Betreiber von alten Brauereien und Gasthöfen streben immer danach, sich mit Jahreszahlen zu schmücken, die möglichst weit in der Geschichte zurückreichen, denn die Faszination einer jahrhundertealten Historie ist für den Kunden ein Mehrwert. Man spürt den Hauch der Geschichte, wenn man in einem uralten Haus zu Gast ist, man glaubt, die jahrhundertelange Brautradition zu schmecken, und man sinniert längst vergangenen Zeiten nach, in denen – völlig verklärt – alles so viel besser war.
Manchmal sind die Jahreszahlen allerdings zweifelhaft, und selbst renommierten Betrieben wie der Bayerischen Staatsbrauerei Weihenstephan sagt man nach, dass die Jahreszahlen, mit denen sie werben, leider nicht stimmen. Das Jahr 1040 der Weihenstephaner stammt – angeblich – von einer Urkunde aus dem Jahr 1640, die aber eine Fälschung sein soll.
Manchmal sind die Jahreszahlen echt, werden aber pfiffig interpretiert, wenn eine Brauerei auf eine jahrhundertelange Brautradition am Ort hinweist, selbst aber eigentlich viel jünger ist – so, wie es als eine unter vielen die Aktienbrauerei Kaufbeuren macht, die immerhin schon 1885 gegründet worden ist, gerne aber auf eine seit 1308 am Ort nachgewiesene Brautätigkeit hinweist. Durch wen auch immer diese seinerzeit begründet worden ist…
Auch das Gasthaus zum Sternla in Bamberg kann der Versuchung nicht widerstehen, seine Geschichte als ältestes Gasthaus der Stadt mit einer Jahreszahl zu garnieren, die sich nicht auf das jetzige Gasthaus bezieht, sondern nur auf das Grundstück, auf dem es steht. „1380 – mehr als eine Zahl“, heißt es auf der Website, aber wenn wir genauer lesen, stellen wir fest, dass das wohl das Jahr der Grundsteinlegung des ersten Gebäudes auf dem Grundstück ist, dass die Eigentümer über die Jahrhunderte immer wieder wechselten, dass es vielleicht auch nicht immer Gastwirte, sondern auch Fuhrleute waren, die das Gebäude genutzt haben, und dass 1696 das Grundstück neu bebaut worden ist. „Erst“ seit 1772 befindet sich hier das Gasthaus, „erst“ seit 1857 heißt es Stern beziehungsweise Sternla. Dabei ist das doch auch schon eine beeindruckend lange Historie, die die Phantasie des Gastes beflügeln und seine Gedanken auf eine lange Reise in vergangenen Zeiten schicken kann!
Was wohl alles in diesen vielen Jahren geschehen sein mag? Manches ist irgendwo niedergeschrieben, manches haben die Älteren noch selbst erlebt, vieles ist einfach vergessen und vorbei. Und eines ist brandaktuell, denn das älteste Wirtshaus der Stadt ist seit 2019 auch eine Brauerei! Im Laufe des Jahres ist hier ein Sudwerk installiert worden, zum 1. August wurde ein Braumeister, Alexander Walter, eingestellt, die ersten eigenen Biere wurden im September angeboten, und am 14. November 2019 wird die offizielle Eröffnung sein.
Neugierig machen wir uns bereits am 10. Oktober daran, das Brauhaus zum Sternla, wie es seit Beginn des Braubetriebes nun heißt, zu erkunden.
Am frühen Abend ist der Schankraum rappelvoll. Halb Bamberg und Umgebung scheint hungrig und durstig hier eingefallen zu sein. Mit etwas Glück finden wir noch zwei freie Plätze und schieben uns an einen eigentlich schon vollbesetzten Tisch. Fränkisch-unkomplizierte Gastlichkeit. Irgendwo passt man immer noch hin, und dann kommt man auch schnell ins Gespräch und findet Anschluss. Schön!
Die Karte bietet eine recht umfangreiche Auswahl an Bieren der Bamberger Brauereien und – zunächst nur auf eine Sorte beschränkt – auch schon das vor Ort gebraute Bier. Soft-Opening nennt man das wohl in der Welt der Werbefritzen, wenn lange vor der offiziellen Eröffnungsfeier der Betrieb schon losgegangen ist. Natürlich bestellen wir uns das eigene, also das Sternla-Bier – ein Export mit 5,4% Alkohol.
Hellgelb und leicht trüb mit feinem, kremigem Schaum wird es serviert, und es trinkt sich weich und süffig. Etwas süßlicher, milder als die meisten anderen Standardbiere der hiesigen Brauereien wirkt es. Das fränkische Lager ist eigentlich recht kräftig im Geschmack und niedrig gespundet, hier ist die Spundung subjektiv etwas höher, dafür der Geschmack weicher und neutraler.
Der Service ist zwar freundlich, aber durch die voll besetzte Gaststube ist kaum ein Durchkommen, so dass es sich empfiehlt, die Gelegenheit zu nutzen, wenn die junge Dame endlich einmal zu uns durchgedrungen ist, gleich alles auf einmal zu bestellen – das Bier, das Essen, und vielleicht, sicherheitshalber, auch gleich schon das zweite Bier.
Wir haben das nicht gemacht und warten daher ein Weilchen auf die zweite Runde, was aber insofern nicht so schlimm ist, weil wir mit unseren Tischnachbarn auch ohne Bier viel Spaß haben. Wildfremde Menschen, deren Wege sich zufällig am vollbesetzten Tisch kreuzen. Spannende Gespräche, dumme Sprüche, lustige Witze, nachdenkliche Gedanken – alles dabei, und alles fügt sich zu einer angenehmen Atmosphäre. Nur die Kehle wird langsam trocken…
Ah, da kommt es ja, das zweite Bier. Diesmal ein Lager der Brauerei Spezial. Bernsteinfarben, klar, leicht rauchig in Aroma und Geschmack. Das genaue Gegenteil zum Sternla Export.
Wir trinken, genießen, witzeln herum. Kaum, dass ich Zeit habe, mir die Dekoration etwas näher anzuschauen. Hier eine lustige Hinweistafel auf die Schlachtschüssel, die es am 17. Oktober geben wird, dort ein gezeichneter Stammbaum der Bieraromen. Daneben ein Regal mit einem Bierflaschensammelsurium, und von der Decke hängt eine alte Lampe mit dem Schriftzug der leider seit einigen Jahren nicht mehr existierenden Maisel Bräu Bamberg, deren Biere im Gasthaus zum Sternla ausgeschenkt worden waren.
Wir sitzen und sitzen, und ganz langsam beginnen sich die Reihen zu lichten. Der Franke trinkt sein Feierabendbier recht früh, isst gerne noch deftig dazu, aber dann geht er, zumindest während der Woche, auch recht früh heim. Auch wir schließen uns an, der morgige Tag wird anstrengend.
Zufrieden waren wir heute. Ein guter Anfang. Das Bier süffig, wenn auch unauffällig; in der Masse der anderen tollen Bamberger Biere mag es vielleicht untergehen. Warten wir mal ab, wie sich die Brauerei etabliert, welche anderen Bierstile noch dazukommen. Unser nächster Besuch in Bamberg wird es zeigen.
Das Brauhaus zum Sternla ist täglich ab 16:00 Uhr, sonnabends ab 10:00 Uhr und sonntags ab 11:00 Uhr geöffnet. Montags ist zu. Vom ZOB, dem Zentralen Omnibus-Bahnhof, sind es zwei Minuten zu Fuß in Richtung Süden bis in die jüngste Brauerei Bambergs im ältesten Gasthaus Bambergs.
Brauhaus zum Sternla
Lange Straße 46
96 047 Bamberg
Bayern
Deutschland
Das mit den Jahreszahlen hab ich neu interpretiert:
500 Jahre Reinheitsgebot 1516 – 2016
500 Jahre Communebrauerei 2012 – 2512
Es gibt sogar einen Bierdeckel davon
Jetzt wird es aber wirklich mal Zeit, Dich und Deine Communebrauerei mal zu besuchen. Nicht nur wegen des Biere, sondern auch den Bierdeckel würde ich gerne mal sehen!