Nachtrag 28. Juli 2022: Mit einer größeren Gruppe Dienstreisender fallen wir heute Abend hier ein. Die außerordentlich freundliche Bedienung, die gut Englisch und auch ein kleines bisschen Deutsch spricht, lässt sich von uns nicht aus der Ruhe bringen. Sonderwünsche, Beilagenänderungen oder das bei Gruppen angesichts der Gruppendynamik immer wieder zu beobachtende „halt, stopp, ich glaube, ich nehme doch etwas anderes …“ scheint sie überhaupt nicht zu stören.
Trotz der sommerlichen Hitze draußen ist es hier drinnen angenehm kühl, und so sitzen wir deutlich länger als geplant. Zeit genug, neben einem deftigen Essen auch alle vier Fassbiere sowie ein Flaschenbier zu genießen.
fünf interessante Biere und frisches Tatar
Den Anfang macht das Slavkovská Desítka, ein einfaches, helles Lager mit 10% Stammwürze. Ein hauchfeines Diacetylaroma weist es auf, schmeckt ansonsten aber unauffällig glatt. Spritzig und frisch ist es, und es zischt sich wunderbar nebenher weg.
Das Slavkovská Dvanáctka ist ein bisschen dunkler, tendiert fast schon ins Kupferfarbene. Ein wenig runder und vollmundiger schmeckt es, man merkt die mit 12% etwas höhere Stammwürze schon deutlich. Und: Die Diacetyl-Note ist deutlich ausgeprägter. Ein weicher, buttriger Duft begleitet jeden Schluck. So, wie es der tschechische Biertrinker am liebsten mag.
Dass es auch ganz anders geht, beweist das einzige Flaschenbier, das ich verkosten kann, weil mein Sitznachbar mit aus seiner großen 0,75-l-Flasche einen Schluck anbietet. Das Slavkovský Ležák Chmelený za Studena ist kalt gehopft und blitzsauber gebraut. Nicht die Spur von Diacetyl, stattdessen ein feines, grasig- bis heuartiges Aroma, das von der Kalthopfung stammt. Sehr erfrischend, trotzdem angenehm aromatisch. Ich bin begeistert. Nicht nur wegen Geruch und Geschmack, sondern auch, weil es mit seinen 4,5% Alkohol recht leicht und trotzdem so geschmacksstark geworden ist.
Ähnlich gut gefällt mir auch das Slavkovský Kancléř Tmavý 13°. Wie der Name schon sagt: Ein Dunkles mit 13% Stammwürze. Im Gegensatz zu den meisten anderen tschechischen Dunklen, die recht malzsüß bis fast schon zuckrig daherkommen, ist dieses relativ ausvergoren, so dass die röstigen und mokkaaromatischen Noten deutlich nach vorne kommen. Zwar ist im Vergleich zu Irlands berühmtem Stout immer noch ganz viel Restsüße schmeckbar, aber für tschechische Verhältnisse gilt dieses Bier fast schon als trocken.
Den Abschluss bildet ein Saisonbier, und zwar das Slavkovsko-Kolínské. 13% Stammwürze, obergärig gebraut. Wie der Name Kolínské schon sagt: Ein Kölsch! Wäre da nicht die durchaus deutlich spürbare Diacetylnote (in einem Obergärigen!), würde ich sagen: „Durchaus gelungen!“ So aber bleibt es bei der Bewertung, dass es sich um ein erfrischendes Sommerbier handelt, dass aber durch sein buttriges Aroma zu schnell überdrüssig macht. Ein großes Glas ist völlig ausreichend, dann hat man, obwohl es gut schmeckt, genug, und es entwickelt sich eine gewisse Trinkhemmung.
Fünf interessante Biere, leckeres Essen, sehr freundlicher Service. Es hat alles gepasst. Auch die schlichte, einfache Einrichtung ist in der Gruppe gut angekommen, so dass es heißt: Sollten wir wieder einmal beruflich hier in die Gegend kommen müssen, dann kehren wir hier gerne erneut ein.
Slavkovský Pivovar
Slavkov u Brna, auf deutsch Austerlitz, bekannt unter den Militärhistorikern seit dem 2. Dezember 1805, als Napoleon hier die vereinigten Armeen von Kaiser Franz I. und Zar Alexander I. besiegte.
Weit weniger bekannt ist, dass sich hier in Slavkov auch eine kleine Brauerei befindet, die Slavkovský Pivovar, die eigentlich jederzeit einen Besuch wert ist.
Eigentlich?
Eigentlich!
Denn zwei Mal haben wir hier schon unverrichteter Dinge umkehren müssen. Trotz vorheriger Überprüfung im Internet, ob denn wirklich auch geöffnet sei, ist es uns in der Tat zwei Mal gelungen, vor der Brauerei zu stehen und frustriert den kleinen Zettel an der Eingangstür zu lesen: „Heute geschlossene Gesellschaft“.
Außenansicht
Eine einzige, eine allerletzte Chance wollen wir der Brauerei aber noch geben, und so stehen wir am 30. April 2016, am Sonnabendnachmittag, erneut auf dem Parkplatz vor dem kleinen, einfachen Brauereigebäude mit der Aufschrift „Restaurace“. Stünde nicht links am Gebäude der alte Schornstein einer Mälzerei, nichts deutete zunächst auf eine Brauerei hin.
Wir gehen die paar Stufen zur Terrasse hoch, auf der ein paar Biertrinker in der warmen Sonne sitzen und ihr Bier genießen, und gehen durch die unauffällige Eingangstür. Kein Zettel warnt uns vor geschlossener Gesellschaft – endlich einmal Glück gehabt.
Staunend sehen wir uns im großen, gepflegten Schankraum um. So hätten wir das nicht erwartet. Recht großzügig und neu, ansprechende Holztische und Stühle, dicke, helle Holzbalken an der Decke, und alles hell und blitzsauber. So ganz anders, als die typischen, eher verrauchten und simplen tschechischen Bierhallen.
Blick in den Schankraum
Und in der Ecke steht aus glänzendem Edelstahl, lediglich die Brüdenabzüge aus Kupfer, das kleine Sudwerk. „Schmuck, schmuck!“, denke ich, insbesondere, weil ich gar nicht damit gerechnet habe, dass es sich hier um eine Gasthausbrauerei handelt. Der große Schornstein ließ eher auf eine Regionalbrauerei schließen.
Eine solche war es einst auch, erfahre ich nur wenig später, aber schon vor vielen Jahren war die einst erfolgreiche Brauerei aufgekauft und geschlossen worden; ihre Gebäude standen noch einige Jahrzehnte und wurden schließlich nach der politischen Wende vorübergehend anderweitig genutzt und schließlich abgerissen. Auch die alte Mühle mit dem Wasserrad, die hier gestanden hatte und an die der Straßenname „U Mlýna“, „Zur Mühle“, noch erinnert, verschwand, und übrig blieb lediglich der große Schornstein der Darre der brauereieigenen Mälzerei mit seiner typischen Metallhaube. Erst 2012 wurde die Tradition des Bierbrauens hier wieder aufgegriffen und die kleine, aber feine Gasthausbrauerei Slavkovský Pivovar eröffnet.
das Sudwerk
Wir nehmen Platz, und mein Blick fällt natürlich sofort auf die Kreidetafel mit dem Bierangebot. Neben den „üblichen Verdächtigen“, also hellem und dunklem Bier in den Stärken zwischen 10° und 12° stechen mir zwei Biere sofort ins Auge: Das T.N.T. und das IPA.
T.N.T.? Das kann doch nur nach der neuen Hopfenmischung von Barth so benannt sein? Und in der Tat, als das Glas vor mir steht, rieche ich sie schon, die fruchtigen Noten, süßlich, zitrusartig und grüne Beeren. Und nicht nur im Aroma, sondern auch im Geschmack finde ich diese Noten wieder. Sauber gebraut, ohne Fehlaromen, reichlich vom guten Hopfen genommen – ein sehr ordentliches Bier. Das Herz lacht!
T.N.T.
Dazu ein wunderbar zartes Steak mit Brechbohnen und Speck – eine tolle Kombination.
Ob das IPA ebenfalls dazu passt?
Und ob. Ebenfalls kräftig gehopft, knackig herb, aber nicht ganz so fruchtig wie das T.N.T. Stattdessen eher harzige und erdige Aromen. Während das T.N.T. mit seinen fruchtigen Noten in Richtung der amerikanischen Kreativbiere geht, handelt es sich beim IPA eher um ein klassisches englisches Bier. Ganz anders im Aromaprofil, lediglich die ausgeprägte Bittere hat es mit dem anderen Bier gemeinsam.
vorzügliches Essen
Zwei wunderbare Biere, ein ausgezeichnetes Essen, dazu eine schnelle und freundliche Bedienung, eine angenehme Atmosphäre – wir sind froh, nach zwei Fehlversuchen doch noch ein drittes Mal hergekommen zu sein, es hat sich wirklich gelohnt.
Die Slavkovský Pivovar befindet sich am Rand des Orts Slavkov, in einer ruhigen und auf den ersten Blick unattraktiven Gegend. Vom Bahnhof der Regionalbahn sind es etwa 700 m zu Fuß; kommt man mit dem Auto, kann man gratis im Innenhof parken. Geöffnet ist (wenn nicht gerade wieder geschlossene Gesellschaft ist) täglich durchgehend ab 11:00 Uhr; kein Ruhetag. Das hier gebraute Bier wird auch in PET-Flaschen abgefüllt zum Mitnehmen verkauft.
Slavkovský Pivovar s.r.o.
U Mlýna 1422
684 01 Slavkov u Brna
Tschechien
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