Die Ottakringer Braukultur-Wochen finden seit 2013 statt – während der Sommerferien bietet die Ottakringer Brauerei zusammen mit dem zur Brauerei gehörenden Brauwerk Wien ein Bierfest der besonderen Art auf dem Brauereigelände an.
Es bietet alles, was man von einem zünftigen Brauereifest erwartet: Biertischgarnituren im Brauereihof, geschützt von großen Schirmen gegen die Sonne oder – wenn nötig – auch gegen den Regen. Alle Biere der Brauerei gibt es vom Fass, frisch gezapft und sehr gepflegt. Dazu ein paar Imbissbuden rundherum, und in einem etwas ruhigeren Bereich gibt es eine Hüpfburg und Torwandschießen für Kinder. Abends Livemusik oder Unterhaltungsprogramm auf der Bühne, und natürlich die Möglichkeit einer Brauereibesichtigung. Das war’s.
So weit, so verwechselbar.
Blick auf das Festgelände
Der Unterschied liegt im Detail. Die Imbissbuden entpuppen sich bei näherem Hinsehen als qualitativ ausgezeichnetes Street Food – abwechslungsreich, lecker und mit hervorragenden Bier und Speise Kombinationen. Und neben den eher als Standard zu bezeichnenden Produkten der Ottakringer Brauerei (obwohl deren Rotes Zwickel ein durchaus recht seltener Bierstil ist), gibt es die Biere des Brauwerk Wien, der kleinen Handwerksbrauerei auf dem Gelände der großen Schwester.
Und: Von Woche zu Woche gibt es eine Gastbrauerei, die ihren Ausschank mitten im Gelände platzieren darf. Kleine und kleinste Brauereien aus Österreich und seinen Nachbarländern, gelegentlich auch mal von etwas weiter weg. Es lohnt sich also für die Wiener, mindestens einmal pro Woche hier vorbeizuschauen und die Biere der jeweiligen Gastbrauerei zu verkosten.
Schon letztes Jahr hatte ich im Internet verfolgt, welche Brauereien hier zu Gast waren, und gerne hätte ich mal einen Abstecher nach Wien gemacht, um dort deren Bierspezialitäten zu verkosten. Heute, am 8. August 2016, ist es dann doch endlich einmal so weit – ich weile zufällig in Wien, und der Abend ist frei von Terminen. Auf geht’s also, mit der Straßenbahn 9 nach Ottakring.
Ottakringer Rotes Zwickel
Obwohl es noch recht früh ist, sind die Tische schon gut besetzt, und an den Streetfood-Ständen bilden sich die ersten, zum Glück noch kurzen Schlangen. Am Ausschank der Ottakringer Brauerei hängt eine Kreidetafel und verweist auf die „Stunde der Biervielfalt“. Von 17:00 bis 18:00 Uhr gibt es alle Ottakringer Biersorten für einen Euro pro 0,2-l-Glas. Ich schaue auf die Uhr – es ist fünf vor sechs. Ich schaue auf die Schlange am Bierstand – sie ist mindestens zwanzig Minuten lang. Zu spät, die Chance auf die Happy Hour ist vertan.
Und so wende ich mich direkt dem Stand der Gastbrauerei zu: Nøgne Ø aus Norwegen, eine ehemals kleine Handwerksbrauerei, die mit ausgezeichneten Bieren, oftmals aber auch sehr exotischen Experimenten aufwartet. Vor etwa anderthalb Jahren hatte ich mich einen ganzen Abend lang mit Kjetil Jikiun, dem ehemaligen Headbrewer der Nøgne Ø, unterhalten, und er hatte mir von seinen Plänen erzählt, die Brauerei angesichts derer mittlerweile zu kommerziellen Ausrichtung und der Teilübernahme durch die Großbrauerei Hansa Borg Bryggerier zu verlassen und sich neuen Projekten zuzuwenden. Und so bin ich neugierig, was die Brauerei ohne ihn anzubieten hat.
Nøgne Ø
Ich probiere zunächst das Brandenburger, eine Art Gose, mit gerade mal 2,7 % Alkohol und einer kräftigen, ausgeprägten Säure, die jeder Berliner Weisse zur Ehre gereichen würde. Ein erfrischender Sommerdrink. Das Norsk Host ist etwas kräftiger, 4,5 % Alkohol, gebraut ohne Hopfen, stattdessen mit Kräutern und Zweigen und einer norwegischen Farmhouse-Hefe. Es schmeckt ebenfalls leicht säuerlich, und wenn ich von der Hefe einen Geschmack ähnlich eines belgischen Saison-Biers erwartet habe, so bin ich etwas enttäuscht. Trotzdem, auch das Norsk Host ist ein gut trinkbares Sommerbier.
Es folgt das Imperial Brown Ale, ein kräftiges, braunes, deutlich melanoidinig schmeckendes Bier mit 7,5 % Alkohol. Eigentlich nichts für die heutige Sommerhitze, aber ein schönes, schweres Bier für den langsamen, gemütlichen Genuss.
Die Krönung aber ist das SunturnBlend, ein extremes Starkbier mit 11,0 % Alkohol. Die Flasche trägt ein schwarzes Etikett, aber der Name des Biers ist regenbogenfarben aufgedruckt. Ein ganz besonderes Bier. Das SunturnBrew, also das Sonnenwendbier der Nøgne Ø, ist dazu in Eichenfässer gefüllt worden und reifte dort sechzehn Monate lang. Anschließend wurde es mit einem vier Jahre alten dunklen Starkbier, das diese lange Zeit in Eichenfässern gelagert hatte, geblendet und auf Flaschen gezogen. Ein einmaliges Bier. Sorgfältig schenke ich es in zwei Gläser aus – schon der kräftige, malzaromatische, estrig-komplexe, holzige und leicht rauchige Geruch ist wunderbar. Aber der Geschmack toppt dies noch. Eine so komplexe Geschmacks- und Aromenvielfalt habe ich selten erlebt. In winzigen Schlucken genießen wir diese Spezialität – ein wunderbarer Abschluss eines Besuchs der Braukultur-Wochen. Ganz großes (Geschmacks-) Kino!
Für 2016 folgen auf Nøgne Ø noch Next Level (Österreich), Het Anker (Belgien) und BRŁO (Deutschland) als Gastbrauereien, bevor die Ottakringer Braukultur-Wochen des Jahres 2016 am 31. August zu Ende gehen.
Die Ottakringer Braukultur-Wochen 2016 finden auf dem Gelände der Ottakringer Brauerei statt, und zwar vom 30. Juni bis 31. August 2016, täglich (außer sonntags) von 15:00 bis 24:00 Uhr. Zu erreichen ist die Brauerei am besten mit der Straßenbahnlinie 9, Haltestelle Johann-Nepomuk-Berger Platz, direkt vor dem Eingang zur Brauerei.
Ottakringer Braukultur-Wochen 2016
Ottakringer Platz 1
1160 Wien
Österreich
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