So ist das beim Stammtisch. An manchen Abenden entwickeln sich hochgradige Fachgespräche, so dass man den Mitschnitt fast schon als vorlesungsbegleitend als Erklärvideo einsetzen könnte, an anderen wird mehr herumgealbert und vor sich hin erzählt.
Und beides hat seine Berechtigung, sonst wäre es kein Stammtisch.
Gespräch mit Martin Wörner
Beim 15. Wirtuellen Stammtisch 2.0 hat Karl Zuser jun. Martin Wörner zu Gast, einen der Braumeister der Schlossbrauerei Autenried.
Vielmehr hätte er ihn gerne, muss aber aufgrund technischer Schwierigkeiten erstmal ein Weilchen improvisieren, schaltet den Biersommelier Markus Worsch vom Projekt Pro-Biersinn hinzu (der auch bei der Autenrieder arbeitet), wechselt ein paar Worte mit ihm, und schließlich klappt’s mit der Verbindung zu Martin Wörner doch endlich.
kurzer Überbrückungsschnack mit Markus Worsch
Wir erfahren viel über die Schlossbrauerei Autenried, über ihre Philosophie, so viel wie möglich aus eigener Hand zu produzieren und dafür sogar eine eigene Landwirtschaft zu betreiben (auch wenn dennoch Braugetreide zugekauft werden muss), und über den großen Aufwand, den sie betreibt, um ein breit aufgestelltes Produktportfolio zu brauen. „Bei uns wird nicht mit Färbebier aus einem Bier zwei gemacht, und Etikettenbiere haben wir auch nicht“, erklärt Martin selbstbewusst. Stattdessen nähme man sich Zeit und ließe beispielsweise das Festbier sechs Wochen lang reifen, damit es runder, weniger kantig wird – den damit verbundenen Aufwand nähme man zugunsten der Qualität gern in Kauf.
Karl und Martin
Aufwand betreibt man in Autenried auch beim Weizenbock. Ein wunderbares Bier, aber es liegt weit unter einem Prozent Anteil am Brauereiausstoß. Lohnt es sich trotzdem, für drei, vier Sude im Jahr dieses Bier im Angebot zu halten? Die einhellige Meinung ist: Wenn ein Bier so gut ist, wie der Weizenbock, dann rechtfertigt es auch den Aufwand!
Gerade, als es interessant wird und die Diskussion die neumodischen Bier-Ausprobierer erreicht (Was für eine schöne Wortschöpfung, Martin!), erfährt der Stammtisch aber eine überraschende Unterbrechung: Der eine (Martin) hat vorher zu viel Bier getrunken und braucht eine kurze Auszeit, beim anderen (Karl) klingelt es, Gäste reisen an. Wir virtuellen Teilnehmer schauen auf zwei leere Bildschirme.
für einen Moment sehen wir nur zwei leere Plätze
Zeit, sich ein neues Bier einzuschenken, und zwar das „Black Flag“, ein Imperial Stout von Schoppe Bräu aus Berlin. Fast schon viskos fließt es in das Glas, bildet eine sehr kremige Schicht beigefarbenen Schaums aus, der allerdings rasch wieder spurlos verschwindet, und schmeichelt der Nase mit schönen Mokka-Aromen. Der Antrunk ist weich, auf der Zunge machen sich Mokka- und Röstaromen breit und im Abgang spüre ich eine feine Bittere, die sicher nicht nur von den beiden eher milden Hopfensorten kommt (Perle und Spalter Select), sondern eher vom Röstmalz stammt. Ein bisschen Roggenmalz sorgt für den runden, vollen und sehr nahrhaft wirkenden Gesamteindruck, und die 9,0% Alkohol spüre ich kaum. Jedenfalls nicht während des Trinkens, höchstens nachher …
Black Flag – Imperial Stout
Der Bildschirm belebt sich wieder, die Diskussion windet sich weiter. Wie lange bleibt die Gastronomie noch coronabedingt geschlossen? Werden die Leute Schifahren gehen, wenn die Gastro zu ist, und das Rundrum-Programm fehlt? Wo gehen sie auf’s Klo?
Im Nu verfliegen die zwei für diesen Stammtisch angesetzten Stunden. Seit einigen Minuten schaut Karl schon auf die Uhr, er muss morgen früh raus, das Frühstück für seine Hotelgäste bereiten. Aber so richtig mag er trotzdem noch nicht zum Ende kommen.
Für ein paar Minuten schaltet er sogar noch Matthias Hieber hinzu, einen anderen Braumeister der Schlossbrauerei Autenried, und stellt ihm seine beiden Standardfragen, die jeden Wirtuellen Stammtisch beschließen:
Matthias‘ Lieblingsbier? Ganz unterschiedlich, je nach Situation, aber wenn’s einer Festlegung bedarf, dann das eigene Helle.
Was ist Craftbier? Der Begriff sei aus dem Ruder gelaufen, sagt Matthias. Die Leute empfänden den Begriff als abschreckend, weil sie damit zu bittere, zu intensive Biere verbänden. Wenn also ein Kunde fragen würde „Haben Sie Craftbier?“, dann müsse er sich den Kunden anschauen. Ist es ein normaler Biertrinker, der mal vorsichtig etwas Neues ausprobieren möchte, oder ist es ein jugendlich wirkender Bierkenner, der nach etwas Extremem sucht. Sehr diplomatisch.
Gespräch mit Matthias Hieber
Zurück zum Martin, und auch er muss die beiden Fragen beantworten.
Martins Lieblingsbier? Traditionelles Pilsener, bayerischer Art.
Und was sei Craftbier? Es sei eine unglaubliche Vermarktungsmöglichkeit, antwortet Martin, allerdings auch etwas, das man in Süddeutschland schon immer angeboten hat. Es sei also ein Begriff, den man dem Kunden eins zu eins erklären müsse.
Ein gutes Schlusswort, und gut zwanzig Minuten später als allerspätestens vorgesehen, beschließt Karl den 15. Wirtuellen Stammtisch 2.0.
Bis bald in dieser Runde. Wenn wir uns schon nicht in der Realität treffen können und dürfen, dann ist so eine Gesprächsrunde am Bildschirm bei gutem Bier doch eine schöne Alternative.
15. Wirtueller Stammtisch 2.0
Gasthof Riedberg
Südtiroler Straße 11
4910 Ried im Innkreis
Österreich
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