Hefenbrüder
Wien
AUT

Hefenbrüder? Ich war nicht der einzige, der am ersten Tag des Craft Bier Fests Wien in Gesprächen über diese neue Bierbar in der Mariahilfer Straße wegen des Namens die Stirn gerunzelt und ihn als etwas merkwürdig und schrullig empfunden hat.

Trotzdem bin ich am nächsten Mittag natürlich dorthin gegangen, um mich davon zu überzeugen, was diese Bierbar bietet, und irgendwann, als ich mit meiner holden Ehefrau schon lange dort saß, das eine oder andere Bier getrunken und auch etwas gegessen hatte, da kam dann endlich die Erleuchtung, was es denn mit diesem merkwürdigen Lokalnamen auf sich hat…

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Hefenbrüder

Häfen ist in der wienerischen Umgangssprache das Wort für Topf, in seiner Verkleinerungsform Häferl oder Haferl steht es für Tasse (man kann überall in Österreich ein Haferl Kaffee bestellen). Aber in der Gaunersprache der Stadt steht Häfen auch für Gefängnis, und ein Häfenbruder ist nichts anderes als ein Knastbruder im Deutschen.

Aber nicht nur mir als Piefke ist dieses Wortspiel recht zäh eingegangen, denn als ich meine Mittrinker am zweiten Abend des Craft Bier Fests mit meiner Einsicht konfrontierte, schlug sich auch der eine oder andere Wiener mit der Hand vor die Stirn: „Da muss man aber erstmal drauf kommen…“

Die bierliebenden Knastbrüder also, die Hefenbrüder, die hier im gleichnamigen Lokal eine Riesenauswahl an Bier, zeitgemäße und interessant arrangierte Küche und eine in vielen Details tatsächlich an die Unterwelt Wiens erinnernde Dekoration anbieten.

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türkis leuchtet der Schriftzug über dem Eingang

Es ist Sonnabendmittag, und die Mariahilfer Straße ist voll – der obligatorische Einkaufsbummel in der klassischen Einkaufsmeile Wiens. Wir aber streben direkt von der U-Bahn-Station ins Hefenbrüder, das uns mit türkisfarbener Leuchtreklame über der Eingangstür begrüßt.

Im Erdgeschoss befindet sich gleich links die Theke, hinter der eine zweireihige Leuchttafel über insgesamt 28 verschiedene Zapfhähne, Nitro-Zapfgarnituren und Casks informiert. Ein paar Cider sind dabei, aber es bleiben über zwei Dutzend verschiedene Biere – das ist schon eine Ansage. Die Auswahl geht vom einfachen Hellen bis zum zwölfprozentigen Barley Wine, von ganz hell bis tiefschwarz, von der durchaus alteingesessenen Traditionsbrauerei bis zur blutjungen Experimentalschmiede, vom „um die Ecke“ entstandenen Wiener Lokalbier bis zur Spezialität aus Übersee von der anderen Seite des Globus‘. So sollte eigentlich jeder Gast etwas nach seinem Gusto finden können.

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hier findet sicherlich jeder etwas

Wer aber partout nicht zufriedenzustellen ist, der kann im Kühlschrank neben der Bar noch auf Entdeckungsreise gehen und dort vielleicht das eine oder andere Dosen- oder Flaschenbier finden, das ihm (oder ihr) noch besser behagt.

Wir lassen die Theke aber links liegen und machen uns zunächst auf ins Obergeschoss. Wir hoffen, dort einen Platz am Fenster zu finden, um während des Biergenusses auf die belebte Mariahilfer Straße hinuntersehen zu können. Und in der Tat: Genau einen solchen Platz finden wir auch. Auf der einen Seite der Blick auf die Einkaufsstraße, auf der anderen der von oben auf die Zapfhähne an der Theke.

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Sieht es so im Knast aus?

Aber nicht nur Tische mit Panoramablick gibt es hier oben, sondern eine ziemlich große Landschaft unterschiedlicher Sitzbereiche. Kleine Tische, lange Tafeln, teils grellbunt und mit Graffiti dekoriert, teils im Industrial Chic oder in Anlehnung an den Stil der Budapester Ruin Pubs. Immer wieder aber Elemente, die an Knast und Gefängnis, an Häfen halt, erinnern. Immer wieder Eisengitter, Zaunelemente, Käfige, aber auch simple Stromarmaturen, grelle Lampen und abgeschlagener Putz. So, wie man sich als Laie ein Gefängnis halt vorstellt. Auch das Symbol der vier mit einem Querstrich abgeschlossenen senkrechten Zählstriche ist wohl eher als Anspielung auf die Zählung der schon abgesessenen Knasttage denn als die auf dem Bierdeckel vermerkten Biere anzusehen.

Nun denn, während wir noch in der Karte blättern (einer Loseblattsammlung auf einem Klemmbrett), kommt eine freundliche Bedienung auf uns zu und fragt nach unseren Getränkewünschen. Während meine holde Ehefrau nach der umfangreichen Verkostung gestern noch nicht wieder Bierdurst entwickelt hat und sich auf eine Kola beschränkt, entscheide ich mich für ein New England India Pale Ale von Omnipollo, für das V3 NEIPA Citra & Mosaic mit 6,0% Alkohol.

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Omnipollo V3 NEIPA Citra & Mosaic

Wir überbrücken die Wartezeit auf die Getränke mit Blättern in der Speisekarte, und als das Bier kommt, können wir auch gleich bestellen. Meine Frau wählt Hot Dogs, und ich entscheide mich für Rohkost, also für Rindertatar.

Das V3 NEIPA vermag mich nicht wirklich zu begeistern. Schön orangefarben mit einem festen Schaum und schönem, fruchtigem Aroma gefällt es bis zum ersten Schluck. Dann aber beißt die Hopfenbittere zu, und sie passt, wie so oft bei diesem Bierstil, nicht annähernd zum Aroma. Fruchtige Süße in der Nase, die einen runden und weichen Malzkörper erhoffen lässt, und dann die aggressive Hopfung, die die Zunge und den Gaumen rau werden lässt, harmonieren nicht. Jedes sensorische Erlebnis für sich wäre in Ordnung, beides in ein und demselben Bier gefällt mir gar nicht.

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Rindertatar

Umso besser finde dann das Tatar. Serviert mit viel, viel Kapern (die ich liebe!) und mit ein bisschen Deko und Gewürzen dazu, die ich nach Belieben dazu mischen oder kombinieren kann. Drei Scheiben Weißbrot passen auch gut, und das ganze kommt auf einem mit bedrucktem Backpapier ausgelegten Brettchen, schön arrangiert. Schön für’s Auge, aber eben auch schmackhaft. Ich bin zufrieden. Ein rohes Eigelb hätte vielleicht noch das Tüpfelchen auf dem „i“ sein können, aber dann hätte das Gericht komplett anders dekoriert sein müssen, Backpapier wäre dann nicht die beste Lösung gewesen.

Meine Frau staunt derweil. Sie hatte das kleine Plural-„s“ bei Hot Dogs überlesen und überlegt, wie sie die drei Hot-Dog-Brötchen und den dazugehörigen Salat herunterbringen soll. Nun, um die Pointe nicht zu lange aufzuschieben: Es kommt, wie es immer kommt, die Reste esse ich.

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Hot-Dogs. Mit Plural-„s“.

Pappsatt und zufrieden stehe ich nun vor der Wahl, einen doppelten Espresso zu trinken oder doch lieber noch ein Bier. Ich entscheide mich für letzteres, denn es kommen noch genug Gelegenheiten, zu denen ich fahren muss und die Wahl zwischen Kaffee und Bier gar nicht haben werde. „Bitte schön, das Clwb Tropicana der Tiny Rebel Brewery“, signalisiere ich unserer Kellnerin, und beflissen saust sie los.

Die Zeit vergeht, wir beobachten das Treiben auf der Straße, unterhalten uns, kucken den anderen Gästen zu. Es ist herrlich entspannend. Aber irgendwie auch trocken. War da nicht noch was? „Was ist denn mit unserem Bier?“

Ehrliche Bestürzung im Gesicht unserer Bedienung. „Ich hab’s erst vergessen, und dann, als ich es unten angesagt habe, haben wir festgestellt, dass das Cask ohne Ende schäumt. Das dauert jetzt leider noch ein bisschen!“ Na, wenigstens ist sie ehrlich und redet sich nicht raus, das finde ich in Ordnung. Von oben können wir beobachten, wie der Barmann in winzigen Mengen das Bier weiterzapft, immer wieder geduldig wartend, dass sich der Schaum setzt. Tapfer widersteht er der Versuchung, den Schaum abzustreifen, um den Vorgang zu beschleunigen.

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besondere Biere werden besonders beworben

Irgendwann kommt das Bier aber an den Tisch. Dunkelgelb, leicht trüb, fester, durch das lange Zapfen leicht flockiger Schaum, und ein herrlich fruchtiger Geruch. Ein bisschen Sorge habe ich jetzt, ob beim ersten Schluck wieder die IBU-Keule zuschlägt, ob das Bier also wieder aggressiv bitter ist. Aber nein, ich habe Glück – es ist eher rund, vollmundig und weich. Das Mundgefühl und der Geschmack passen also deutlich besser zu den Aromen und alles fügt sich in großer Harmonie. 5,5% Alkohol sind auch nicht zu viel, so dass bis zum Beginn des zweiten Festivaltags in ein paar Stunden auch alles wieder verflogen ist. Ein zwar sehr verspäteter, aber gelungener Abschluss unseres Besuchs hier bei den Knastbrüdern, den Hefenbrüdern, mitten in Wien.

Die Ende August 2019 eröffnete Bierbar Hefenbrüder bietet neben den Bierspezialitäten in erster Linie handgemachte Pizzen und Hotdogs an. Sie ist täglich ab 11:30 Uhr durchgehend geöffnet, kein Ruhetag. Verlässt man die U-Bahnstation Zieglergasse der Linie U3 an der richtigen, am weitesten westlich gelegenen Treppe, dann steht man schon fast vor dem Eingang zum Lokal.

Bilder

Hefenbrüder
Mariahilfer Straße 117
1060 Wien
Österreich

2 Kommentare

  1. Hallo, bezüglich dem Namen; ich glaube dass „Hefenbrüder“ sich vor allem auf „Hefe“ bezieht die ja ausschlaggebend für die Biererzeugung ist.
    liebe Grüße Daniel

    • Hallo, Daniel,

      natürlich bezieht sich die Bezeichnung „Hefenbrüder“ auf die Hefe, einen der vier wichtigsten Rohstoffe für die Bierherstellung. Aber das ist ja offensichtlich, und es weiß jeder.

      Viel spannender ist doch das Wortspiel dahinter, denn der Begriff „Hefenbrüder“ ausschließlich auf den Bierrohstoff bezogen klänge dann doch etwas dümmlich, findest Du nicht? Bierbrüder, Hefenbrüder, Trinkbrüder – derartige Bezeichnungen würden ohne Doppeldeutigkeit und Wortspielerei dem Niveau dieser Bar nicht gerecht.

      Mit bestem Gruß,

      VQ

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