Ein bisschen anstrengen muss man sich schon, wenn man dieses wunderschöne kleine Biergärtchen erleben möchte. Inmitten der Natur, mit einem atemraubenden Blick auf den Großen Alpsee. Je nachdem, aus welcher Richtung man kommt, sind es mindestens zwanzig Minuten Fußweg bis zur Siedelalpe, bis man sich gemütlich auf die Bierbank setzen und den Rest des Tages mit einem guten Bier vertrinken kann.
Heute haben wir uns auf Wunsch des durch einige Wanderungen in den letzten Tagen etwas müden Enkels in der Tat für den kurzen Weg entschieden und das Auto auf dem Wanderparkplatz Schlettermoos abgestellt. Rund zwei Kilometer sind es auf einem breiten, auch für Kinderwagen und Rollstühle geeigneten Weg, man kann sich aber gerne auch auf schmalen und holprigen Pfaden links und rechts des Hauptwegs durch die Natur vorarbeiten, bis sich irgendwann gegen den hoffentlich blauen Himmel die Silhouette der Siedelalpe abzeichnet.
Die dunkelbraunen Holzschindeln, mit denen die Hütte verkleidet ist, schimmern an der einen oder anderen Stelle schon silbrig, sie sind seit Jahren der Witterung ausgesetzt. Am Giebel hängt eine lange Reihe großer Kuhglocken, ergänzt um ein leuchtend gelbes Eishockey-Trikot, das der Alpwirt Michl Jäckle eins getragen hat. Rechter Hand befindet sich ein kleiner Spielplatz, und ehe wir uns versehen, ist der Enkel dorthin entschwunden. Unbeschwerter Biergartengenuss wartet also auf uns.
Kaum haben wir auf der Bank Platz genommen, steht auch schon das erste Bier vor uns – die Mädels und Jungs hier im Service sind aufmerksam und blitzschnell. Aus der nur wenige Kilometer Luftlinie entfernten Schäffler-Brauerei in Missen stammen die angebotenen Biere. Beste regionale Qualität, wenn auch, als kleines Zugeständnis an die eingeschränkten Möglichkeiten hier oben auf der Alpe, nur aus der Flasche, nicht aus dem Fass.
Obwohl der Weg hierher nun wirklich nicht sehr weit war, zischt das erste Bier ganz wunderbar. Mit Blick auf den Großen Alpsee bei Immenstadt und weit hinein in das Illertal spüren wir, wie jede Anspannung des Alltags von uns abfällt. Vom Grünten, dem Wächter des Allgäus, lassen wir den Blick über die Hörnerkette bis weit in die Allgäuer Hochalpen schweifen, sehen ganz fern die Iller hinter irgendeinem bewaldeten Hügel verschwinden. Bienen summen um uns herum, und das Läuten der Kuhglocken macht das Alpenidyll perfekt.
Während wir in der Speisekarte blättern, spüren wir, wie etwas um unsere Beine streicht. „Die Hofkatze“, denke ich und greife nach unten, um sie zu streicheln. Fast erschrocken bin ich, als ich stattdessen in die Federn eines Huhns greife. Aufgeregt gackert es davon, zurück in Richtung Misthaufen, auf dem der Hahn sitzt und uns geradezu misstrauisch beäugt. Natur pur.
Kaffee und leckere Kuchen gibt es hier oben, aber wir bevorzugen die klassischen Brotzeiten, wie sie zu einem Biergarten auf einer Alpe gehören: Wurst und Geräuchertes vom Metzger unten im Dorf, der aromatische Bergkäse aus der Käserei ein oder zwei Hügel weiter.
Das Allgäuer Hell, ein einfaches, sehr süffiges Lagerbier mit 4,9% Alkohol, passt mit seinem hellblauen Retro-Etikett perfekt. Hellgelb, mit schneeweißem Schaum und feinem, leicht malzigem und nur ganz dezent hopfigem Aroma und Geschmack zeigt es sich süffig und ist genau das richtige für den ersten, großen Schluck. Ein bisschen runzle ich die Stirn. Warum dieses Bier hier neben der klassischen 0,5-l-Euroflasche auch in der neumodischen 0,33-l-Euroflasche angeboten wird, erschließt sich mir nicht ganz. Das ist doch viel zu klein! Da hat man nach der Wanderung hierher doch noch gar nicht richtig angesetzt, und schon ist sie leer!
Besser geeignet für den bewussten Genuss ist das Schäffler Gold, gewissermaßen der große Bruder des Hellen. Runder, vollmundiger, malziger und mit 5,2% Alkohol etwas kräftiger. Klassisch als zweites Bier, wenn die durstige Gier schon etwas nachgelassen hat. Goldgelb zeichnet sich das Bier vor den saftig grünen Alpen ab, elegant ergänzt vom edel wirkenden, schwarzgoldenen Etikett.
Schluck für Schluck, Bissen für Bissen. Das Bier und die Brotzeit sind ein wunderbarer Genuss.
Ab und an saust der Enkel auf der Jagd nach den Hühnern vorbei, trinkt einen großen Schluck Saft und verschwindet wieder. Es gibt genug Abenteuer zu erleben, ohne dass er dabei verloren geht.
Biergartenidyll vom Feinsten. Und ganz wichtig: Bier von nebenan. So viele Hütten, Alpen und Biergärten gibt es im Allgäu, auf denen die Biere von weither kommen, teils auch aus Betrieben der Radeberger Gruppe, wie zum Beispiel dem Allgäuer Brauhaus, das zwar auch nicht allzu weit entfernt ist, dem Gedanken der möglichst regionalen Versorgung einer Alpe aber trotzdem widerspricht. Wenn Brot, Käse und Wurst direkt aus der Nachbarschaft kommen, dann sollte das Bier sich dem anpassen!
Langsam sinkt die Sonne tiefer, brennt nicht mehr ganz so stark. Jetzt vielleicht doch noch einen Kuchen? Zum Bier? Ach, ja, irgendwie passt das schon. Wir bleiben also sitzen. Den ganzen langen Tag. Was kann man Lobenderes über einen Biergarten sagen, als dass man da den ganzen langen Tag sitzen bleibt, isst, trinkt und die Zeit vergehen lässt …
Die Siedelalpe ist eine Galtalpe, das heißt, hier werden (im Gegensatz zu einer Sennalpe) nur Jungtiere gehalten, die noch keine Milch geben, das sogenannte Galtvieh. Daher gibt es keine selbstgemolkene Milch, keinen selbstgemachten Käse, und der Biergartenbetrieb rückt stärker in den Vordergrund. Neben den Jungrindern gibt es auf der Siedelalpe noch Schweine, Hühner und Touristen.
Im Sommer ist die Siedelalpe täglich von 10:00 bis 20:00 Uhr geöffnet, im Winter nur bis 18:00 Uhr. Mittwochs ist Ruhetag. Im November und Dezember sind Betriebsferien (genaue Daten auf der Website). Zu erreichen ist die Siedelalpe am schnellsten und komfortabelsten vom Schlettermoos-Parkplatz (dieser Weg wird im Winter geräumt), viel schöner, aber auch ein wenig weiter sind der Weg von Missen (am besten direkt von der Schäffler-Brauerei) über die Pfarralpe oder der steile Anstieg vom Großen Alpsee hoch.
Siedelalpe
OT Zaumberg
87 509 Immenstadt im Allgäu
Bayern
Deutschland
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