„Du, wenn wir heute sowieso einen schönen Spaziergang durch Łódź machen und die ganze Piotrkowska-Straße entlang laufen, können wir da einmal einen Abstecher zum Restaurant Esplanada machen? Das soll ein sehr schönes Jugendstilrestaurant sein – das möchte ich mir unbedingt anschauen!“
Na, diesen Wunsch meiner holden Ehefrau kann ich ihr natürlich nicht abschlagen, und ganz besonders leicht fällt es mir natürlich, darauf einzugehen, weil ich weiß, dass die Gasthausbrauereikette Bierhalle seit 2017 genau dort einen Ausschank hat – die Bierhalle Esplanada.
das Esplanada ist berühmt für seine Jugendstilfassade
Aus dem vor über hundert Jahren im Jugendstil erbauten Konfektionsgeschäft wurde im Laufe der Jahrzehnte ein Café, ein Warenhaus, ein genossenschaftliches Handelshaus (SDH – Spółdzielczy Dom Handlowy), ein Restaurant und schließlich ein Brauereiausschank. Was all die Jahre blieb, war die schöne Jugendstilfront – auch wenn man sich besonders in Zeiten von Krieg und Sozialismus viel Mühe gegeben hat, sie zu verschandeln.
Es ist ein gutes Stück Fußweg, bis wir schließlich vor der Bierhalle Esplanada stehen. Viel los ist noch nicht, und so haben wir freie Platzwahl. Das Interieur ist ansprechend – wie der Name Bierhalle schon signalisiert, geht es hier um klassische, bayerische Wirtshauskultur. Robuste Holztische und -bänke, die Bedienungen im Dirndl und die Tischdecken selbstverständlich in blau und weiß.
Der Blick in die Karte zeigt: Auch die Biere sind sehr bayerisch geprägt. Es gibt Hefeweizen, Märzen, ein Pilsner und eine Dunkle Weiße. Nicht ganz so original-bayrisch wirkt das Angebot, jede dieser Biersorten, also auch die Weißbiere, im Maßkrug bestellen zu können. Habe ich zwar mittlerweile auch in Deutschland schon so gesehen, aber üblich ist das nicht.
vier winzige Bierkrüge zu je 0,125 l
Na gut, denke ich mir, wenn die Glasgröße unbayerisch sein darf, dann ist es auch in Ordnung, wenn ich mir von jedem der vier Biere ein Probierglas bestelle – ein Achtel. Augenblicke später stehen vier winzige Bierkrüge zu je 0,125 l vor mir. Schön!
Bevor ich mit der Verkostung beginne, kommt aber erst noch die Auswahl dessen, was wir dazu essen möchten, und hier zeigt sich die Karte dann nicht ausschließlich bayrisch. Neben solider süddeutscher Kost wie Haxen oder Rippchen finden sich nämlich auch polnische und – der politischen Situation und der Solidarität geschuldet – auch ukrainische Spezialitäten: Pierogi, Żurek und Pelmeni.
Bayerisch können wir noch den ganzen Lebensabend genießen, also genießen wir heute polnisch, entscheiden wir und bestellen uns Żurek und mit Hackfleisch gefüllte Piroggen. Schmeckt beides klasse, aber es wäre schon schön gewesen, wenn es auch für’s Auge arrangiert gewesen wäre. Die acht Piroggen kamen direkt aus der Pfanne auf den weißen Teller, und dann war’s das. Keine Verzierung. Noch nicht einmal im Muster arrangiert wurden die acht Teigtaschen.
Ähnlich mit der Sauermehlsuppe. Eine große Kelle davon in einen riesigen Teller, und die Weißwurstscheiben und das halbe gekochte Ei schwimmen irgendwo darin herum.
ansprechende Dekoration
Schade, denn gerade weil das Restaurant sonst so auf eine ansprechende Dekoration setzt, fällt das natürlich besonders auf.
Aber zurück zum Bier: Das 4,9%ige Pils schmeckt erfrischend. Ein gutes und solides Alltagsbier, auch wenn es aus meiner Sicht durchaus noch ein wenig mehr Hopfen hätte vertragen können.
Das 4,8%ige Weizen begeistert mich. Wunderbare Bananenaromen, eine herrlich saftige Textur, ein sehr ausgewogenes Aroma – lediglich der etwas zu kurze Abgang verhindert eine 5-Sterne-Wertung.
Am genau entgegengesetzten Ende der Skala das Dunkelweizen. 4,9% Alkohol und ein muffiger Geruch mit Noten von Ammoniak und Schwefel, die ein wenig an eine schon lang nicht mehr geputzte Toilette erinnern. Leider untrinkbar. Was da wohl schiefgegangen ist?
Das Marcowe, also das Märzen, versöhnt dann wieder. Stiltypisch und mit 5,8% Alkohol auch recht kräftig bildet es einen schönen Abschluss der Verkostung. Würden wir jetzt noch länger hier sitzen, wäre die Entscheidung schwierig, ob ich mit dem Weizen (dem hellen natürlich …) oder dem Märzen weiter trinken sollte.
Aber wir wollen von Łódź ja noch mehr sehen, insofern mache ich jetzt nur noch einen kleinen Rundgang durch den Schankraum und schaue mir die anderen gemütlichen Ecken an. Als Blickfang hängt an der Rückseite des Schankraums eine große Wurstuhr – soll heißen, eine Uhr, bei der die Stunden in römischen Ziffern dargestellt sind, deren Striche durch dicke Bratwürste geformt werden.
Ein schneller Blick zeigt: Am leckersten ist es wohl um acht Uhr, wenn sich immerhin fünf Würste auf dem Teller zu einer VIII formen.
Wie spät ist es? Viertel vor Wurst!
Zufrieden mit einer wirklich von Herzen kommenden Freundlichkeit der jungen Dame im Service und mit dem Ambiente verlassen wir die Bierhalle Esplanada wieder. Wegen dem Essen und dem Bier muss man nicht extra kilometerweit laufen, um hierher zu kommen – das gibt es in vergleichbarer Qualität fast an jeder Straßenecke. Trotzdem ein netter Besuch.
Die im schönen und historischen Jugendstilbau Esplanada untergebrachte Bierhalle Esplanada ist täglich ab 10:00 Uhr durchgehend geöffnet (Frühstück gibt’s bis 14:00 Uhr); kein Ruhetag. Sie liegt an der ulica Piotrkowska, der unendlich langen Flaniermeile, die sich kilometerweit von Nord nach Süd durch Łódź zieht, ist mithin problemlos zu Fuß oder per Straßenbahn erreichbar. Von der Haltestelle Kościuszki / Struga (0392) sind es rund hundert Meter zu Fuß in Richtung Osten.
Bierhalle Esplanada
ulica Piotrkowska 100
90-004 Łódź
Polen
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