Ein paar Kilometer oberhalb des Attersees, leider nicht mehr so idyllisch am Seeufer gelegen, sondern einfach nur im Ort Lenzing direkt an der Straße befindet sich die Gasthausbrauerei Leimer. Von außen recht schlicht; ein großer, asphaltierter Parkplatz direkt davor, ein weiterer rechts daneben, und die schlichte, graue Fassade entlang zieht sich ein dunkelorangefarbener Streifen mit den riesigen Lettern „Hotel – Gasthausbrauerei“. Hübsch und romantisch ist anders.
Man sollte sich aber nicht von Äußerlichkeiten abhalten lassen, und auch nicht von dem etwas verkrampft touristisch-humoristischen Namen des italienischen Restaurants im Hotel, dem Leimonelli. Mir erschließt sich dieser hölzerne Humor nicht, aber ich habe jetzt trotzdem Hunger und Durst, habe heute, am 10. April 2016, noch viele Kilometer vor mir, es ist eine Brauerei, es gibt etwas zu essen, also hinein!
Ein bisschen unübersichtlich die Vielzahl von Schankräumen, aber nach einmal links und zweimal rechts abbiegen stehe ich schließlich doch in der Café-Bar Leimonelli, in der sich auch das kleine Sudwerk befindet. Ansprechend gemütlich ist es hier im Innern, so ganz anders als von außen, und wenn ich nicht vom Parkplatz, sondern direkt von der Straße gekommen wäre, so hätte ich auch nicht durch alle Gasträume irren müssen, sondern wäre direkt hier gelandet.
Ich suche mir einen kleinen Tisch, und im Nu kommt die freundliche Bedienung auf mich zugeschossen, gibt mir die Speisekarte und fragt mich, was ich denn trinken möchte. Drei Biere stehen in der Karte, ein viertes ist mit kleinen Kreidetäfelchen auf der Theke beworben. Ein Helles gibt es, ein Dunkles, ein Naturtrübes und – als Saisonbier – ein Bockbier. Gedankenverloren bestelle ich zunächst ein kleines Helles, nur um mich hinterher zu ärgern. Ich muss ja noch fahren, es muss bei einem winzigen Bier bleiben, und da wäre es doch gewiss besser gewesen, angesichts der wenig originellen Auswahl wenigstens das ungefilterte Naturtrübe zu probieren, wenn nicht gar ein ganz kleines Glas (0,2 l) des Bockbiers. Zu spät, die Bestellung noch zu korrigieren – genauso schnell wie die Karte bringt die Kellnerin auch das Bier.
Golden funkelnd, klar filtriert steht es vor mir. Leicht malziges Aroma, sehr weich und mild, fast schon süßlich, ohne aber mastig zu sein. Ein unauffälliges Bier, ein typisch österreichisches Helles, wie man es hier in der Region gerne und in großen Mengen trinkt. Nichts Besonderes, aber sehr sorgfältig gebraut. Keine Aroma- oder Geschmacksfehler, und auch nicht, wie so oft in Gasthausbrauereien, viel zu jung ausgeschenkt. Nein. Für seinen Stil sehr gut.
Die Speisekarte bietet italienisch inspirierte Küche, viele Nudelgerichte. Wenn man möchte, findet man etwas Leichtes, das vor langer Weiterfahrt den Magen nicht belastet. Schön. Als die Nudeln kommen, sind sie nett dekoriert, der dazu gereichte gemischte Salat schwimmt leider in Essig – hier hat es der Koch zu gut gemeint. Es schmeckt trotzdem.
Nachdenklich betrachte ich das kleine Sudwerk. Die Bierdeckel werben mit Leimer Bräu seit 1914, das wäre seit über hundert Jahren, und auch der Aufdruck auf den Gläsern rühmt sich: 100 Jahre Leimer Bräu. So alt sieht das kupferne Sudwerk, das mit violettem Licht auffällig in Szene gesetzt wird, nicht aus. Nagelneu ist es nicht mehr, man sieht Gebrauchsspuren, und es ist keine von den hypermodernen, auf optische Wirkung hin optimierten Brauereien, die in Glanz und Gloria erstrahlen, dem Betrachter den Atem , dem Braumeister aber die letzten Nerven rauben, weil auch nach gründlichstem Polieren immer noch ein kleiner Fingerabdruck mitten auf einer der Hochglanzflächen den perfekten Eindruck ruiniert. So schnell kann man gar nicht mit dem Poliertuch hinterher wischen, wie die Gäste wieder das polierte Kupfer betatschen und verschmieren.
Hier ist es anders. Kein Hochglanz, sondern eher Zweckmäßigkeit. Eine etwas ältere Anlage also, aber definitiv keine hundert Jahre alt.
Nein, sie ist erst knapp zwanzig Jahre alt, stelle ich fest. Der jetzige Wirt, Rüdiger Leimer, hat 1986 die Gastwirtschaft übernommen und 1997, vor neunzehn Jahren, hier die eigene Hausbrauerei eröffnet. Ja, diese Jahreszahlen passen schon besser zum Aussehen des Sudwerks. Und fast zwanzig Jahre als kleine Gasthausbrauerei, das ist ja auch schon etwas.
Die Gär- und Lagertanks befinden sich direkt unter dem Lokal, durch eine Glasscheibe kann man schemenhaft im Dunklen die Gerätschaften sehen. Leider entdecke ich nirgends einen Lichtschalter, kann nur ein paar Tanks, Rohre und Schläuche sehen.
Und so belasse ich es für heute bei einem kurzen Eindruck, mache mich wieder auf den Weg. Gutes, aber wenig originelles Bier, recht ordentliches (und preiswertes) Essen und ein sehr freundlicher Service. Und ein Wirt, der persönlich an den Tischen vorbeikommt und die Gäste nach ihrem Befinden fragt. Ganz alte Schule. Findet man nur noch selten.
Die Gasthausbrauerei Leimer ist täglich ab 10:00 Uhr durchgehend geöffnet; sonnabends erst ab 17:00 Uhr. Kein Ruhetag. Von der Autobahn A 1, Abfahrt Seewalchen, sind es fünf Minuten in Richtung Norden; Parkplätze gibt es ausreichend direkt vor der Tür.
Nachtrag 18. April 2019: Fast genau drei Jahre sind vergangen, als mich eine berufliche Reise erneut zur Mittagszeit in die Region führt. Langsam rolle ich die Atterseestraße entlang und sehe das markante Gebäude der Gasthausbrauerei Leimer wieder vor mir. Viel hat sich nicht geändert; lediglich zwischen Parkplatz und Eingang ist nun ein schöner Gastgarten aufgebaut, wo es sich wunderbar in der Sonne sitzen lässt.
Rasch ist der Wagen abgestellt, und schon nehme ich an einem der Tische Platz, blinzele in die Sonne und denke mir, dass es sicherlich schlechtere Plätze für eine Mittagsrast gibt.
Und so blinzele ich vor mich hin, und nicht passiert.
Nach langen Minuten stehe ich auf und gehe nach Innen. „Nein, auf der Terrasse können wir im Moment nicht bedienen, es ist rappelvoll, wir schaffen es einfach nicht nach draußen“, heißt es bedauernd. Nun, ist ja in Ordnung, aber könnte man da nicht vielleicht einen kleinen Zettel draußen hinhängen? Die zwei Minuten wären sicherlich gut investiert gewesen.
Zum Glück findet sich auch drinnen ein Plätzchen, und nun geht es auch blitzschnell.
Ich mache nicht erneut den Fehler, nur das normale Helle zu bestellen, sondern wähle diesmal das Kellertrüb, also das ungefilterte Helle. 5,1% Alkohol hat es, und trinkt sich ohne große Höhen und Tiefen sehr süffig. Zum Tagesgericht – es ist Gründonnerstag, da gibt es Spinat, Leberkäse, Bratkartoffeln und Spiegelei – passt es perfekt. Ein schnelles Bier zum schnellen Gericht. Nicht immer muss es große Küche sein, manchmal ist ein einfaches Essen, ein Zischbier auch am besten. Situationsbedingt.
Viel zu schnell ist die Mittagspause schon wieder rum – die Warterei auf der Terrasse hat einiges an Zeit gekostet. Die Wirtsstube ist nach wie vor rappelvoll; die drei Damen im Service flitzen eilig umher, haben aber trotzdem für jeden Gast wenigstens ein schnelles Lächeln und ein freundliches Wort übrig. Recht so!
So hat sich mein Eindruck von vor drei Jahren bestätigt: Bodenständige Wirtshausatmosphäre in nettem Ambiente, dazu preiswerte Küche und einfache, aber schmackhafte Biere.
Gasthausbrauerei Leimer
Atterseestraße 34
4860 Lenzing
Österreich
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