„Was hat das hübsche Rokoko-Schloss Stekník in einem Bierblog zu suchen?“, mag die überraschte Frage sein. Ein unter Denkmalschutz stehendes, ein wenig verfallenes Schloss aus dem späten 17. Jahrhundert – wird hier vielleicht Bier gebraut?
Nein, das leider nicht, auch wenn man davon ausgehen kann, das die Schlossküche früher mit hoher Wahrscheinlichkeit Bier für den Eigenbedarf der Bewohner hergestellt hat.
Eine eigene Brauerei ist es also nicht, aber es sind zum einen seine bezaubernde Lage in einem Meer von Hopfenfeldern, zum anderen eine zwar kleine, aber trotzdem schöne und sehenswerte Ausstellung über den Hopfenanbau in der Region, die das Zámek Stekník zu einem lohnenden Ausflugsziel für den Bierliebhaber machen. Vielleicht nicht gerade eine Anreise über viele hundert Kilometer weg wert, aber wenn man sowieso schon in der Gegend ist, lohnt sich ein kleiner Abstecher allemal.
Das Schloss wurde Ende des 17. Jahrhunderts anstelle eines alten Gutshofs errichtet. Steht man am Rande des Schlossgartens, so hat man von der Anhöhe einen weiten Blick über die Felder rund um das kleine Dorf Stekník, und man erblickt Hopfenfelder bis zum Horizont. Nur wenige Kilometer sind es bis Žatec / Saaz, dem Zentrum des tschechischen Hopfenanbaus. Bis hierher, nach Stekník, erstrecken sich die Hopfenfelder, und insbesondere baut das Hopfenforschungsinstitut, das Chmelařský Institut Žatec, auf den Stekníker Hopfenfeldern seine neu gezüchteten Sorten unter möglichst kontrollierten Bedingungen an.
Ein wunderbarer Anblick muss es sein, hier Anfang August entlangzuwandern und in jedem einzelnen Hopfengärtchen, auf jedem Hektar eine andere Hopfensorte wachsen zu sehen. Dichte und weniger dichte Blätter, kleine und große Dolden, üppig wuchernde Ranken oder eher sparsam wachsende. Die Vielfalt ist enorm, und auch die Reifezeit ist unterschiedlich, so dass man sich hier über einen langen Zeitraum hinweg an den prallen Hopfendolden erfreuen kann.
Heute, am 23. September 2019, jedoch ist bereits alles abgeerntet. Bis vorgestern fuhren hier noch die Traktoren und rissen die Hopfenranken von den Drahtgestellen – aber jetzt erstrecken sich eben diese Gestelle kahl und leer bis zum Horizont. Schön sieht es in der noch tief stehenden Septembersonne aber trotzdem aus – die geometrische Gleichförmigkeit beeindruckt.
Neben dem wunderbaren Blick über die Hopfenfelder lockt aber auch die Ausstellung im Seitenflügel des Schlosses. Ein freundlicher Mitarbeiter sperrt mir die Tür auf, und ich wandere durch den langgestreckten Gang. In den Fensternischen und Seitenräumen stehen diverse Utensilien aus dem Bereich des Hopfenanbaus. Werkzeuge, alte Hopfensäcke, große Weidekörbe, in denen die Hopfendolden beim Pflücken gesammelt wurden, Wachssiegel, mit denen die Hopfenballen versiegelt wurden. Lange nicht so umfangreich wie im riesigen Hopfenmuseum, dem Chmelařské Muzeum, der Stadt Žatec, aber trotzdem sehr interessant.
Zeitlich begrenzt hängt zwischen den Ausstellungsstücken eine Reihe von Informationstafeln an der Wand, auf denen erklärt wird, wie der Hopfen in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts angebaut wurde, wie er die Gesellschaft in der Region geprägt hat und welche Rolle die jährliche Ernte auch für die jungen Menschen gespielt hat, die sich hier im Spätsommer Geld dazuverdienen konnten. Leider sind diese schönen Tafeln nur in Tschechisch gehalten, und so muss ich mich Wort für Wort durch die Texte arbeiten – flüssig lesen geht anders. Die vielen Schwarzweißbilder helfen aber beim Verständnis ganz ungemein.
Gebremst durch meine „Lesekünste“ verbringe ich viel mehr Zeit in der Ausstellung als üblich, und irgendwann kommt der nette junge Mann, der mir die Tür aufgesperrt hatte, und erkundigt sich besorgt, ob denn noch alles in Ordnung sei. „Ja, ja, natürlich“, grinse ich, „es ist nur mein großes Interesse und der Wille, alle Texte auch wirklich zu lesen.“ Erstaunt sieht er mich an: „Die meisten Gäste verbringen hier nur fünfzehn oder zwanzig Minuten.“
Auf diese Besichtigungszeit ist die Ausstellung denn auch ausgelegt. Kein Ausflugsziel für einen ganzen Tag, aber definitiv einen kleinen Abstecher wert. „Zámek Stekník – v moři chmelnic“ („Schloss Stekník – im Meer der Hopfengärten“) heißt es auf der Website des Schlosses, und diese Überschrift sagt eigentlich schon alles. Ein idyllisch mitten im Hopfenanbaugebiet gelegenes Rokoko-Schloss.
Die Öffnungszeiten des Zámek Stekník und seiner Ausstellungen wechselt im Laufe des Jahres – es empfiehlt sich, diese vorher auf der Website des Schlosses zu prüfen. Zu erreichen ist das Schloss in rund einer Viertelstunde Fahrt mit dem Auto von Žatec; Parkplätze sind im kleinen Dörfchen Stekník gebührenfrei vorhanden.
Zámek Stekník
Stekník 1
438 01 Žatec
Tschechien
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