Das Chmelařský Institut Žatec. Das Hopfenforschungsinstitut in Saaz. Der Stolz der Tschechien Bierbrauer. Seit 1925 wird hier im Zentrum des tschechischen Hopfenanbaus geforscht. Neue Hopfensorten werden gezüchtet, ihre Parameter bestimmt, Probesude werden eingebraut und Zuchtreihen analysiert. Alphasäurewerte werden zertifiziert bestimmt, Freilandversuche durchgeführt und ausgewertet, Wetterdaten analysiert und Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel getestet. Bewässerungsverfahren werden weiterentwickelt, Düngemethoden verfeinert und Pflanz- und Erntemaschinen optimiert.
In einem spannenden und keine einzige Minute langweiligen Vortrag stellt und Josef Ježek, der Leiter der Abteilung Hopfenanbau, die bunte Vielfalt der Aufgaben des Instituts vor. 33 Folien umfasst seine Präsentation – üblicherweise ist diese Anzahl die Garantie dafür, die Zuhörer zu überfordern und spätestens nach fünf Minuten in einen Dämmerschlaf zu versetzen, aus dem sie nur mit magischen Worten wie „Pause!“ oder „Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!“ geweckt werden können.
Heute passiert das aber überhaupt nicht. Von der ersten Minuten an hängen wir gebannt an Herrn Josefs Lippen und versuchen, so viele Informationen wir möglich mitzubekommen.
„Das Chmelařský Institut Žatec blickt auf vier verschiedene Gründungsjahre zurück“, schmunzelt Josef Ježek gleich zu Beginn seines Vortrags. „Das gibt uns die Möglichkeit, fast jedes Jahr ein rundes oder halbrundes Jubiläum zu feiern und bei der Gelegenheit natürlich auch ein paar leckere Biere zu trinken.“ Das erste Gründungsjahr ist 1925, als das Landwirtschaftsministerium in der Nähe von Žatec einen Grundbesitz aufgekauft hat und dort eine landwirtschaftliche Experimentalstation eingerichtet hat. Das zweite ist 1950, als das Staatliche Forschungs- und Züchtungsinstitut für Hopfenkunde gegründet wurde. Schon zwei Jahre später, 1952, gab es erneut ein Gründungsjahr, als nämlich eine Umgliederung erfolgte und das Institut sich fortan Forschungsinstitut für Hopfenkunde nennen durfte. 1974 zog das Institut an die heutige Adresse in der Kadaňská-Straße um, also auch ein Gründungsjahr – jedenfalls für die Infrastruktur. Und 1992 schließlich wurde das Institut im Rahmen der Privatisierungen nach der politischen Wende zum Hopfeninstitut, dem Chmelařský Institut.
„Das sind aber fünf und nicht vier Gründungsjahre“, kräht es vorlaut aus der vorletzten Reihe. „Stimmt eigentlich“, erwidert Ježek. „Da müssen wir also gleich einmal auf das 45jährige Jubiläum unserer Infrastruktur anstoßen, oder?“ Er grinst, denn im gleichen Moment bringt sein Kollege einen Kasten mit Bier aus der eigenen Experimentalbrauerei herein. „Frühstück!“
Es ist morgens um halb zehn, aber ein Vortrag über Hopfenanbau und Bieroptimierung wäre in der Tat nur halb so spannend, wenn wir nicht dazu schon ein Bier verkosten würden. Ein herzliches Prost also auf das Insitut.
Während wir am Experimentalsud nippen, hören wir von unterschiedlichen Klonen des berühmten Saazer Hopfens. Die Klone, Osvald 31, Osvald 72 und Osvald 114, sind für unterschiedliche Standorte optimiert – ob Tal- oder Berglage, ob fruchtbare oder eher arme Böden. Wir staunen, waren wir bis eben doch schon froh, als selbsternannte Experten überhaupt gewusst zu haben, das der Saazer Hopfen einen speziellen Namen, Halbfrüher Rothopfen, trägt.
Wir hören von Hochalphasorten wie Gala und Boomerang, von Zwerghopfensorten mit musikalischen Namen wie Country, Blues und Jazz, von Aromasorten wie Brilliant, Comfort und Shine und schließlich von Flavoursorten, die kosmische Namen tragen: Uranus, Venus, Juno, Ceres, Jupiter, Eris, Pluto oder Saturn.
Auch von Forschungsprojekten, Pflanzenschutz und Biotechnologie ist die Rede, und Ježek stellt uns schließlich in Bildern und Videoclips noch das rund 130 ha große Anbaugebiet rund um das Schloss Stekník vor, wo das Institut seine Feldversuche durchführt. „Dort ist auch der Hopfen entstanden, mit dem wir den Experimentalsud eingebraut haben, den Ihr gerade trinkt!“ Mit diesen Worten beschließt Ježek seinen Vortrag und geleitet uns ins Tiefgeschoss des Gebäudes.
Hier steht die nagelneue Experimentalbrauerei, die Pokušný Pivovar. Etwas über fünfzig Liter pro Sud kann man hier herstellen, und das Setup ist so flexibel, wie man es sich nur vorstellen kann. „Der Hauptgrund dafür, dass wir eine neue Brauerei errichtet haben, ist nicht, dass die alte kaputt war. So etwas passiert nicht – bei guter Pflege hält eine Brauerei ewig. Vierzig Jahre sind da eigentlich nichts“, hören wir.
„Aber die alte Brauerei war für klassische Brauverfahren optimiert. Dekoktion und Infusion, und sonst ging nicht viel. Auf der neuen Anlage können wir andere Verfahren ausprobieren. Schonkochverfahren, Hopfenstopfen oder ähnliches. Wir können auch eine Hopgun anschließen und mit diesem besonderen Verfahren spezielle Aromakomponenten aus unseren Hopfen extrahieren, und viele Dinge mehr.“
Bevor die ersten von uns auf die Idee kommen, Umbaupläne für ihre Keller daheim zu schmieden und ähnliche Konstruktionen dort aufzustellen, gehen wir weiter in den Laborbereich. Karel Krofta ist hier Laborleiter, und wir hören, dass das Labor des Chmelařský Institut Žatec vor wenigen Tagen erst, am 2. September 2019, für ausgewählte Analysen offiziell akkreditiert worden ist und nun Referenzwerte bestimmen darf.
Auch hier sehen wir alte und neue Technik und können uns einen Eindruck davon machen, wie rasch die Entwicklung der Analysetechnologie fortschreitet und wie herausfordernd die Arbeit im Labor somit ist.
„Und jetzt gehen wir noch einmal raus, vor das Gebäude“, heißt es. In einer Halle nebenan steht eine alte, aber voll funktionsfähige Hopfenpflückmaschine. „Jede einzelne Hopfensorte, die wir in Stekník anbauen, wird natürlich einzeln geerntet, und in dieser Maschine werden die Dolden dann von den Pflanzen getrennt. Anschließend werden die Dolden dann noch einmal per Hand nachsortiert, damit sie für unsere wissenschaftlichen Analysen entsprechend zur Verfügung stehen.“
Trotz dass es Wochenende ist, sind im Nebenraum einige Arbeiterinnen damit beschäftigt, die Hopfendolden zu sortieren und zu trocknen. „Zum Glück werden die verschiedenen Hopfensorten auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten reif, und so bringen wir vier bis fünf Wochen lang jeden Tag neue Sorten vom Feld“, erzählt Herr Josef. „Alles auf einmal könnten wir gar nicht bewältigen.“
Aber in diesen Sommerwochen in August und September wird dann auch durchgearbeitet – freie Wochenenden gibt es in der Zeit nicht. Die Reife des Hopfens bestimmt den Zeitablauf. „Gestern haben wir das letzte Feld abgeerntet, jetzt ist alles drin, und wenn die Dolden, die Ihr hier seht, getrocknet sind, dann können die Damen, die hier arbeiten, auch mal wieder frei machen.“
„Und das war’s dann auch schon. Habt vielen Dank für Euren Besuch und Euer enormes Interesse“, verabschiedet sich Josef Ježek von uns.
In knapp zwei Stunden haben wir einen hervorragenden Einblick in die Arbeit des Chmelařský Institut bekommen. Ein detaillierter Vortrag, ein Rundgang, bei dem wir überall genau hinschauen durften und die Bereichsleiter mit Fragen gelöchert haben, und parallel zu dem Ganzen eine Verkostung des Biers, das auf der Experimentalbrauerei entstanden ist. Was für ein Erlebnis!
Bilder (Chmelařský Institut Žatec)
Bilder (Pokušný Pivovar)
Chmelařský Institut Žatec / Pokušný Pivovar
Kadaňská 2525
438 01 Žatec
Tschechien
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