Ein kleiner Spaziergang durch die schmalen Gassen der Quedlinburger Altstadt. Wir stolpern gemütlich über das Kopfsteinpflaster, und da sehen wir es: Das Hinweisschild Brauhaus Lüdde. Unverhofft, aber schön!
Wir folgen dem Schild und gehen durch den unauffälligen Hauseingang eines alten Fachwerkhauses. Am Ende des Ganges sehen wir schon einen der kupfernen Kessel des Sudwerks. „Komm‘, einmal nur kucken, und dann gehen wir wieder – ist angesichts des guten Wetters und der Touristenmassen in der Stadt wahrscheinlich total überfüllt“, sage ich zu meiner holden Ehefrau, wir rücken die FFP2-Masken zurecht und stürzen uns ins Getümmel.
Äh, Moment, welches Getümmel? Der Schankraum ist gähnend leer. Und das zur Mittagszeit!
Viel los ist nicht!
Wir sehen uns in dem hohen Saal um. In der Mitte das Sudwerk, dahinter die lange, aber kleinteilige Theke. Um uns herum zahlreiche Holztische, aber nur ein einziger ist besetzt. „Kommen Sie doch am besten nach hinten durch in unseren Biergarten“, spricht uns ein junger Kellner an und geleitet uns an der Theke vorbei zum Hinterhof. Und hier, unter den großen Kastanien, hier sitzen sie: Die Touristen, die wir vorne so „schmerzlich vermisst“ haben. Schwaben, Rheinländer, Sachsen. Viele von ihnen laut und prollig, aber auch ein paar Familien mit fröhlich herumtobenden Kindern.
Kaum haben wir einen schönen Tisch mit Blick über den Biergarten gefunden, kommt auch schon der junge Kellner wieder, legt uns die Speisekarte hin und fragt nach unseren Wünschen. „Vier Biersorten haben wir“, erklärt er uns. „Ein Helles, ein Schwarzbier, ein alkoholarmes Braunbier mit nur 1,3% Alkohol, das ist fast so eine Art Malzbier, und saisonal noch ein Weizen.“ Eine schöne Auswahl, und da es die Biere auch in relativ kleinen Gläsern gibt, probiere ich mich einmal durch das ganze Angebot (Verkostungsnotizen siehe unten).
deftig und schmackhaft
Das Essen dazu ist vorzüglich. Wer es gerne deftig mag, findet Berge von Fleisch, aber es gibt beispielsweise auch Kartoffelrösti mit einer Art Ratatouille-Füllung ohne Fleisch. Da sollte für jeden etwas dabei sein. Die Portionen sind groß, im Falle meiner Brotzeitplatte, die scherzhaft als Braumeisterfrühstück beworben wird, sogar gewaltig. Eine hervorragende Grundlage für die vier Biere.
Das Brauhaus Lüdde ist in gewisser Weise aus der Schreiberschen Braunbierbrauerei hervorgegangen, die es vor über 200 Jahren in Quedlinburg gab. Diese war nämlich 1876 von Carf-Friedrich Lüdde übernommen worden, und seine Nachfahren haben sie bis 1966 betrieben, bis sie angesichts des schwierigen Umfelds im Sozialismus geschlossen werden musste. Erst nach der Wende 1989 erwarb ein Teil der Lüdde-Familie das alte Gebäude wieder und erweckte es als Gasthausbrauerei zu neuem Leben.
Blick auf das Sudwerk
Während das Helle, das Schwarze und das Weizen recht „normale“ Bierstile sind, handelt es sich beim lediglich 1,3%igen Braunbier um eine besondere Spezialität. Historisch verhielt es sich so, dass das Braunbier noch nicht endvergoren verkauft wurde, mit Wasser verdünnt und in der Flasche beim Kunden ausgegoren werden sollte. Manche Kunden haben dies nicht gemacht, und das weder verdünnte noch ausgegorene Bier soll, so geht die Mähr, Magenschmerzen und Durchfall verursacht haben und so zu seinem Spitznamen Pubarschknall gekommen sein. Das heute angebotene Braunbier hat vermutlich mit der damaligen Rezeptur nicht viel zu tun, schmeckt aber als zuckersüßes Malzbier trotzdem ganz hervorragend.
der Biergarten ist ansprechend
Zwei Stunden verbringen wir hier im Biergarten und sind zufrieden. Abgesehen vom etwas ungewöhnlichen Braunbier nichts Exotisches, sondern eher klassische Brauhausbiere, aber dennoch eine ansprechende Gasthausbrauerei. Bier, Speisen, freundlicher Service und ein nicht ungemütlicher Biergarten – alles zusammen macht einen guten Eindruck.
Das Brauhaus Lüdde ist derzeit (unter Corona-Bedingungen und in den Sommerferien) täglich ab 12:00 Uhr bis spät in den Abend geöffnet; kein Ruhetag (lediglich sonntags ist schon um 17:00 Uhr Schluss). Zu erreichen ist es durch seine Lage in der verkehrsberuhigten Zone der Altstadt am besten zu Fuß.
Brauhaus Lüdde
Blasiistraße 14
06 484 Quedlinburg
Sachsen-Anhalt
Deutschland
Verkostungsnotizen
Lüdde Helles
Das Bier hat eine hellgelbe Farbe, ist schön gleichmäßig trüb, und darüber steht eine schneeweiße Schaumkrone, die sich lange hält. Der Duft ist dezent hopfig, ein wenig ins Heuartige tendierend, eine feine Malznote bleibt zurückhaltend im Hintergrund. Der Antrunk ist weich und rund, ebenso das Mundgefühl, und nach dem Schluck bleibt eine feine, weiche Bittere nur für einen kurzen Moment haften. Ein sehr ausgewogenes und schön balanciertes Bier. 4,8% Alkohol.
Lüdde Schwarzes – Knuttenforz
Tiefschwarz und dezent trüb ist dieses Bier; der Schaum ist beigefarben und hält sich relativ lang. Die Nase erschnuppert leichte Röstnoten aber auch einen Hauch von metallischer Säure, die typisch sein kann für das geröstete Malz, aber auch beim Einsatz von Färbebier gelegentlich vorkommt. Der Antrunk ist schlank, ebenso der Eindruck im Mund. Ein bisschen Malzsüße, ein bisschen röstige Herbe, ein bisschen Spritzigkeit – aber von allem nur so wenig, dass das Zusammenspiel nicht gestört oder von einer Komponente dominiert wird. Der Abgang ist schlank und klingt sortentypisch rasch ab. 4,8% Alkohol.
Lüdde Weizen
Das Bier ist deutlich und gleichmäßig trüb, die dunkelgelbe Farbe tendiert ins Orangene mit einem kleinen Graustich. Der Schaum ist üppig und lange haltbar. Unmittelbar nach dem Servieren riecht das Bier würzig, etwas kümmelig, ein bisschen an Gewürznelke erinnernd, je länger es aber steht und sich erwärmt, um so deutlicher werden Bananenaromen. Der Antrunk ist spritzig und frisch, im Mund zeigt sich das Bier überraschend schlank – passend zum Geruch und zur starken Trübung hätte ich deutlich mehr Vollmundigkeit erwartet. Trotzdem eine runde und ausgewogene Sache. Im Abgang werden retronasal die Bananenaromen deutlicher, während im Rachen eine kaum spürbare Bittere rasch und spurlos abklingt. Keine Angabe zum Alkohol.
Lüdde Braunbier – Pubarschknall
Das Bier ist dunkelbraun, fast schwarz, und deutlich trüb; der etwas spärliche Schaum ist leicht beigefarben. Der Geruch ist intensiv malzig und süß, ein paar fast schon karamellige Noten erinnern an Blockmalz. Der Antrunk ist rund, sämig und zuckrig süß, ebenso das Mundgefühl. Dickflüssig, fast schon viskos rinnt das Bier über die Zunge – ein nahrhaftes und süßes Getränk, das mehr Durst macht als es löscht. Auch im Abgang bleibt es geradezu klebrig malzig. Ein feiner Begleiter zum Dessert oder zum Wiederauffüllen der Energiereserven nach ausgedehntem Sport. Ein klassisches Malzbier. Und ob seines Süßstoffgehalts umstritten. 1,3% Alkohol.
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