Die CoViD-19-Pandemie hat mein (Bier-)Einkaufsverhalten in den vergangenen acht Wochen nachhaltig verändert. Habe ich sonst immer von beruflichen und privaten Reisen alle möglichen interessanten Biere mitgebracht und unterwegs auch immer fleißig die Bierfachgeschäfte besucht, hat das mit dem Beginn der Ausgangsbeschränkungen schlagartig ein Ende gefunden. Keine Reisen mehr, stattdessen die Wochenenden in Balkonien verbracht, und die beruflichen Konferenzen und Besprechungen zumindest zum Teil durch Videokonferenzen ersetzt.
So war es dann am 6. Mai 2020 auch ein seltsames Gefühl, zum ersten Mal seit fast zwei Monaten wieder unterwegs zu sein und zwischen Ende einer Besprechung und Beginn der Rückfahrt am nächsten Morgen sogar noch ein kleines Zeitfenster für einen Biereinkauf zu finden.
Die Bierothek Karlsruhe sticht mir ins Auge. Schön zentral in der Innenstadt gelegen und vermutlich in normalen Zeiten mit dem Auto nur schwierig zu erreichen – viel Geduld beim Stehen im Stau und bei der Parkplatzsuche sind angesagt. Heute aber ist es ganz anders. Abgesehen von der baustellenbedingt umständlichen Verkehrsführung geht es ruckzuck, und ich finde sogar auf dem Parkstreifen direkt vor dem Eingang einen freien Platz.
Ich gehe durch die Glastür und betrete einen leeren Laden. Keine Kunden weit und breit, nur der Betreiber, Christian Körber, sitzt ganz hinten, hinter den Regalreihen und wartet auf Kundschaft. Ich bleibe vor der kleinen Theke mit der Kasse stehen. Eine Plexiglasscheibe dient als Schutz, und rechter Hand verwehrt mir eine hüfthohe Wand den Zugang zu den in den Regalen aufgereihten Bieren.
Christian zieht sich den Mund-Nasen-Schutz zurecht und kommt nach vorn: „Schaust Du nach etwas Bestimmten?“ Irgendetwas aus der Region würde ich bevorzugen, signalisiere ich ihm, und er deutet auf ein paar Flaschen im Regal hinter sich. „Wir hätten was von Fächerbräu, Wanderbrauern hier aus Karlsruhe, die in der Brauerei Rogg in Lenzkirch brauen lassen, oder hier von Pøbelbræu, einer winzigen lokalen Brauerei.“
Eine Handvoll Flaschen kommt zusammen. Ich habe mir in weiser Voraussicht zwei leere Kunststoffkästen von daheim mitgebracht und hätte Platz für insgesamt 32 Flaschen, die darin sicher und bruchgeschützt verstaut werden könnten. Tja, was nehme ich denn dann noch?
„Muss ich denn hier vor der Barriere warten, oder darf ich auch die Regale durchstöbern?“, frage ich. „Nun, solange keine anderen Kunden hier sind, darfst Du, ich warte derweil hier an der Kasse und halte Abstand“, antwortet Christian, und schon schiebe ich mich an der Barriere vorbei und beginne meine Schnäppchenjagd.
Wobei Schnäppchen sicherlich nicht auf das Preisniveau gemünzt sein kann, denn ich suche zunächst exklusive fassgelagerte Biere und hochprozentige Spezialitäten, und die kosten pro kleiner Flasche bis zu zehn Euro. Trotzdem füllt sich der Tisch an der Kasse rasch. Ein paar deutsche Spezialitäten hier, ein paar internationale dort.
Während ich immer mehr Flaschen anschleppe, fachsimpeln wir, so gut es der Mund-Nasen-Schutz zulässt. Christian erzählt von den vergangenen Wochen und den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die die Ausgangsbeschränkung bedeuten würde. Exklusives Bier wäre in dieser Zeit nun nicht gerade die gefragteste Ware gewesen. Er hoffe ein wenig auf die Lockerungen ab dem 11. Mai und sei froh, dass die Bierothek nicht seine einzige Einnahmequelle sei, sondern dass er noch einen Beruf in der IT-Welt habe.
Während die Flaschen auf der Theke immer mehr werden, erzählen wir von Bierseminaren, Verkostungen und spannenden Bierstilen und hoffen, dass solche Veranstaltungen nach dem Abklingen der Seuche hoffentlich bald wieder möglich sein werden.
Die Bierothek Karlsruhe ist zwar ziemlich klein und der Verkaufsraum eigentlich nur ein schmaler, langer Schlauch, aber ich finde viele spannende Biere, und bald sind die 32 vorgesehenen Flaschen und Dosen beisammen. Der Kassenbon weist eine beeindruckende Länge auf, und die Gesamtsumme ist nicht minder beeindruckend, aber die ergatterten Spezialitäten sind es hoffentlich wert.
Noch ein Weilchen schwätzen wir – immerhin ist seit einer Dreiviertelstunde kein anderer Gast gekommen. Es besteht also weder größerer Beratungsbedarf für andere noch Infektionsgefahr. Irgendwann wird es aber doch Zeit, zu gehen. Mein Parkticket ist eh schon längst abgelaufen, und ich kann froh sein, dass weder Polizei noch Ordnungsamt kontrolliert haben – ein Knöllchen wäre mir gewiss gewesen.
Bei Rausgehen fällt mir noch eine Flasche direkt hinter der Theke ins Auge: Das Schlenkerla Fastenbier. „Oh, das kenne ich noch gar nicht, das nehme ich auch mit und zahle die Flasche grad in bar“, rufe ich und grinse: „Das ist dann zwar Nummer 33, aber ein so geringfügiges Überschreiten meiner selbst gesetzten Grenze gönne ich mir.“
Christian schiebt mir die Flasche über den Tresen. „Die geht auf’s Haus!“
Ich danke artig, und wende mich jetzt aber wirklich endgültig zum Gehen. Ein schöner, durch die Präventionsmaßnahmen ein bisschen skurriler Biereinkauf, aber immerhin: Erstens überhaupt schon mal wieder ein echter Biereinkauf, und zweitens auch begleitet von einem langen und freundlichen Gespräch!
Die Bierothek® Karlsruhe ist montags bis sonnabends von 12:00 bis 20:00 Uhr durchgehend geöffnet; sonntags ist zu. Zu erreichen ist sie bequem mit Bus, Stadtbahn oder Straßenbahn – die Haltestelle Kronenplatz ist gerade 50 m entfernt. Möchte man größere Mengen Bier einkaufen, bleibt allerdings nur die Anfahrt mit dem Auto, und dann muss man das Glück haben, auf dem Parkstreifen direkt vor dem Geschäft eine freie Lücke zu finden.
Zurück im Hotel bleibt mir nichts anderes übrig, als den Abend mit meinem Laptop auf dem Zimmer zu verbringen. Das Hotelrestaurant ist geschlossen, die Lobby gesperrt. Wie gut, dass ich wenigstens zwei gekühlte Biere mitgenommen habe, und zwar das Fächerbräu Pils mit 4,9% und einem sehr schönen Hopfenaroma (es ist hopfengestopft) und das Pøbelbræu India Pale Lager mit 4,8% und ebenfalls sehr ausgeprägten und sympathischen Hopfennoten.
Entspannt stehe ich am Fenster des Hotelzimmers, schaue auf die Innenstadt Bruchsals herunter und genieße mein Bier in der langsam sinkenden Abendsonne. Ein für eine Reise ganz ungewöhnliches Biererlebnis …
Die Bierothek® Karlsruhe
Kaiserstraße 53
76 131 Karlsruhe
Baden-Württemberg
Deutschland
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