Über 500 Jahre zählt die Brauerei am Raffaltplatz in Murau, und in diesen Jahrhunderten hat sie sich mehr als einmal neu erfunden. Aus dem winzigen Brauhaus aus dem Jahr 1495 ist mittlerweile eine regional erfolgreiche Brauerei geworden, die nicht nur stolz auf ihre Aktivitäten im Umweltschutz ist, sondern als Brauerei der Sinne einen ganz besonders bewussten Genuss propagiert.
Brauerei der Sinne, unter dieser Überschrift kombiniert die Brauerei Murau eine kleine Schaubrauerei mit 10 hl Ausstoßmenge, ein kleines Museum, einen Bierkeller, einen Souvenirshop sowie einen Tiefbrunnen und einen Ökologieraum. All diese Elemente können – neben dem alten und dem neuen Sudhaus – bei einem Brauereirundgang besichtigt werden.
Die Ausstellung Global Beer hat uns zu einem Kurzurlaub in Murau verleitet, und im Rahmen dieser Ausstellung führte uns der Weg auch zur Brauerei Murau. In der Hitze eines Augustnachmittags warten wir, dass sich pünktlich auf die Minute die Türen zur Brauereibesichtigung öffnen. Bedingt durch das gute Wetter und die Ausstellung ist die Besuchergruppe relativ groß, aber das soll uns nicht weiter stören.
Die Besichtigung der Brauerei beginnt mit einem Film. Nett gemacht kratzt er ein wenig an der Oberfläche und dient ansonsten der Brauerei als kräftige Eigenwerbung. Sei’s drum…
Als nächstes nimmt uns unsere Führerin mit zu einem großen Bildschirm, der im Eingangsbereich der Brauerei hängt und erklärt uns anhand der Darstellungen dort die grundlegenden Schritte des Brauprozesses. Das ist vom Prinzip her in Ordnung, aber wenn direkt hinter der Wand mit dem Bildschirm eine kleine und feine Schaubrauerei steht, die gut einsehbar ist, und anhand derer man die Prozessschritte viel, viel anschaulicher hätte erklären können – immerhin sieht ein echter Maischebottich viel echter aus als ein grafisch dargestellter, und gleiches gilt natürlich auch für Rührwerke, Pumpen, Pfannen oder Tanks – dann, ja dann ist das methodisch zumindest fraglich…
Aber nach einer Weile wenden wir uns der kleinen, in silbrigem Edelstahl glänzenden und perfekt polierten Brauerei zu. Hier entstehen kleinere Sude von Spezialbieren, erfahren wir. Biere, bei denen neue Rezepte ausprobiert werden, und Biere in neuen, in Österreich noch nicht so weit verbreiteten Stilen, bei denen sich eine Großproduktion noch nicht lohnen würde. „Sehen Sie selbst, was auf den Kreidetäfelchen steht“, ermuntert uns unsere Führerin. Und es kommt, wie es kommen muss. „Stout“ könnten wir entziffern, „Rauchweizen“ auch, und dann kommt die Frage eines der Besucher: „Und was ist ‚CIP‘ für ein Bierstil?“ Unsere Führerin muss passen. „Das muss so ein neuer Bierstil aus Amerika sein, wissen Sie, da gibt es so viele neue Stile, die kenne ich auch noch nicht alle…“
Hm… Ich mache mir so meine Gedanken über die Qualifikation unserer Führerin. Dass CIP ein Bierstil sei, wäre mir neu. CIP steht für „Cleaning in Place“, also für den Reinigungsvorgang im Gerät ohne Demontage desselben. In dem Tank befinden sich wohl gerade irgendwelche Chemikalien, und selbstverständlich ist der Tank während dieser Phase dann aus Sicherheitsgründen korrekt beschriftet…
Wir wandern weiter, gehen durch den Ökologieraum, in dem verschiedene Rohstoffe des Biers dargestellt sind, und kommen dann in ein kleines Museum mit historischen Braugerätschaften, alten Bierflaschen, Etiketten und Werbetafeln. Schön anzusehen, und wir bekommen genug Zeit, die Ausstellungsstücke im Detail zu betrachten.
Am Tiefbrunnen laufen wir recht rasch vorbei und kommen dann ins alte Sudhaus. Unter dem Stichwort Brausymphonie möchte unsere Führerin uns nun wesentliche Aromakomponenten des Biers näherbringen. Vier Sprühflakons hat sie vor sich stehen und fleißig sprüht sie die Aromasubstanzen auf dünne Papierstreifen, die sie dann herumgehen lässt. Jeder darf und soll einmal schnuppern und Aromen wie Zitrone, Rose, Banane oder Gewürznelke identifizieren und so ein Gespür für die Komplexität der Aromenwelt um uns herum bekommen. Eigentlich eine tolle Idee, nur meint es die gute Dame viel zu gut, nebelt nicht nur die Papierstreifen, sondern uns alle mit gewaltigen Sprühstößen aus den Flakons ein. Eine Kakophonie aus Aromen entsteht, wir riechen alles gleichzeitig, und es macht keinen Unterschied, ob wir am Papierstreifen schnuppern oder einfach nur unsere Nasen in den Sprühnebel halten. Statt tiefer Sinneseindrücke bekommen wir nur Kopfweh… Gut gemeint, aber leider dilettantisch gemacht.
Deutlich besser dann wieder die holografische Einblendung eines in Österreich wohl bekannten Schauspielers, der die Geschichte der Brauerei im alten Sudhaus erläutert. Eindrucksvoll gemacht.
Erneut sehen wir uns einen Videoclip an, der uns über die Umweltschutzaktivitäten der Brauerei und ihr Qualitätsmanagement informiert, und danach geht es ins neue Sudhaus. Rasch dürfen wir einen Blick auf die großen kupferverkleideten Geräte werfen, aber ohne große Erläuterungen – ist im Wesentlichen das Gleiche wie eben im alten Sudhaus, nur größer – geht es nun weiter in den Bierkeller, wo eine Bierprobe auf uns wartet.
Den Gär- und Lagerbereich bekommen wir – ebenso wie die Abfüllung – also nicht zu sehen, und auch die immer wieder nette Gelegenheit, frisches Bier direkt aus dem Lagertank zu zwickeln und zu verkosten, auch nicht.
Stattdessen wird uns zunächst ein Radler kredenzt. Etwas merkwürdig ist es ja schon, eine Bierprobe ausgerechnet mit einem Biermischgetränk zu beginnen. Viel schlimmer finden wir allerdings, dass die Dame, die uns die ganze Zeit durch die Brauerei begleitet hat, die Gläser alle von oben mit ihren Fingern umfasst – die Fingerspitzen immer schön am Trinkrand des Glases. Wirklich appetitlich finden wir das nicht und weisen die Dame zunächst noch höflich darauf hin. Ihre Reaktion überrascht: Regelrecht keifend weist sie den Hinweis, dass dies unappetitlich sei, zurück. Sie mache das immer so, und wenn sie hier im Laufe des Tages viele hundert Gläschen servieren müsse, könne sie auf solche Dinge nicht achten, das sei völlig unmöglich, und wir sollten uns – gefälligst! – nicht so anstellen.
Zum Glück haben wir die Murauer Biere gestern alle schon im Brauhaus zu Murau probieren können, insofern fällt es uns jetzt nicht schwer, die nächsten Bierproben unter Hinweis auf die Finger am Trinkrand zu verweigern. Das ist der Dame nun aber auch nicht recht, und unter großem Gezeter verlässt sie unseren Tisch. Ihre Kollegin springt ein und beweist, wie man Gläser richtig vom Tablett auf den Tisch stellt, nämlich, indem man sie unten anfasst. Eigentlich ja ganz einfach…
Für uns ein äußerst unangenehmer Schlusspunkt in einer recht durchwachsenen Brauereiführung. Berücksichtigen wir dann noch, dass sie verhältnismäßig teuer war (16,50 EUR ist schon eine Ansage!), dann hält sich die Begeisterung in Grenzen.
Der Souvenirshop der Brauerei Murau ist dienstags bis sonnabends von 14:00 bis 18:00 Uhr geöffnet; die Uhrzeiten für feste Führungen sind auf der Website abrufbar. Zu erreichen ist die Brauerei mit der Murtalbahn, einer Schmalspur-Lokalbahn. Der Bahnhof ist wenige Minuten zu Fuß entfernt.
Brauerei Murau
Raffaltplatz 19-23
8850 Murau
Österreich
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