Es ist das älteste Gebäude der Stadt. Mindestens bis zum Jahr 1294 geht seine Geschichte zurück, als es dem Bischof von Lavant gehörte. Weit über 700 Jahre also.
Wir stehen vor der ehemaligen Apotheke in Murau, und wie so oft, wenn wir vor uralten Gemäuern stehen, halten wir einen Moment inne und stellen uns vor, was diese Mauern alles erlebt haben. Wir grundverschieden das Leben im dreizehnten Jahrhundert von unserem war, wie anders die Menschen und ihre Vorstellungen. Wie viele Kriege und Seuchen über die Stadt hinweggezogen sein mögen, wie viel Freud und Leid den Menschen hinter diesen Mauern widerfahren ist.
Die Murauer Bierapotheke befindet sich nun in diesem alten Haus. Eine Bierbar mit Stil, aber auch ein Shop, der neben Bier Drogerieprodukte verkauft, die aus oder mit Bier hergestellt worden sind. Ihren Namen hat sie, weil von 1771 bis vor wenigen Jahren hier eine Apotheke betrieben worden ist, zuletzt unter dem Namen Salvator-Apotheke. Vielleicht war es aber auch 1731? Der Ausleger über dem Eingang behauptet „gegr. 1731“, das Schild an der Wand hingegen „1771 erstmals Apotheke“. Da müssen die Historiker der Stadt wohl noch ihre Hausaufgaben machen…
Nachdem die Apotheke 2015 geschlossen wurde, stand das Gebäude eine gewisse Zeit leer, wurde dann behutsam und nach Angaben der Betreiber nachhaltig und umweltfreundlich renoviert und umgebaut, und seit 9. Januar 2018 befindet sich hier nun die Murauer Bierapotheke.
Soweit also die Theorie.
Auf geht’s, zur Praxis.
Wir lassen das Sinnieren sein und gehen jetzt einfach hinein. Viel los ist heute Nachmittag nicht, stellen wir fest. Es ist noch recht früh, kurz nach fünf Uhr am Nachmittag erst, die meisten Gäste werden erst später kommen.
Rechter Hand liegt der kleine Schank- und Verkaufsraum – die Theke dient nicht nur dem Ausschank der Biere, sondern auch dem Verkauf der Bierprodukte. Bierseife, Biershampoo, allerlei Cremes und Lotionen, Treberkissen, Hopfentees – die Auswahl ist groß und zum Teil auch originell.
Die Zapfbatterie auf der Theke ist ein echter Blickfang. Eine komplexe Kupferkonstruktion, die Funktionalität vortäuscht, die zwar nicht vorhanden ist, dadurch aber beeindruckend wirkt. Es hat etwas Steampunkmäßiges an sich.
Links und rechts vom Gang durch das Gebäude gehen noch weitere kleine Räume ab, in denen sich die Gäste auf ansprechendem Holzmobiliar niederlassen und ihr Bier genießen können. Einer der Räume ist etwas größer und so bestuhlt, dass er auch für Seminare genutzt werden kann – und zwar nicht nur für Bierseminare.
Durch den Gang gehen wir weiter und kommen in einen Innenhof. Schiefe Mauern, uralte Gewölbe, ein Natursteinboden und der Blick nach oben, auf Holzbalkone und weitere Gewölbekonstruktionen zeigt auf den ersten Blick, dass es sich hier um ein uraltes architektonisches Ensemble handelt. Ein paar Tische und Stühle stehen in der Mitte, andere wiederum in den kleinen Nischen, die von den Gewölbebögen geformt werden. Selbst auf einem Strandkorb kann man hier, in der Steiermark, hunderte Kilometer entfernt vom Meer, sitzen.
Uns gefällt es gut, wir empfinden es als sehr ansprechend, und setzen uns in eine der kleineren Nischen auf Möbel, die dem Zeitgeist folgend aus Europaletten und Bierkisten zusammengezimmert sind, in ihrer Rustikalität aber gut zu dem mittelalterlichen Bauwerk passen.
Die Bierkarte ist recht interessant, beschränkt sich aber ausschließlich auf Produkte aus der Brauerei Murau. Formal ist das nicht zu beanstanden, ist die Murauer Bierapotheke doch im Besitz der Brauerei, aber die Erwartungshaltung an eine Bierbar in diesem Stil ist doch, dass auch ein paar Biere von anderen Brauereien angeboten werden. Es böten sich Biere an, die in diesem Stil auf den eigenen Sudkesseln nicht hergestellt werden, oder Bier der anderen Brauereien, die sich zuammen mit der Brauerei Murau unter dem Namen CulturBrauer zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen haben. So könnte den Gästen ein noch deutlich vielfältigeres Biererlebnis garantiert werden.
An der Vielfalt hapert es auch, wenn es ans Bestellen geht. Immer wieder muss die außerordentlich freundliche Dame, die uns bedient, mit einem entschuldigenden Lächeln sagen, dass das von uns gewünschte Bier leider gerade nicht verfügbar sei. Wir finden zwar ein paar feine Biere, sind aber trotzdem ein wenig irritiert. Wäre es wirklich so schwierig, die einfache, einlaminierte Liste auf dem Computer zu aktualisieren und neu auszudrucken?
Das Murauer Rauchweizen, für das wir uns schließlich entschieden haben, gefällt gut. Eine dicke Schaumkrone thront auf dem orange leuchtenden Bier, das Raucharoma ist dezent und weich und paart sich vorzüglich mit der Spritzigkeit des Weizens. Gelungen!
Als weiteres Bier verkosten wir das Murauer Black Hill, das mit seinem Namen die alte Tradition der Schwarzenbergs aufgreift, deren Geschlecht die Stadt Murau seit Jahrhunderten prägt. Das Bier gibt es zwar nur in der Flasche, zum Ausgleich wird es aber in einem Erlenmeyerkolben eingeschenkt. Ein großer Pluspunkt für die Originalität, zumal es in einer Bierapotheke wunderbar ins Konzept passt.
Auch wenn der Name Black Hill vielleicht eher ein Schwarzbier vermuten lässt, handelt es sich um ein bernsteinfarbiges Bier mit ausgeprägter Malznote, das irgendwo zwischen einem sehr aromatisch ausgefallenen deutschen Märzen und einem Nürnberger Rotbier laviert. Fast wie ein Amber Ale, allerdings ist es untergärig gebraut. Uns schmeckt’s, und der Erlenmeyerkolben gefällt ebenfalls.
Neugierig fragen wir die junge Kellnerin, was sich denn hinter den vielversprechenden Bezeichnungen Kreativbier und Saisonbier in der Getränkekarte verbergen würde – das müssten doch nun zwei ganz besondere Biere sein. Die Enttäuschung ist groß, als wir erfahren, dass es sich lediglich um ein Weizen und ein Zwickel handele. Da waren die Werbetexter, die die Bierkarte gestaltet haben, vielleicht doch ein wenig zu forsch in ihrer Wortwahl und haben eine Erwartungshaltung geweckt, die nicht befriedigt werden kann.
Noch eine ganze Weile sitzen wir hier im gemütlichen Ambiente des Innenhofs, solange, bis die untergehende Sonne alles in ihren Schatten taucht und sich eine abendliche Kühle ausbreitet. Eine sehr schöne Bierbar, in der uns der Stil und die ganz große Freundlichkeit des Personals sehr gut gefallen. Lediglich die geringe Bierauswahl und -exklusivität, die Nicht-Verfügbarkeit einiger angepriesener Biere und die hochtrabenden Bezeichnungen Kreativbier und Saisonbier für zwei Alltagsbiere trüben den guten Eindruck ein wenig.
Die Murauer Bierapotheke ist täglich ab 16:00 Uhr geöffnet; sonntags und montags ist allerdings zu. Sie liegt zentral in der verkehrsberuhigten Zone der Stadt und ist bequem zu Fuß zu erreichen. Vom Bahnhof der Murtalbahn, der regelmäßig verkehrenden Schmalspurbahn, sind es nur wenige Minuten Fußweg.
Murauer Bierapotheke
Anna Neumann Straße 34
8850 Murau
Österreich
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