Nein, Kołobrzeg ist nun wirklich keine schöne Stadt, da sind wir uns einig. Eine halbe Stunde sind wir durch die Stadt gelaufen, die im Krieg fast völlig zerstört worden war und die nun eigentlich nur noch aus Bausünden des Wiederaufbaus und Bausünden des Massentourismus besteht. Riesige Betonklötze, egal, wohin man schaut. Nur der Strand ist schön.
Und der alte Wasserturm am Rande dessen, was irgendwann mal die Altstadt war. Dicke rote Ziegel, eine gedrungene, runde Form, fast schon wie ein Wehrturm aussehend. Colberg steht dran, mit „c“. Angeblich eine kleine Brauerei.
Colberg – Kołobrzeska Fabryka Piwa
Wir erklimmen eine Treppe, die ins erste Stockwerk führt, und kommen in einen urigen, gemütlich wirkenden Schankraum, in dem sich nur ganz wenige Gäste verlieren. „Eigentlich sind wir ausreserviert, gleich kommt eine Reisegruppe, aber für Euch drei finde ich noch ein Plätzchen“, begrüßt uns die junge Dame im Service und platziert uns unweit der Theke so, dass ich einen schönen Blick in den Raum habe und die zahlreichen Schwarzweißfotografien aus der Geschichte der Stadt betrachten kann.
Was ich allerdings nicht sehe, das sind Braukessel. Ist Colberg also trotz des Namens Kołobrzeska Fabryka Piwa (Kolberger Bierfabrik) gar keine Brauerei?
Die wie eine Zeitung gestaltete Karte gibt rasch Auskunft: Hier soll erst noch eine Brauerei eingerichtet werden, und bis dahin entstehen die Biere der Marke Colberg „in einer befreundeten Brauerei nach eigenem Rezept“.
Na gut, glauben wir das mal.
Sechs verschiedene Fassbiere bietet die Karte an, und unten links ist auch ein Testbrett im Angebot. „Können wir das drei Mal haben?“, frage ich höflich und bekomme ein lachendes „Na klar!“ zur Antwort. Keine lange Diskussion, dass drei Testbretter ja nun schon achtzehn kleine Biere bedeutet und somit viel Arbeit beim Zapfen und Spülen bedeutet, sondern einfach nur ein „Na klar!“. Wie schön!
ein hölzernes Kränzchen mit sechs Gläsern
Es dauert nicht lang, bis die hölzernen Kränzchen mit jeweils sechs Gläsern serviert werden, und die Überraschung ist groß: Fünf Gläser Bier, ein Glas Wasser. Fragend schauen wir die junge Dame an.
„Ja, das Pils ist nicht Bestandteil des Verkostungsbrettchens, stattdessen gibt es ein Glas mit Wasser, um zwischen den verschiedenen Sorten die Zunge frei zu spülen“, lacht sie.
Na gut, sei’s drum, fangen wir halt mit der Verkostung an.
Bier Nummer 1 ist das Pszeniczne, ein 5,3%iges Hefeweizen. Hellgelb, schön trüb, bisschen wenig Schaum. Vorsichtiges Schnuppern, ein erster Schluck, und … untrinkbar! Völlig sauer. Na, das ist jetzt kein guter Auftakt.
Bier Nummer 2, das Niefiltrowane, also ein Unfiltriertes, folgt. 6,0% hat es und steht blitzblank, wie filtriert im Glas. Das klarste Niefiltrowane, das ich je getrunken habe. Ebenfalls fast kein Schaum. Stattdessen ein dickes, fast schön ölig wirkendes, dick buttriges Diacetylaroma. Auch keine Offenbarung.
Das dritte Bier nennt sich Classic, hat 5,7% Alkohol, und wartet neben einer optischen Ähnlichkeit mit dem Niefiltrowane ebenfalls mit einem, wenn auch nicht ganz so stark ausgeprägten Diacetyl-Aroma auf. Drei von fünf Bieren, und noch keines hat etwas getaugt.
Mit dem 6,0%igen Black wird es geringfügig besser. Zwar weist es die in der Karte beworbenen Kaffeearomen nicht auf, sondern ist malzig und süß, aber im Stil eines tschechischen Tmavé würde es durchaus passen. Mich erinnert es sehr an das berühmte U Fleků aus Prag. Na, immerhin.
Den Verkostungsreigen beschließt das 6,3%ige IPA. Kräftig orangefarben, trüb, wenig Schaum und mit viel klassisch-harzigem Hopfenaroma erweist es sich als recht ordentlicher Vertreter seines Stils und versöhnt uns ein wenig – aber nur ein wenig. In der Summe sind wir trotzdem enttäuscht.
„Wollen wir trotzdem noch das Pils probieren?“, frage ich meine Kollegen und ernte bestätigendes Nicken. Welch bemerkenswerter Optimismus!
Das Bier kommt jetzt in einem normalen 0,3-l-Krug, und ist mit 4,2% Alkohol zwar recht schwach, ansonsten aber durchaus stiltypisch. Glück gehabt, denn so können wir das größere Glas ohne weitere Probleme austrinken.
„Ich hätte da noch eine Überraschung für Euch, die nicht in der Karte steht“, lacht uns die junge Kellnerin an. „Ein Porter, das ist aber ganz stark, zwölf Prozent, und nur in der Flasche erhältlich!“
„Aber wir können uns die Flasche doch auf drei Gläser aufteilen, oder?“, frage ich und bekomme wieder ein fröhliches „Na klar!“ zur Antwort.
Pils & Mroczny Porter
Na, dann beschließen wir die Verkostungsrunde mit einem zwölfprozentigen, tiefschwarzen und überraschend bitteren und trockenen Porter. Knackig, aber es gefällt uns. Mroczny Porter – das Dämmerungs-Porter. Den Namen muss ich mir merken, das kann man durchaus auch mal wieder kaufen, wenn es mal irgendwo im Bierregal im Geschäft stehen sollte.
Inzwischen ist der Schankraum knallvoll, bis auf den letzten Platz besetzt. Eine dänische Reisegruppe ist wohl mit dem Bus gekommen, und jeder, wirklich jeder bestellt das Verkostungsset. „Na klar!“, heißt es, und ‘zig Verkostungssets werden gezapft und an die Tische gebracht. Ohne Murren. Auch wenn der Zapfkellner zwischendurch in den Keller flitzen muss, um noch mehr Probiergläser zu holen.
Geht doch!
angenehme Atmosphäre
Trotz der ansteckend guten Laune der jungen Dame und der schönen Atmosphäre sind wir aber enttäuscht. Wegen des Biers braucht man hier nicht einzukehren – das ist durchweg enttäuschend, wenn wir mal vom Mroczny Porter absehen. Die zum Bier bestellten Salzstangen gab’s auch nicht („Die sind leider aus …“). Keine wirkliche Empfehlung also.
Vielleicht wird es in Zukunft besser, wenn hier tatsächlich ein eigenes Sudwerk installiert und in Betrieb genommen wird? Wer weiß …
Der Ausschank des Projekts Colberg – Kołobrzeska Fabryka Piwa im alten Wasserturm ist täglich von 11:30 Uhr bis Mitternacht durchgehend geöffnet; montags ist zu. Zu erreichen ist der Wasserturm von der Mole oder vom Bahnhof aus in jeweils zehn Minuten zu Fuß. So groß ist Kołobrzeg nicht …
Colberg
Kołobrzeska Fabryka Piwa
Budowlana 6
78-100 Kołobrzeg
Polen
Das Colberger Black war im 18. Jh. ein eigener Bierstil. Leider ist bis auf die Farbe sehr wenig darüber überliefert, und man kann davon ausgehen dass das heutige Bier nicht viel mit dem Original gemein hat.
Hallo, Rob,
herzlichen Dank für Deinen Kommentar und sorry für meine verspätete Reaktion.
Vermutlich hast Du recht – wenn außer der Farbe keine weiteren Informationen überliefert sind, wird sich das Bier mit dem Stand der Technik weiterentwickelt und sensorisch vermutlich weit vom Original entfernt haben.
Mit bestem Gruß,
VQ