Altes Tramdepot
Bern
CHE

Wir bummeln langsam durch die Berner Altstadt in Richtung Osten.

Nein, falsch. Ich fange noch einmal an:

Wir bummeln LANGSAM durch die Berner Altstadt in Richtung Osten. Unsere Schweizer Freunde aus dem Glarus hatten uns schon vorgewarnt: „Ihr wisst schon, dass wir Schweizer sehr bedächtig und für unsere Langsamkeit bekannt sind, oder? Aber bei den Bernern, da werden selbst wir ungeduldig …“

Aber es ist nicht nur die sprichwörtliche Langsamkeit der Berner, die uns LANGSAM durch die Altstadt bummeln lässt, sondern auch die Tatsache, dass wir noch Urlaub haben, für heute kein festes Besichtigungsprogramm mehr abarbeiten müssen und es für Mitte Oktober noch angenehm mild und sonnig ist. So gehen wir gemütlich durch die schmalen Gassen, und gerade, als wir die Brücke über die Aare erreichen, meldet sich der kleine Hunger: „Hallo? Das Frühstück ist sieben Stunden her, und seitdem gab es nur einen süßen Crêpe zwischendurch. Wie wäre es mit etwas Deftigem?“

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Altes Tramdepot

Perfektes Timing, denn genau gegenüber, nur noch einmal über die Aare-Brücke, liegt das Alte Tramdepot. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Gebäude genau als solches errichtet, als Tramdepot für die Straßenbahn vom Bärengraben zum Güterbahnhof. Direkt oberhalb des Bärengrabens mit einem wunderbaren Blick auf die Berner Altstadt am gegenüberliegenden Ufer steht die alte Halle bis heute. Schon lange wurde sie nicht mehr als Depot der Straßenbahn genutzt, und seit 1998 beherbergt sie nun ein Restaurant mit eigener Brauerei.

Wir spazieren über die Brücke und stehen mitten in einem fröhlichen Treiben. Heute ist Bärengrabenfest. Bunte Büdchen stehen auf dem ganzen Platz, mitten im Bärengraben ist eine Bühne aufgebaut, auf der eine Rockband fetzige Musik spielt, und die Bären sind vorübergehend in einen kleinen Teil ihres eigentlichen Reichs zurückgedrängt. Ob wir angesichts dieses Volksfests überhaupt einen Platz in der Brauerei bekommen?

Wir gehen durch das Fachwerkgebäude bis in die große Halle. Eine junge Kellnerin führt uns zu einem freien Tisch. Es ist zwar voll, aber doch nicht so voll, als dass wir ohne Reservierung hätten warten müssen. „Sie haben Glück, heute ist gutes Wetter, da sitzen viele draußen. Sonst wäre drinnen kein Platz zu bekommen“, heißt es.

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Blick auf das Sudwerk

Von unserem Platz aus haben wir einen schönen Blick auf die beiden direkt im Eingangsbereich der Halle stehenden Kupferkessel der Brauerei. Fast verdeckt werden sie durch die beiden großen Kreidetafeln, die davorstehen und die beiden Saisonbiere anpreisen.

„Wenn sie möchten, können Sie gerne einen Sampler bekommen, um alle Biersorten zu verkosten“, interpretiert die Kellnerin meinen fragenden Blick auf Sudwerk und Kreidetafeln genau richtig. „Dann bekommen Sie ein Helles, ein Märzen, ein Weizen und die beiden Saison-Biere. Sollen es 0,1 oder 0,2 l pro Glas sein?“

„Ach, 0,1 Liter reicht zum Probieren, und danach suche ich mir das Beste der Biere für ein großes Glas aus“, erwidere ich, und Augenblicke später steht ein Brettchen mit fünf kleinen Gläsern vor mir. Nett schaut’s aus, aber, machen wir’s kurz: Es ist wenig originell. Das Helle (4,9%), das bernsteinfarbene Märzen (5,1%) und das Weizen (4,9%) sind allesamt ordentliche, solide Biere, aber Dutzendware. Gut trinkbar, den Durst löschend, aber keines der drei Gläser hinterlässt einen bleibenden Eindruck, von dem es sich lohnt, ihn schriftlich festzuhalten. Das kann man ja auch positiv sehen: Schöne Trinkbiere gegen den Durst!

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das Sample

Das erste Saisonbier (die Bezeichnung ist natürlich ein bisschen doppeldeutig, denn theoretisch könnte es ja auch ein Bier im Stil eines Saison sein…) ist ein New Zealand India Pale Ale, gebraut mit neuseeländischen Hopfensorten. Mit nur 5,1% ist es eigentlich ein Session IPA, also ein relativ leichtes und auch in größeren Mengen für einen ganzen Abend, eine richtige Session, taugendes Bier. Angenehme fruchtige Duftnoten, ein schön ausgewogener, gut gehopfter, aber nicht zu aggressiv bitterer Geschmack, das Bier ist sehr gelungen. Und ich mit ihm hochzufrieden.

Das zweite Saisonbier ist ein Böhmisch Dunkel, ebenfalls mit nur 5,1% auf gute Durchtrinkbarkeit ausgelegt. Eine schöne dunkelbraune Farbe, ein kremiger, leicht beigefarbener Schaum, ein dezent röstiger Geruch. Schade nur, dass es auf der Zunge in bisschen mastig wird, vielleicht ein bisschen zu hohe Melanoidinnoten im Aroma hat. Mir persönlich behagt das nicht, und so bleibt es bei meinem Favoriten, dem New Zealand IPA.

Aber seien wir nicht überkritisch: Bei jedem der fünf Biere hätten wir auch einen langen Nachmittag oder Abend verbringen können.

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deftiges Essen zum Bier

Zum Bier gönnen wir uns deftiges Essen. In Eisenpfännchen serviert, mit viel Käse, Speck, Eiern. All das, was gut schmeckt, obwohl (oder weil?) es so ungesund ist. Ach, das wäre es jetzt. So richtig nach Herzenslust schlemmen, ein, zwei, viele Biere dazu trinken und die angenehme Atmosphäre und die ausnehmend freundliche Bedienung dazu genießen.

„Wir wollten noch ein paar Kleinigkeiten einkaufen, und morgen müssen wir früh raus“, meldet sich die Stimme der Vernunft aus dem Mund meiner holden Ehefrau. Ach, und wenn wir ehrlich sind: Es war ja auch so schon reichlich. Die Portionen waren groß, das Essen deftig, die Biere dazu süffig – eigentlich war es ja schon eine kleine Schlemmerei, die wir rundum genossen haben. Alles andere wäre in der Tat Übermut…

Einen Moment bleiben wir noch sitzen, trinken noch einen schönen Kaffee zum Abschluss, gehen noch für einen Moment in den schönen Biergarten, genießen den Blick auf die Aare und die Altstadt gegenüber, und als schließlich unsere Kellnerin zum Kassieren kommt, sind wir ganz tapfer, ignorieren die astronomisch hohen Preise und freuen uns ganz einfach, dass wir einen tollen Nachmittag hatten.

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Blick vom Biergarten über die Aare auf die Altstadt

Ach, und das meine Frau ein Autofahrerbier getrunken hat, ein Lola-Bier mit weniger als 0,5% Alkohol, das darf hier auch noch erwähnt werden, denn es ist ein alkoholfreies India Pale Ale, gebraut im Brauhaus Nittenau in Deutschland, und eines der wenigen alkoholfreien Biere auf dem Markt, die richtig gut schmecken. Alles richtig gemacht.

Das Alte Tramdepot ist täglich ab 11:00 Uhr, sonnabends und sonntags bereits ab 10:00 Uhr durchgehend geöffnet; im Sommer an allen Tagen ab 10:00 Uhr. Kein Ruhetag. Zu erreichen ist es, wenn man die Altstadt von West nach Ost durchquert, an ihrem Ende über die Aare-Brücke läuft, und schon steht man davor – direkt am Bärengraben.

Bilder

Altes Tramdepot
Grosser Muristalden 6
3006 Bern
Schweiz

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