wie es die Tradition in Tschechien erfordert. „Probiert mal mein Hoppy Pils“, lädt uns Michal ein und öffnet den kleinen Zwickelhahn am Lagertank. Wir haben alle noch unsere leeren Gläser dabei, und rasch füllt Michal sie uns bis zum Rand. Probieren sieht anders aus – das hier ist schon mehr als nur eine kleine Probe.

Das Bier ist bereits überraschend klar, während der langen Lagerzeit hat sich die Hefe gut abgesetzt. „Ab morgen oder übermorgen kommt das Bier in den Ausschank – sowie der nächste Zapfhahn frei ist. Aber Ihr dürft es heute schon trinken.“

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für ein frisch gezwickeltes Bier erstaunlich klar – Ležák mit Kazbek

Ein einfaches Lagerbier, ein Ležák, ist es, aber gestopft mit der noch relativ neuen tschechischen Aromahopfensorte Kazbek, die ihm ein leicht fruchtiges Aroma verleiht, mehr noch aber schöne würzige und etwas harzige Noten. Ein sehr ausgewogenes Bier, das mit jedem einzelnen Schluck mehr offenbart. Terpene, Harze, Fichten- und Kieferaromen finden sich, und mit jedem Schluck bekommen wir Lust auf den jeweils nächsten.

Während wir so vor uns hin trinken, erzählt Michal noch ein wenig von den Anfangsschwierigkeiten. Denkmalschutz und Lebensmittelbehörde hätten gelegentlich einander widersprechende Auflagen gemacht und es habe lange gedauert, bis man Kompromisse gefunden hatte. Aber jetzt liefe die Brauerei gut. Nicht zu viele exotische Biere wolle er brauen, um die doch eher konservativen tschechischen Biertrinker nicht zu verschrecken. Liebe schöne, gut trinkbare Lagerbiere, die dann aber mit immer wieder neuen, gerne auch mal spannenden Hopfensorten. So, wie das Lager mit dem Kazbek, was wir gerade in den Händen hielten.

Solide Pläne.

Uns gefällt’s, und so nutzen wir die Gelegenheit und setzen uns noch ein Weilchen vor die Brauerei in die Sonne, die jetzt doch noch rausgekommen ist. Mit dem Diplomat, einem India Pale Lager mit 12°, gehopft mit dem berühmten Nelson Sauvin Hopfen, der dem Bier ein paar fast schon weinige Noten verleiht, haben wir noch ein weiteres, sehr gut trinkbares Bier entdeckt. 5,0% Alkohol sind problemlos zu verkraften – ein sehr schönes Bier, um den ganzen Abend hier sitzen zu bleiben und sich von einem Glas zum nächsten zu trinken.

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Diplomat India Pale Lager

Wir sind uns einig: Mit seinen Bieren gelingt Michal die Kombination aus interessanten, teils spannenden Aromen und Geschmäckern mit einer sehr hohen Durchtrinkbarkeit, die die Tschechen so mögen. Ein Bier muss durch die Gurgel rauschen können. Nicht immer und überall, aber bei Bedarf muss es das können. Nicht auszudenken, wenn man müde und durstig von der Arbeit käme und der Kühlschrank voller Verkostungsbiere stünde, die entweder alkoholstark sind oder so exotisch, dass man sie nicht gegen den Durst trinken könnte. Eine Katastrophe wäre das!

Die noch junge Brauerei Pioneer Beer ist donnerstags bis sonnabends von 17:00 Uhr an durchgehend geöffnet; den Rest der Woche ist zu. Zu erreichen ist die kleine Brauerei in wenigen Minuten zu Fuß vom zentralen Marktplatz, dem Náměstí Svobody – es sind vielleicht 500 m in Richtung Süden.

Bilder

Pioneer Beer Žatec
Náměstí Prokopa Velkého 303
438 01 Žatec
Tschechien

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