A la Bière Comme à la Bière – Le Drunken
Montreuil
FRA

Paris. Beziehungsweise dessen Vorort Montreuil. Wir waren einkaufen und haben ein paar Erledigungen gemacht. Und jetzt geht es noch im ziellosen Zickzack durch die kleinen Straßen, ungefähr in Luftlinie Richtung Metro-Station. Vor uns blinken bunte Neon-Farben, und wir sehen eine kleine Tür. EL DRUNKEN steht über der Tür, a la bière comme à la bière über der Neon-Reklame. Eine Bierbar?

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die bunten Neonleuchten locken uns an

Für einen Moment zögern wir. Unser fünfjähriger Enkel möchte gerne einen Saft trinken. Sein Opa ein Bier. Seiner Oma ist es im Moment egal, Hauptsache mal einen Moment sitzen. Hm, mit dem Kleinen in eine Bierbar?

Ach, wir sind hier nicht in den Nanny States of America, sondern in Europa, das von Menschen bewohnt wird, die ihr Hirn noch nutzen dürfen. Wir schauen also einfach mal rein. Es ist noch nachmittags, es gibt bestimmt einen Saft, und dass Opa Bier trinkt, weiß der Enkel auch so.

Wir betreten die Bar, die Le Drunken heißt (welcher Witzbold auch immer über der Tür die Buchstaben vertauscht hat) und zu einer kleinen Kette namens A la Bière Comme à la Bière gehört. Ein einziger großer Raum. Vom Eingang aus sieht man bereits alles. Rechter Hand einige Kühlschränke mit vielen unterschiedlichen Bieren, zum vor Ort Trinken oder zum Mitnehmen. Linker Hand eine kleine Theke mit zehn Zapfhähnen. Und vor uns, im Stil der Zeit, kleine Sitzgruppen mit Möbeln, die entweder direkt vom Sperrmüll zu stammen scheinen oder aus Sperrmüllresten selber zusammengezimmert worden sind.

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Barbesuch mit kleinen Kindern? Kein Problem!

Mittendrin sitzt eine größere Gruppe junger Leute. Mit dabei: Kinderwagen, Buggy, eine Handvoll Kinder im Alter zwischen wenigen Monaten und vielleicht zehn Jahren. Na bitte, geht doch! Die Bierbar ist familienfreundlich.

Der Enkel bestellt sich schon mal seinen Orangensaft. Fleißig übt er seine ersten Französischkenntnisse und kommt stolz mit einem großen Glas zurück. Oma und Opa studieren derweil die Bierliste, die über der Theke hängt. Nein, hängen tut sie da gar nicht, sondern wird mit einem Projektor an die Wand geworfen. Zwischen merkwürdigen Wandmalereien, deren Ranken und Ornamente sich wie im Jugendstil um die Projektionsfläche ranken, aber ganz punkig mit Totenköpfen, Fischmäulern und blutigen Federn verziert sind, lesen wir also das Bierangebot. Und die Zugangsdaten zum WiFi.

Die Liste ist schön übersichtlich. Davon kann sich manch andere Craftbierbar eine Scheibe abschneiden. Zunächst in blau der Name des Biers, dann in weiß Name und Heimatland der Brauerei, schließlich in rot der Bierstil. Es folgen, wieder in weiß, die Angabe des Alkoholgehalts und die Preise für ein Achtel, ein Viertel oder einen halben Liter. Nachdenklich runzle ich die Stirn. Wer wohl auf die Idee kommt, von einem fast zehnprozentigen Export Stout einen halben Liter zu bestellen? Oder von einem Himbeer-Rhabarber-Sauerbier? Wahrscheinlich niemand, aber wenn er oder sie wollen würde, dann ginge es wenigstens.

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die Bierliste

Damit aber mit dem Nachdenken noch nicht genug. Die Qual der Wahl, was nehmen wir? Meine holde Ehefrau mag keine Sauerbiere, ich selbst habe heute eigentlich eher Durst auf etwas Frisches zum Weg-Exen. Der Besuch hier war ja eigentlich nicht geplant, sonst hätte ich meinen Durst vorher schon, notfalls mit Wasser, gestillt. Hm…

Während wir noch grübeln, hat sich Enkelchen seinen Saft geschnappt und erkundet die Bar. An einem Videospiel aus den 70ern bleibt er stehen. Eine Bildschirmkonsole mit Space Invaders. Das Demo-Programm läuft, und bunt in Klötzchen-Optik blinkend kommen die Raumschiffe immer näher.

Wir haben uns mittlerweile entschieden. Meine holde Ehefrau gönnt sich einen Hirnfurz. Brain Fart nennt sich das Bier, und heißt korrekt übersetzt natürlich Aussetzer oder Schnapsidee, je nach Kontext. Hier und heute ist es aber ein Spicy Blonde aus der Tiroler Brauerei Bierol. 3,3% hat es, ist gar nicht so blond, sondern eher bernsteinfarben, und spielt über seinen geringen Alkoholgehalt mit einem in der Tat recht würzigen Charakter hinweg. Gar nicht so schlecht!

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die Einrichtung ist ein Sammelsurium vom Sperrmüll oder sonstwoher

Ich gönne mir stattdessen ein leicht säuerliches Flanders Red, und zwar das Oud Bruin Oak Leaf der Brauerei ’t Verzet. 6,0% Alkohol, dunkelbraune Farbe, und ein holziges, süßsaures Aromenspiel. Kein echter Durstlöscher, auf den ich jetzt Appetit gehabt hätte, aber durch seine Säure trotzdem angenehm erfrischend.

Vor dem Space-Invaders-Bildschirm hat sich mittlerweile eine ganze Traube von Kindern versammelt, die sich auch nicht von dem direkt über der Konsole an der Wand hängenden Skelett eines Piraten beeindrucken lässt.

Schön. Für uns heißt das, dass wir in Ruhe noch ein zweites Bier verkosten können. After Work heißt das Red Ale der französischen Brauerei O’Clock. Rötlich schimmernd steht es im Glas und ist mit seinen 5,0% Alkohol nicht sehr stark, aber sehr vollmundig. Ein schönes Rotbier, sehr rund, sehr voll. Meine Frau ist zufrieden.

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ein Red Ale von O’Clock

Ich mit meinem Double Icauna, einem Double Pale Ale der französischen Brauerei Popihn auch. Zwar hat es heftige 8,0% Alkohol, aber auch schöne, komplex-würzige Hopfenaromen und einen vollem Malzkörper. Warum eigentlich Double Pale Ale und nicht Double IPA oder Imperial IPA? Ach, wer achtet heute eigentlich noch auf die Stilbezeichnungen?

Als ein etwas größerer, vielleicht zehnjähriger Junge beginnt, auf den Tasten der Spielkonsole herumzudrücken, und ganz enttäuscht ist, dass nichts passiert, hat der Barkeeper ein Einsehen und schaltet das Spiel auf der Konsole frei. Plötzlich rücken die Raumschiffe näher, und die eigenen Kanonen beginnen, auf Knopfdruck zu schießen. Aufregung herrscht bei den Kindern, Stimmengewirr und fröhliches Gekicher. Sie sind beschäftigt, jeder, auch die Kleinsten, darf mal auf einen Knopf drücken, und in der ganzen Bar sitzen Eltern (oder Großeltern), die sich auf eine weitere Runde Bier freuen dürfen.

Mutig nutzen wir das Zeitfenster und bestellen uns nicht nur eine dritte Runde Bier, sondern auch ein großes Brettchen mit Wurst und Käse. Bier verkosten macht halt immer wieder hungrig.

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ein Rye Bread Saison?

So kann ich denn zu meinem Rye Bread Saison, dem Rise Above von Unity Brewing aus Großbritannien, leckeren Schafskäse genießen. Der brotige Geschmack des fünfprozentigen Roggenbiers, die phenolischen Noten, die die Saisonhefe in das Bier bringt, und der kräftige Käse harmonieren gut miteinander.

Ein mit schwarzen Johannisbeeren verfeinertes Stout, ein sechsprozentiges Stout Cassis namens Black Currents der französischen Piggy Brewing Co., passt jetzt nicht so perfekt zu Käse und Wurst, aber das stört meine Frau nicht so sehr. Sie liebt Stouts und ist daher zufrieden, auch und gerade mit der kräftig fruchtigen Note der schwarzen Johannisbeeren.

Dank der Spielekonsole haben wir Zeit und Muße gehabt, insgesamt sechs der zehn angebotenen Biere zu verkosten, aber jetzt hat der Enkel keine Lust mehr auf Space Invaders. „Ich habe Hunger“, verkündet er, aber der kräftige Schafskäse und die recht streng schmeckende Hartwurst behagen ihm nicht wirklich. Er mümmelt zwar ein bisschen vor sich hin, aber begeistert ist er nicht. Okay, das war’s dann also für heute. Wir packen unsere Siebensachen und machen uns auf den Weg zurück.

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aus den Kühlschränken im Hintergrund hätten wir uns auch Bier mitnehmen können

Aber es war mit Sicherheit nicht unser letzter Besuch hier. Der freundliche, tiefenentspannte junge Barmann, die rustikale industrial-chic-urban-sperrmüllartige Einrichtung, die interessante Bierauswahl und die Möglichkeit, wenn denn noch Platz im Rucksack gewesen wäre, auch Flaschenbiere mitnehmen zu können, haben uns gefallen. Die Käse- und Wurst-Platte war vorzüglich, und die Tatsache, dass die Kinder hier herumflitzen durften, war dann das Tüpfelchen auf dem „i“. Gerne wieder!

A la Bière Comme à la Bière – Le Drunken ist dienstags bis freitags ab 17:00 Uhr, sonnabends schon ab 15:00 Uhr geöffnet. Sonntags und montags ist zu. Dienstags findet immer ein Retrogaming-Turnier an der alten Spielkonsole statt. Von der Metro-Haltestelle Croix de Chavaux (Linie 9) sind es etwa 200 m bis in die kleine Nebenstraße, in der die Bar liegt.

Bilder

A la Bière Comme à la Bière – Le Drunken
19, rue Girard
93 100 Montreuil
Frankreich

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