„Gose? Was ist das denn?“, mag einmal eine unbedarfte Frage lauten, und dann könnte die Antwort eigentlich ganz simpel sein: Gose? Das ist das hier:
die Gose
Die Gose ist nämlich ein Flüsschen, das durch Goslar fließt. Nur ein kleiner Bach, mehr nicht, und außerhalb Goslars eigentlich völlig unbedeutend.
Eigentlich …
Uneigentlich ist nach diesem Flüsschen aber der Bierstil Gose benannt, der vor vielen hundert Jahren wohl hier in Goslar entstanden ist. Ein obergäriges Weizenbier, dessen Charakter angeblich durch das mineralhaltige Wasser der Gose geprägt wurde und das daher ein wenig salzig schmeckte. Heute wird das Bier nicht mehr mit dem Wasser aus dem Fluss gebraut, und sein mineralischer Charakter kommt von einer zurückhaltenden Salzgabe während des Brauprozesses. Auch ein wenig Koriander kommt hinzu, und manche Brauer schwören auf eine dezente Säure. Das Resultat ist ein helles, erfrischendes, fruchtig-leichtes Bier, das durch seinen Salzgehalt immer wieder neu zum Trinken anregt.
Gebraut wird dieser Stil hauptsächlich in Goslar, wo er erfunden wurde, und im Leipziger Raum, wo er sich auch über die DDR-Zeit hinweggerettet hat und sich inzwischen wieder großer Beliebtheit erfreut.
Im Brauhaus Goslar gibt es die Gose frisch vom Fass – ein (aber nicht der einzige) Grund, hier einzukehren.
ein altes Fachwerkhaus beherbergt das Brauhaus Goslar
Das uralte Fachwerkhaus, in dem sich das Brauhaus befindet, steht direkt neben der Marktkirche im Herzen der Stadt. Es stammt aus dem Jahr 1720 und bietet den perfekten Rahmen für eine gemütliche Gasthausbrauerei. Das kupferne Sudwerk befindet sich mitten im Raum hinter der Theke, daneben stehen die simplen Holztische, an denen man das Bier genießen kann. Geht man die knarzende Holztreppe in den 1. Stock hinauf, findet man dort nicht nur die Toiletten, sondern mehrere gemütliche Räume, in denen geschlossene Gruppen oder Familien in ansprechender Atmosphäre beieinandersitzen, feiern und schlemmen können.
Heute, bei bestem Sommerwetter, zieht es uns aber hinaus, und wir setzen uns in den Gastgarten direkt vor dem Haus. Der Natursteinsockel des Hauses strahlt eine angenehme Wärme aus, das Fachwerk darüber verbreitet Gemütlichkeit. Die Kellerinnen und Kellner sind durchweg freundlich und aufmerksam, und rasch haben wir schon das erste Bier vor uns stehen. Drei Sorten werden regulär hier gebraut, und zwar je eine helle und eine dunkle Gose sowie ein Pils (Verkostungsnotizen siehe unten). Daneben gibt es übers Jahr hinweg wechselnde Sonderbiere, von denen heute allerdings das letzte schon aus und das nächste noch nicht fertig ist …
auf diesem Sudwerk entstehen die Biere
Im Gegensatz zu den im Raum Leipzig angebotenen Gosen ist die helle Gose hier im Brauhaus Goslar nicht sauer, sondern in erster Linie fruchtig (vom Koriander) und leicht salzig. Über die dunkle Gose könnte man streiten – ein solcher Stil sei historisch nicht belegt, heißt es. Andererseits: Die Malze waren vor vielen hundert Jahren nach dem Darren vielleicht etwas dunkler, als wir das von unseren modernen hellen Malzen gewohnt sind, und so mag der eine oder andere Sud auch damals schon eine kräftigere Farbe gehabt haben. Wer weiß?
Das Rammelsberger Pils hingegen ist ein Produkt der Neuzeit. Benannt ist es nach dem Hausberg Goslars, wo von 968 bis 1988 über 1000 Jahre lang Bergbau betrieben worden war und sich auf dem von der UNESCO geschützten Gelände ein Museum befindet.
wohnzimmergleiche Gemütlichkeit im oberen Stockwerk
Wir probieren uns durch alle drei Sorten und scheuen uns zu guter Letzt auch nicht, eine der Gosen „mit Schuss“ zu probieren. Ähnlich wie es bei der Berliner Weisse üblich ist, gibt es die helle Gose mit allerlei Zutaten, sei es mit Kirsch- oder Bananensaft oder mit Kirschlikör. Das Essen dazu geht von deftig und fleischbetont bis zu vegetarisch-kreativ, und so sollte eigentlich jeder Gast etwas für seinen Geschmack finden.
Das Brauhaus Goslar ist täglich ab 12:00 Uhr durchgehend bis in den Abend geöffnet; sonnabends und sonntags schon ab 11:00 Uhr. Kein Ruhetag (außer Heiligabend). Durch die Lage direkt neben der Marktkirche ist es zu Fuß problemlos zu erreichen und auch nicht zu verfehlen.
Brauhaus Goslar
Marktkirchhof 2
38 640 Goslar
Niedersachsen
Deutschland
Verkostungsnotizen
Gose – Das Harzer Urbier – Hell
Gar nicht so hell, sondern eher dunkelgelb mit einem Stich ins Orangefarbene, dabei schön gleichmäßig trüb und bedeckt von einer feinen, kremigen Schaumschicht – das ist der optische Eindruck dieses Biers. Die Nase erschnuppert dezent fruchtig-frische Noten, vermutlich Koriander, und einen ganz feinen Aprikosenakzent. Der Antrunk überrascht: Spritzig und frisch, ein Hauch von fruchtiger Säure, und dann sofort ein deutlich mineralischer Eindruck auf der Zunge. Zu dezent, um sofort „Salzig!“ zu denken, aber intensiv genug, ihn sofort zu erschmecken. Die Kombination aus zurückhaltender Säure und einem Hauch Salz mit den fruchtigen Noten des Korianders harmoniert sehr schön, erfrischt und löscht im ersten Moment den Durst, nur um ihn nach dem Schluck gleich wieder neu anzufachen – der mineralische Charakter und die feine Bittere hinterlassen eine trockene Kehle, die nach dem nächsten Schluck lechzt. Sehr schön! 4,8% Alkohol.
Gose – Das Harzer Urbier – Dunkel
Die Farbe ist kräftig braun, die Trübung etwas zurückhaltender als bei der hellen Gose, und der Schaum geringfügig weniger. Im Geruch fällt vergleichend sofort das Fehlen des fruchtig-frischen Korianders auf, stattdessen ein paar Malznoten, rund und ein wenig brotig (aber nur ganz dezent). Der Antrunk zeigt kaum Säure, ist nicht ganz so spritzig wie bei der hellen Gose, aber die Mineralität auf der Zunge wird wieder deutlich. Zusammen mit der etwas höheren Vollmundigkeit wirkt der mineralische Charakter nicht ganz so harmonisch, zu sehr konkurrieren die beiden Sinneseindrücke Vollmundigkeit und Mineralität um die Oberhand. Gleichwohl aber ein schönes Bier, das aufgrund seines Mineralgehalts ebenfalls nach dem Schluck eine leicht trockene Kehle hinterlässt und den Durst neu anfacht. Wie die helle Gose 4,8% Alkohol.
Wölti-Gose mit Wölti-Kirsch-Likör
Gibt man zur hellen Gose einen kräftigen Schuss des Edel-Likörs „Fruchtige Kirsche“ aus dem Klostergut Wöltingerode (also so ähnlich wie bei einer Berliner Weisse mit Schuss), dann bekommt sie eine deutlich dunklere, rötliche Farbe, entwickelt einen intensiven Kirsch- und Mandelduft und gewinnt an Süße. Sowohl die fruchtigen Kirschnoten als auch die Mandelnoten harmonieren gut mit dem der hellen Gose eigenen Duft, und die Süße des Likörs paart sich auf der Zunge angenehm mit dem mineralischen Charakter. Sehr interessant, und als Biermischgetränk definitiv wert, es einmal zu probieren.
Rammelsberger Pils
Die dunkle, hellbraune Farbe und die kräftige, gleichmäßige Trübung passen so gar nicht zu der klassischen Verbrauchererwartung an ein Pils aus Niedersachsen, allenfalls die dichte und stabile, weiße Schaumkrone passt in das übliche Schema. Aber schon beim Duft wird es besser: Grüne und kräuterige Hopfenaromen mit dezenten Heunoten schweben über dem Glas. Der Antrunk ist kernig, im Mund macht sich sofort eine durchaus kräftige (für ein Pils sogar überraschend kräftige) Fülle breit, gepaart mit einer ausdrucksstarken Bittere, die auch nach dem Schluck noch einen Moment lang anhält. Ein etwas ambivalentes Bier, das mit seiner Bittere sehr pilstypisch ist, mit seinen sonstigen Parametern aber ein bisschen aus dem Rahmen fällt. Trotzdem sehr schön – man sollte nur den Fehler nicht machen und das Pils nach den beiden Gosen zu trinken – das harmoniert nicht. Entweder Pils oder Gose – beides am gleichen Abend beißt sich sensorisch. 4,6% Alkohol.
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