Eine kleine Stadt organisiert eine große Ausstellung.
Alle zwei Jahre widmet sich die kleine Stadt Murau in der Steiermark in Form einer Biennale einem spezifischen Thema und wird für die Sommermonate zu einem kulturellen Anziehungspunkt für Gäste und Touristen. 2017 stand die Adelsfamilie Schwarzenberg und ihre 400jährige Geschichte, die die Stadt geprägt hat, im Mittelpunkt, 2019 das Thema Bier und die Geschichte des Brauens.
Die muraubiennal Global Beer. ist nach Angaben der Organisatoren die größte Ausstellung Österreichs zum Thema Bier und prägt vom 15. Juni bis zum 12. Oktober 2019 mit dem mehrere Kilometer langen „Global Beer“-Rundgang die Altstadt.
Start ist im Zentrum der Altstadt an der Mariensäule. Auf das Straßenpflaster geklebte Informationstafeln leiten den Gast durch Zeit und Raum. Beginnend vor fast 1000 Jahren, als im Jahr 1160 die Produktion von Bier in der Steiermark erstmals urkundlich erwähnt wurde, bewegt sich der Besucher mit jedem Schritt weiter auf die Gegenwart zu. Von jedem einzelnen Plakat aus sieht man dann nächste und wandert so kreuz und quer durch die Stadt, erschließt sich Ecken, Winkel und Sehenswürdigkeiten, an denen man sonst vielleicht achtlos vorbeigelaufen wäre, und lernt über die Geschichte des Brauwesens.
Insgesamt neun größere Stationen lockern den Rundgang auf. Schautafeln, Vitrinen, Audioinstallationen oder ganze Ausstellungsräume sind Schwerpunktthemen gewidmet und laden zum Innehalten, zum Lauschen, zum Betrachten oder zum Nachdenken ein.
Schon wenige Schritte von der Mariensäule entfernt kommen wir in den Innenhof des alten Gerichtsgebäudes und finden in Vitrinen und auf Übersichtstafeln Informationen über den Ursprung des Brauens und über die großen Bierkonzerne, die heute den globalen Biermarkt prägen.
Vom 12. bis zum 15. Jahrhundert folgen wir wieder den vor uns auf den Straßenbelag geklebten Plakaten und kommen zur zweiten Station, einer künstlerischen Ausstellung zum Thema „Rausch und Ekstase“. Interessante Ideen zu diesen Themen entdecken wir, so zum Beispiel eine einfache Installation aus weißen Plastiktüten, die zu rauschen beginnen, wenn der Besucher sich durch diese in den Ausstellungsraum begibt – Rauch im übertragenen Sinne, also. Was wir vermissen, ist allerdings eine Auseinandersetzung mit Rauschmitteln. Rauschmittel wie Alkohol, die in zahlreichen Kulturen gezielt genutzt werden, um ekstatische Zustände zu erreichen, aber auch andere Drogen, psychoaktive Substanzen oder Hypnose. Hier wäre viel Raum für eine kritische Auseinandersetzung mit Alkohol beziehungsweise Bier als Droge gewesen; eine Chance wurde vertan.
Weiter führen uns unsere Schritte in Richtung Osten, die Jahre bis 1752 fliegen nur so an uns vorbei.
Schließlich erreichen wir das ehemalige Kapuzinerkloster, heute das Handwerksmuseum und finden im Außengelände einige Übersichtstafeln zum Thema „Nonnen, Mönche und das beliebte Bier“ vor, während das Museum sich in seinen Innenräumen dem Thema „Bier und Werbung mit Witz“ widmet. Beides kurzweilig und informativ.
Von 1779 bis 1918 spazieren wir wieder in Richtung Westen, über schmale Brücken, durch kleine Gässchen, bis wir schließlich am Ufer der Mur landen. Hier steigen wir in der vierten Ausstellung tiefer in das Thema „Österreich – ein Land des Biers“ ein, lernen seine Brauereivielfalt und die für das Land typischen Bierstile kennen.
Am Uferweg der Mur entlang kommen wir der Neuzeit langsam näher. Der Erste Weltkrieg, die Wirtschaftskrise, der Zweite Weltkrieg ziehen an uns gedanklich vorbei, bis Station 5 uns innehalten lässt: „800 Jahre Biergeschichte in Murau“. Übersichten über historische Braustätten, aber auch Eindrücke aus der Neuzeit finden wir hier.
Bis in die siebziger Jahre wandern wir weiter und erreichen die Brauerei Murau, in deren Hof die Ausstellung zum Thema „Brauereigenossenschaft Murau“ steht. Durch den Biergarten geht es hindurch bis vor das Gebäude der Gemeinde Murau, wo wir die siebte Station, die Informationstafeln über „Die Culturbrauer“ finden, einen Zusammenschluss von mittelständischen Brauereien aus ganz Österreich.
Von hier bietet sich ein Abstecher in die Brauerei Murau zur Brauereibesichtigung an, ein Rundgang durch die Brauerei der Sinne, bevor es weitergeht in Richtung Schloss. Sachte bergauf führt uns der Bierrundweg und wir wandern durch die Jahre 1988 bis 1999.
Am Schlossberg angekommen, stehen wir vor den Informationstafeln zum Leitthema „Adelshäuser und Brauereien“ – Station 8. Auch die Schwarzenbergs, denen vor zwei Jahren die muraubiennal gewidmet war, spielten eine geschichtsträchtige Rolle, betrieben sie doch zahlreiche Brauereien nicht nur in der Steiermark, sondern auch in Böhmen, insbesondere in der Region Žatec.
Durch die Neuzeit bis ins Jahr 2019 führt uns nun der Abstieg vom Schlossberg und der Weg zurück zur Mariensäule. Informationen zur Brau Union AG und zur Brauerei Murau setzen den Schlusspunkt zu einer informativen Wanderung, die uns auf zwei Tage verteilt viele Stunden beschäftigt hat. Eine originelle Idee, das Kulturgut Bier zu präsentieren.
Eingerahmt wird der Wanderweg mit seinen Ausstellungen von einem kulinarischen Programm der Wirte des Orts, die sich in diesem Sommer dem Thema Bier mit ganz besonderer Aufmerksamkeit widmen. Hinzu kommen, über den Sommer verteilt, zahlreiche Veranstaltungen, Vorführung, Vorträge und Aufführungen.
Vier Monate lang steht die Stadt ganz im Zeichen des Biers.
Ein umfangreicher und lesenswerter bilingualer Ausstellungskatalog (deutsch und englisch) rundet das Erlebnis ab und bleibt als Erinnerung auch nach Ende der muraubiennal Global Beer. erhalten.
muraubiennal Global Beer.
Murauer Kultur- und Stadtmarketing GmbH
Raffaltplatz 10
8850 Murau
Österreich
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