La Moustache Blanche
Paris
FRA

Viele Pariser Bars sind was ihr Äußeres anbelangt für ihren Minimalismus bekannt. Schlichte Fassaden, wenig Gedöns und Zierrat, stattdessen nette Atmosphäre im Inneren. Draußen stehen doch sowieso nur die stets fröstelnden und von einem Bein aufs andere tretenden Raucher. Und auch bei Fachgeschäften sind es oftmals nicht anders aus. Sofern es sich nicht gerade um die hundertste H&M-Filiale oder einen seit 150 Jahren in Familienbesitz befindlichen Weinhandel geht, ist einfach nur ein Firmenschild an der Wand, das Schaufenster ein wenig dekoriert, und das war es dann.

Das kleine Bierfachgeschäft La Moustache Blanche schießt hier aber den Vogel ab. Die Außenwand des Hauses ist grau. Nicht nur so einfach schlicht grau, sondern aschgrau, straßendreckgrau und gilb-gammel-schmuddel-grau. Unterschiedliche Grautöne. Ins Gelbliche changierend, ins Bläuliche, ins Bräunliche. Ein Riss zieht sich durch den Putz, lose Kabel hängen heraus. Das Straßenpflaster davor aus unterschiedlichen Platten. Unlustige Bauarbeiter haben einzelne beschädigte (graue!) Platten ausgetauscht und mit dem Erstbesten ersetzt, was sie im Bauhof gefunden haben. Ob die Farben passen? Ach, Farbe, egal. Ist doch eh alles grau. Hauptsache, wir werden vor Feierabend fertig. Passt schon. Und der Nieselregen aus dem nieselregengrauen Himmel tut das Seinige dazu.

Fifty Shades of Grey

Unwirklich wirken da die beiden in warmem Gelb erleuchteten Schaufenster, die den Blick freigeben auf ein Bierparadies. Der Kontrast könnte größer nicht sein. Draußen Fifty Shades of Grey, drinnen ein Kaleidoskop bunter Bieretiketten. Popart, Klassik, edel, schlicht, grell, aus aller Herren Länder. Und Frauen, sonst fühlt sich die Schweiz ausgeschlossen, in der es mittlerweile ja auch exzellente Biere aus innovativen Kleinbrauereien gibt.

Einige besonders edle Biere stehen in einem großen Kühlschrank, die meisten aber in Regalen. Holzregale, sorgfältig gestapelte Weinkisten, die als Regal dienen, und ein Blechregal, das sich unter der Last der Bierflaschen bedrohlich durchbiegt. In der Mitte des Raumes große Kartons, quer darüber ein großes Brett, fertig ist das nächste Regal. In der Ecke in großes Holzfass, auch dieses wird als Regal missbraucht. Und wo keine Bretter mehr verfügbar waren, dort stehen die Bierflaschen direkt auf dem Karton. Vorsichtig ausbalanciert, aber stabil.

pedantisch sortiertes Schein-Durcheinander

Man könnte meinen, hier herrsche ein unbeschreibliches Chaos, aber nein, bei genauem Hinsehen merkt man, es ist alles pedantisch sortiert. Nach Herkunftsländern, Brauereien, Bierstilen. Aus billiger Wellpappe sind kleine Täfelchen ausgeschnitten und von Hand sorgfältig beschriftet. Gut leserlich, präzise, penibel.

Und was hier alles für Biere stehen … Normalerweise betrete ich auch ein gut sortiertes Biergeschäft und registriere sofort: Aha, hier die klassischen Belgier, dort die üblichen Dänen, da die konservativen Deutschen, dahinten die hopfigen Amerikaner, und dann noch ein paar Exoten aus Italien, den Niederlanden, Großbritannien und Polen. Aber hier? Wohin ich auch sehe, fast nur Neues. Na klar, ein Regal mit den bekannten Belgiern sehe ich auch – die liefern den Grundumsatz, ohne den ein solches Biergeschäft doch gar nicht wirtschaftlich betrieben werden kann. Große Flaschen mit Wiedererkennungswert, bei denen kein Bierliebhaber widerstehen kann, die er zusätzlich zu seinem innovativen Kleinsteinkauf noch obendrauf packt. Aber sonst? Brauereien, deren Namen ich noch nie gehört habe. Etiketten, Labels, Logos, die mir nicht vertraut sind.

jeder Quadratzentimeter wird genutzt

Ich wechsle nur ein paar Worte mit dem jungen Verkäufer, der sich fleißig um andere Kunden kümmern muss. Keine Chance, viel Informationen aus ihm herauszuquetschen, er muss beraten, verkaufen, handeln, kassieren. Gerade genug Zeit bleibt mir, mich bei ihm zu entschuldigen, dass ich kein Bier kaufen werde. Diesmal jedenfalls nicht. Morgen geht in aller Herrgottsfrühe mein Flieger heim, und Biertransport per Flugzeug? Nein danke, da habe ich schon schlechte Erfahrungen gemacht. Aber wenn ich das nächste Mal in Paris bin, dann hoffentlich mit der Bahn oder dem Auto, und dann wird die eine oder andere ganz besondere Spezialität eingepackt! Versprochen!

Das im November 2012 eröffnete (und bis heute von außen noch wie im Bau aussehende) Biergeschäft La Moustache Blanche ist dienstags bis sonnabends ab 13:00 Uhr, sonntags ab 14:00 Uhr bis abends durchgehend geöffnet; montags ist Ruhetag. Mit der Metro (Linien 1, 5 und 8, Station Bastille) ist es bequem zu erreichen.

Bilder

La Moustache Blanche
16, Rue des Tournelles
75 004 Paris
Frankreich

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