Irgendwo in der Steiermark, jenseits der hohen und schroffen Berge, findet sich eine Hochebene mit lieblichen, wald- und grasbewachsenen Hügeln. Verstreute kleine Höfe, grüne Wiesen mit Kühen, murmelnde Bächlein, ein dichtes Netz von Wander- und Radwegen. Bei strahlendem Sonnenschein mitten im August ist das ein Postkartenidyll pur.
Mittendrin ein Dörfchen, eine Handvoll Häuser nur. Und natürlich mit einem Gasthof. Wo sonst sollten die Dorfbewohner, die Wanderer, die Handwerker und Touristen sonst etwas zu trinken oder zu essen bekommen.
Das Besondere an diesem Dorfgasthof, dem Braugasthof Seidl, ist aber, wie es der Name schon sagt, dass hier ein eigenes Bier gebraut wird.
Eine schöne Wanderung durch die Hügellandschaft haben wir gemacht, und nun setzen wir uns auf die mit bunten Blumen geschmückte Terrasse in die Sonne, haben Hunger und Durst. Es dauert einen Moment, bis die Kellnerin kommt und uns eine kleine, schon ein bisschen zerlesene Speisekarte in die Hand drückt. Solide Hausmannskost findet sich hier. Keine raffinierten oder exotischen Gerichte, keine Mehrgängemenüs, sondern einfache Gerichte, so wie man hier in der Region daheim in der Küche eben kocht. Deftig und sättigend, Schweinebraten zum Beispiel, oder ein großes Fischfilet, oder eine Brettljause – und wer es lieber etwas leichter hätte, der bekommt eben einen bunten Salatteller.
Ähnlich bodenständig das Bierangebot. Bier nach unserem Hausrezept, heißt es. Ein Halbdunkles, untergärig und gebraut aus zwei Dritteln Pilsner Malz und einem Drittel Münchner Malz. Eine bernsteingoldene Farbe ergibt das, und das ist dann auch schon alles, was wir über das Bier in Erfahrung bringen.
Na gut. Ein Hausbier, also. Und ein bisschen was zum Essen.
Augenblicke später steht der Bierkrug bereits vor mir. Ein einfacher Glaskrug, zylindrisch, genau einen halben Liter fassend. Zu simpel wäre jetzt das Wortspiel mit dem Namen der Brauerei. Ein Seidl wäre deutlich kleiner – der halbe Liter heißt in Österreich nämlich Krügerl und nicht Seidl.
Aber egal. Das Bier leuchtet schön bernsteinfarben, fast schon orange, ist nur leicht trüb und hat eine feine Schaumkrone. Der malzige Duft verrät das Münchner Malz. Auf der Zunge ist das Bier weich und recht süffig, lässt aber eine gewisse Frische vermissen, schmeckt eher zurückhaltend dumpf. Nicht im negativen Sinne muffig, aber ein Hauch von frischer Hopfenherbe hätte dem Bier durchaus gut getan.
Der Sonnenschein und die vielen Blumen auf der Terrasse machen das aber locker wieder wett, und so sitzen wir hier eine ganze Weile und lassen es uns gut gehen. Das Personal ist sehr freundlich, alles ist entspannend, und die Welt ist so, wie sie hier gerade ist, einfach in Ordnung.
Neugierig schaue ich mal in die Gaststube hinein. Auf der linken Seite des Eingangs in einem heute nicht bewirtschafteten Nebenraum steht das Sudwerk. Drei simple Töpfe stehen nebeneinander, zwar mit Kupfer verkleidet, aber weder poliert noch verziert. Schmucklos und zweckmäßig, das ist die Devise. Genauso unprätentiös wie die Präsentation des Biers auch. Das Bier ist ein Bier, es ist hausgebraut und heißt daher Hausbier. Basta. Und die Brauerei, das Sudwerk, ist einfach nur ein Werkzeug, um eben dieses Bier herzustellen. Nochmal basta. Kein Zirkus rundherum, kein Polieren, Schmücken oder Aufhübschen.
Der Hauptraum rechts vom Eingang macht deutlich mehr her. Helle und durchaus modische Farben dominieren – wer eher dunkles, in Jahrzehnten gealtertes Holz erwartet hätte, mag enttäuscht oder wenigstens überrascht sein. Hier wurde vor gar nicht so langer Zeit renoviert und ein jugendlich-frischer Stil in die Gaststube gebracht, der mit dem Äußeren des Gasthofs durchaus kontrastiert.
Schwarzweißbilder an den Wänden erinnern an längst vergangene Zeiten und zeigen, wie der Gasthof damals ausgesehen hat, wie die Menschen in Zeutschach gelebt und ihr Geld mit harter Arbeit verdient haben. „Aus vergangenen Tagen“ steht über den Bildern.
Ansprechend ist’s hier drinnen, aber völlig leer. Bei dem herrlichen Sommerwetter sitzen die Gäste natürlich unter den Sonnenschirmen auf der Terrasse. Niemanden zieht es heute in die gute Stube.
So gehe auch ich wieder hinaus, und für einen Moment noch genießen wir die Sonne und den Blick über die Wiesen und Hügel, bevor wir uns wieder aufmachen und weiterwandern, zurück bis zum Parkplatz im Tal, wo unser Auto auf uns wartet.
Der Braugasthof Seidl ist täglich von 08:00 bis 24:00 Uhr durchgehend geöffnet; lediglich im Winterhalbjahr von Oktober bis April ist mittwochs Ruhetag. Zu erreichen ist der Gasthof eigentlich nur mit dem Auto, Parken kann man direkt vor dem Hof. Bei gutem Wetter bietet sich eine Bahnfahrt bis Neumarkt in der Steiermark an, vom dortigen Bahnhof aus ist es in weniger als einer Stunde zu Fuß bis zum Gasthof zu schaffen.
Braugasthof Seidl
Zeutschach 7
8820 Neumarkt in der Steiermark
Österreich
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