Es ist schon ein paar Jahre her, dass ich im EFI Hotel in Brno übernachtet habe. Seinerzeit deutete noch nichts darauf hin, dass man planen würde, hier auch eine Brauerei einzurichten. Heute aber, am 27. Juli 2022, stelle ich fest: Die Eigentümer haben ordentlich Geld in die Hand genommen, eine Gasthausbrauerei eingerichtet, sorgfältig auf den Stil geachtet, eine zeitgemäße Speisekarte entwickelt, der Innenarchitekt hat auf ansprechende Sichtachsen, unter anderem direkt in die offene Küche oder, wahlweise, auf das elegant kupferverkleidete Sudwerk geachtet, und selbst auf Bierstile jenseits des langweiligen Gasthausbrauerei-Tripletts Hell-Dunkel-Weizen wurde Wert gelegt: Die Website spricht unter anderem von Cascadian Dark Ale, New Zealand Pale Ale oder Irish Stout. Vielversprechend, oder?
Bei leichtem Nieselregen laufe ich die rund fünfzehn Minuten vom Hauptbahnhof bis zum Hotel. Die Straßenbahn ist derzeit leider keine Option, da die Schienen durch die Altstadt neu verlegt werden und der Weg außenrum länger dauert, als wenn ich zu Fuß gehe.
Ein schönes, altes Steinhaus – das sieht durchaus elegant und gediegen aus!
Mich empfängt ein hoher, offener Raum mit einer Theke in der Mitte, der offenen Küche an der Stirnseite und dem Sudwerk in einer Ecke. Oberhalb der Theke sehe ich endlose Regalbretter, auf denen eine Bierflasche neben der anderen steht, und stolz wird auf den Flachbildschirmen darauf hingewiesen, dass die EFI Pivovar in den wenigen Jahren ihres Bestehens (sie wurde erst 2020, direkt zu Beginn der Pandemie, gegründet) schon die eine oder andere Auszeichnung für ihre Biere errungen hat.
Freundlich bittet mich die Bedienung, oberhalb der Braukessel Platz zu nehmen, da unten alles ausreserviert sei. Das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen, ist doch die Aussicht auf den Schankraum und auf das Sudwerk von hier oben sowieso viel besser.
Blick auf das Sudwerk (noch von unten)
Noch bevor ich die Getränkekarte studieren kann, ist sie schon bei mir und fragt nach meinen Wünschen. „Ja, einen Tester gebe es“, erklärt sie mir auf meine diesbezügliche Frage, und Augenblicke später stehen fünf kleine Gläschen vor mir. Wie in Tschechien üblich, tragen die Biere keine Namen, sondern werden nach ihrer Stammwürze unterschieden. Und so habe ich auf dem kleinen Brettchen ein Achter, ein Zehner, ein Zwölfer, ein Weizenbier und ein American IPA stehen.
Dazu bestelle ich mir als Vorspeise erstmal eine Kulajda, eine Dill-Rahm-Suppe mit Pilzen und einem hartgekochten, besser noch (so wie hier) einem pochierten Ei. Würzig und nahrhaft. Ganz vorzüglich. Eine gute Grundlage für den Biergenuss, wenn auch die intensiven Kräuteraromen eine detaillierte Verkostung der Biere erschweren.
Bierprobe und Kulajda
Das Achter (Osmička) mit seinen 3,4% Alkohol schmeckt absolut fehlerfrei, wirkt aber erwartungsgemäß ein wenig dünn. Schwierig, in dieser Klasse etwas wirklich Aromatisches zu brauen. Da ist es schon viel, wenn ein solches Leichtbier nicht kartonartig oxidiert schmeckt. Das Zehner (Desítka) kommt mit 4,0% Alkohol etwas kräftiger daher, hat aber ebenfalls einen Wegzisch-Charakter. Beides sind also Biere für den ganzen Tag, gerne auch schon zum zweiten Frühstück.
Naja …
Meinetwegen auch schon zum ersten …
Das Achter zumindest.
Meine Hauptspeise wird serviert. Oder das, was ich als Hauptspeise bestellt habe, nämlich ein schöner Sommersalat. Blattsalat, Rauke, Rote Beete, verschiedene Sorten Nüsse, Waldbeeren – es ist ein sehr schöner Genuss.
ein schmackhafter Sommersalat als Hauptgang
Langsam füllt sich mein Magen, und das Zwölfer (Dvanáctka) mit seinen 4,7% ist ein dazu passendes, weil erstes „richtiges“ Bier. Wie auch die ersten beiden Biere ist es fehlerfrei, aber es hat auch, und das finde ich sehr untypisch für Tschechien, nicht die leiseste Andeutung eines Diacetyl-Aromas. Kein Butterhauch, nichts!
Die meisten Touristen wird dies nicht stören, gilt doch fast überall auf der Welt eine Diacetylnote als Geschmacksfehler, aber in Tschechien gehört es eigentlich zu einem Lagerbier dazu. Wenn nicht wenigstens ein feiner Hauch zu spüren ist, empfindet der böhmische oder mährische Normalbiertrinker das Bier als „leer“, als nicht ausdrucksstark genug. Ich genieße, aber ich wundere mich auch ein bisschen.
Als viertes in der Reihe habe ich nun nicht ein Vierzehner vor mir, sondern ein Weizen, ein Pšenice, mit 4,9% Alkohol. Der Brauer hat es geschafft, das Bier in die kümmelige und zum Teil an Gewürznelken erinnernde Ecke zu bringen; die sonst für ein Weizenbier typischen Bananenaromen finde ich hier überhaupt nicht. Das ist zwar absolut in Ordnung, schließlich darf ein Weizen von der phenolisch-würzigen Seite (4-Vinyl-Gujakol) bis zur bananigen Seite (Iso-Amylacetat) das ganze Spektrum abdecken – ungewöhnlich ist eine so einseitige Ausrichtung dennoch.
Den Abschluss bildet das 6,0%ige American IPA. Kräftig und sehr herb gehopft. Fast schon ein bisschen zu herb, denn das fruchtige (oder wahlweise kräuterig-harzige) Aroma, das die Herbe bei diesem Bierstil üblicherweise begleiten soll, ist nur zurückhaltend zu spüren.
in 0,75er Flaschen gibt es noch eine riesige Auswahl
Ich frage die Bedienung nach den Biersorten, die ich auf der Website der EFI Pivovar gefunden habe, doch sie zuckt nur mit den Achseln. „Vom Fass haben wir leider nur diese fünf“, sagt sie. „Die anderen gibt es in 0,75-l-Flaschen.“ Das ist mir leider zu viel. Eine so große Menge passt erstens gar nicht mehr in meinen vollen Bauch, und zweitens: Was mache ich denn dann, wenn mir das Bier dann nicht schmecken sollte? Dann stehe ich da mit der großen Flasche.
Mitnehmen ist leider auch keine Option, mein Rucksack ist schon mit anderen Dingen randvoll gepackt.
Ich entscheide mich also für noch ein großes Glas des American IPA, genieße dieses auch, aber dann muss ich auch schon wieder zum Zug.
Auf dem Weg zum Bahnhof ziehe ich mein Fazit: Grundsolide, aber kaum aus der Masse herausstechende Biere. Wirkliche Spezialitäten nur aus der Flasche. Freundlicher Service. Sehr gutes Essen. Ansprechendes Ambiente. Kann man also insbesondere mit Menschen hin, die gerne mal ein anderes Bier trinken wollen, aber nur unter der Voraussetzung, dass es nicht wirklich anders schmecken soll.
Alles hat seine Berechtigung.
Die EFI Pivovar ist, da sie wohl auch als Hotel-Restaurant genutzt wird, täglich von 07:00 bis 23:00 Uhr geöffnet. Kein Ruhetag. Zu erreichen ist sie in einer guten Viertelstunde zu Fuß vom Hauptbahnhof; wenn die Straßenbahngeleise durch die Altstadt wieder repariert sein werden, auch mit der Staßenbahn – die Haltestelle „Náměstí 28. Října“ ist gerade einmal hundert Meter südlich der Brauerei.
EFI Pivovar
Náměstí 28. Října 1903/23
602 00 Brno
Tschechien
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