Zámecký Pivovar Chyše
Chyše
CZE

Runter von der Schnellstraße, ein paar Kilometer über kleine und kleinste Sträßchen. Die Kurven werden immer enger, die Hügel immer steiler, die Straße immer schmaler. Langsam kommen Bedenken. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich im Navi hinter einem bestimmten Straßennamen etwas ganz anderes verbirgt. Sei es wegen Namensgleichheit und falscher Postleitzahl, sei es, weil statt der eigentlichen Adresse einer Brauerei die des Investors oder gar des für die Website Verantwortlichen hinterlegt ist.

Wir rumpeln um eine allerletzte Kurve mit starker Steigung, und dann sehen wir es wider Erwarten doch: Das Schloss Chiesch, das Zámek Chyše. Sein markanter, vierkantiger Turm überragt das gleichnamige Dörfchen, die Turmzinnen lassen uns an alte Rittergeschichten denken.

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Außenansicht

Die ältesten Reste dieses Schlosses stammen aus dem Jahr 1169, und über die Jahrhunderte wurde es immer wieder umgebaut, teils abgerissen, teils zerstört und wiederaufgebaut, bis es seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Stil der englischen Gotik über dem Dorf thront.

Wie alle Adelssitze hatte auch dieses Schloss immer eine eigene Brauerei – ganz zu Beginn wohl einfach nur als Teil der Schlossküche, später dann in einem eigenen Wirtschaftsgebäude neben dem Schloss, wo allerdings die Brautätigkeit in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts eingestellt und das Gebäude anderen Zwecken zugeführt wurde. Erst 2006 wurde hier wieder eine Brauerei eröffnet, die Zámecký Pivovar Chyše, Schlossbrauerei Chiesch.

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ein paar langsam verwelkende Hopfenstöcke stehen vor der Tür

Wir parken das Auto direkt unterhalb des Schlosses vor dem Brauereigebäude. Zámecký Pivovar steht in großen Lettern auf dem zentralen Turm, und ein Schornstein steht auf dem Dach, durch den vor hundert Jahren wohl die Brüden und die feuchte Abluft beim Darren des Malzes abgeführt wurden.

An ein paar jetzt im Herbst schon langsam verwelkenden Hopfenstöcken gehen wir vorbei auf das Gebäude zu. Direkt neben dem Turm führt eine kleine Holztür in das Innere, und staunend stehen wir in einem überraschend großen Restaurant. Weit gespannte Bögen ruhen auf Säulen, die den großen Saal unterteilen und die Last der darüberliegenden Stockwerke tragen. Einfache Holzmöbel verteilen sich im Raum, in einer Ecke sehen wir die Theke, und in der anderen hinteren Ecke das Sudwerk, die eigentliche Brauerei.

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Dampf steigt auf, es wird gebraut!

Kupfern glänzen die Kessel, es riecht nach frischer Maische, und bei genauem Hinsehen sehen wir, wie aus dem rechten Kessel Dampf aufsteigt. Es wird gebraut!

Zufrieden schnuppernd suchen wir uns einen Platz mit Blick auf die Brauerei. Eine junge Dame flitzt auf uns zu und bringt uns die Tageskarte. Wir überfliegen sie – es sind einfache, aber schmackhafte Gerichte, Küche aus der Region. „Und das Bier?“ Fragend drehen wir die Karte um, aber die Kellnerin deutet nur auf die Kreidetafel am anderen Ende des Raums. Helles, Bernstein und Dunkles werden dort als Standardbiere angepriesen, dazu gibt es derzeit zwei Sonderbiere: Weißbier und Rubin 15°.

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der recht große Restaurantbereich

Ein kleines Helles bestelle ich mir, und während die Dame das Bier hinter der Theke zapft, radebrechen wir uns durch die Speisekarte. Ein einfaches paniertes Kotelett mit Kartoffeln, so klassisch und typisch, wie ein Hausmachergericht nur sein kann, trifft auf mein Interesse. Beim Bestellen merken wir, dass die Bedienung ein bisschen Deutsch versteht, und stolz erklärt sie uns, dass gerade gebraut werde, man könne das bestimmt auch riechen.

Wir nicken eifrig. Riechen kann man allerdings auch die buttrige Diacetylnote in meinem Bier. Das Prokop Světlý ist ein klassisches, tschechisches Lager, in dem leichte Diacetylnoten normal sind, aber hier hat der Brauer es bei der Gärführung ein bisschen übertrieben. Fast schon aufdringlich wabern die Butternoten über dem Bier. Zum deftigen Essen passt es noch ganz gut, aber würde ich nur ein Bier trinken wollen, ohne herzhaften Fleischgeschmack dazu zu genießen … es wäre mir zu intensiv.

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das Prokop Světlý

Die Freundlichkeit der jungen Dame, die sich rührend um uns kümmert und immer wieder ihre Deutschkenntnisse ausprobiert, macht das aber allemal wieder wett. Das Rubin 15° empfiehlt sie mir als zweites Bier. Kräftig sei es, sehr voll, und leicht rötlich, wie auch der Name schon sage.

Svatováclavský Rubin 15°, 6,0% Alkohol, sagt die schwarze Tafel. Und in der Tat. Das Bier ist sehr voll, sehr kräftig, sehr rund. Leuchtend rubinrot strahlt es, als ich es auf dem Tisch so hinrücke, dass die Sonnenstrahlen das Glas treffen. Wunderschön. Im Hintergrund die kupfernen Braukessel, darüber die Bögen des Gewölbes. Erneut stelle ich fest: Das Auge trinkt mit. Ein Bier kann noch so gut riechen und schmecken – zur Krönung wird das Biererlebnis dann, wenn auch die Optik stimmt.

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rubinrot leuchtet das Svatováclavský Rubin 15°

Einen Moment sitzen wir noch da und sinnieren vor uns hin. Einmal mehr haben wir in der tiefsten böhmischen Provinz in einem winzigen Dörfchen eine schöne Brauerei entdeckt, und einmal mehr staunen wir, wie sich ein recht großes Sudwerk mit immerhin 10 hl Ausstoßmenge pro Sud bei diesen niedrigen Preisen rechnen kann. Offensichtlich scheinen nicht nur die Touristen, die das Schloss besuchen, sondern auch die Einheimischen mit einem gewaltigen Durst gesegnet zu sein.

Die Zámecký Pivovar Chyše ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Außer freitags und sonnabends schließt man aber schon relativ früh um 21:00 Uhr. Zu erreichen sind Schloss und Brauerei in ihrer Abgelegenheit eigentlich nur mit dem Auto; die Bahnstrecke mit dem Haltepunkt nördlich des Dorfes ist nach meiner Kenntnis stillgelegt.

Bilder

Zámecký Pivovar Chyše
Chyše 54
364 53 Chyše
Tschechien

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