„Wow!“ Meine holde Ehefrau und ich schauen uns beeindruckt an. Eine so ansprechend eingerichtete und piekfein sortierte Bier-Botique haben wir nicht nur nicht erwartet, sondern überhaupt bisher nur selten gesehen. Wunderbar sortiert, perfekt ausgerichtet, sorgfältig beschriftet – hunderte von spannenden und interessanten Bieren begrüßen uns in den Regalreihen des Shops La Beerotek in Versailles.
Gerade hatten wir noch schräg gegenüber auf der Terrasse eines Restaurants gesessen und zu Mittag gegessen, als uns der Schriftzug La Beerotek auffiel. „Wollen wir mal reinschauen?“
La Beerotek
Einmütiges Nicken, wenn auch im Bewusstsein, dass wir hier mit Sicherheit nichts einkaufen werden. Die Kühlschränke daheim sind prall mit interessanten Bieren gefüllt, mehr ist schon per Post unterwegs, und zahlreiche Reisen werden mich daran hindern, die Vorräte durch fleißiges Verkosten zu reduzieren.
„Nur kurz reinkucken, nichts kaufen, ein nettes Schwätzchen mit dem Eigner führen und ihn auf ein nächstes Mal vertrösten, okay?“
Okay!
Jetzt stehen wir im Eingangsbereich und kriegen unsere Münder nicht mehr zu. Und da kommt auch schon der nette Eigner auf uns zu. Wir stottern ein wenig auf Französisch, aber er schaltet sofort auf fließendes Englisch um und fragt uns nach unseren Wünschen.
„Also, eigentlich wollten wir uns nur mal umschauen“, fange ich an, aber meine Frau unterbricht mich sofort: „Wir suchen ein feines fassgereiftes Bier, ein Barrel Aged Imperial Stout, oder so was. Etwas zum ganz langsam genießen“, erklärt sie ihm und schiebt mich beiseite.
Mein Protest fällt sehr zaghaft aus, und nach einem kurzen Moment folge ich den beiden, ein breites Grinsen im Gesicht.
ein tolles Angebot, ansprechend präsentiert
„Madame, hier haben wir ein ganzes Regal mit Barrel-Aged-Bieren – was darf es denn für eine Vorbelegung für das Imperial Stout sein? Bourbon, Rotwein, Tequila, Calvados, Rum … Oder vielleicht statt des Imperial Stouts doch lieber einen Barley Wine?“
Der Verkäufer grinst breit, als er sieht, wie es hinter der Stirn meiner Frau zu arbeiten anfängt.
Sie schaut mich an, schaut auf meinen Rucksack, und ich kann sehen, wie sie überlegt, wie viel Bier da wohl noch reinpasst.
Diesmal bin ich der Vernünftigere und schüttele den Kopf.
Sie wendet sich wieder an den Verkäufer: „Also, Calvados, das täte mich interessieren. Gibt es da Produkte von verschiedenen Brauereien?“
Der Verkäufer lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. „Aber natürlich!“ Ich staune. Solche speziellen Wünsche, und immer noch gibt es Alternativen. „Zwei verschiedene in Calavados-Fässern gereifte Imperial Stouts habe ich, beide von kleinen, aber guten französischen Brauereien!“
So kommt es, wie es kommen muss: Wir kaufen beide Flaschen und werden in den nächsten Tagen mal eine Parallelverkostung machen und die Biere direkt miteinander vergleichen.
Es bleibt aber wirklich bei diesen beiden Flaschen. Ein Rest von Vernunft hat gesiegt.
Wir schauen uns noch ein wenig um, nehmen hier mal eine Flasche in die Hand, bestaunen da noch eine Rarität. Neben hunderten von verschiedenen Flaschen- und Dosenbieren stehen hier auch zahlreiche Zapfanlagen – die Beerotek scheint also regelmäßig auch Feste und Feiern zu bestücken. Und ein paar kleine Kühlschränke entdecken wir auch noch – man sich hier also gerne auch ein Wegbier mitnehmen, für den Genuss im nahegelegenen Park, direkt am See, zum Beispiel.
Genuss im bequemen Ledersessel
Oder vielleicht in dem dicken und sehr bequem aussehenden Ledersessel, der in der Nische zwischen den Bierregalen steht und zum Verweilen einlädt?
Aber nicht heute …
Der Bottleshop La Beerotek in Versailles ist täglich von 10:30 bis 13:30 Uhr und von 15:00 bis 19:30 Uhr geöffnet. Mittwochs ist durchgehend geöffnet, ohne Mittagspause, und sonntags und montags ist zu. Zu erreichen ist der Laden in drei Minuten zu Fuß vom Bahnhof Versailles Château Rive Gauche, und auch wenn man einen Tag im Schloss und den Gärten verbracht hat, ist es ebenfalls nur ein Fußweg von drei Minuten vom Schlosstor aus.
La Beerotek
17 Rue de Satory
78 000 Versailles
Frankreich
P.S. Und natürlich haben wir die Parallelverkostung auch tatsächlich gemacht:
Verkostungsnotizen
Parallelverkostung
La Débauche – Demi Mondaine – Bière Imperial Stout – Calvados Barrel Aged (11,0%)
„La Demi Mondaine est un Imperial Stout brassé avec de grain de café, du cacao et du lactose. Cette version a été vieillie plusieurs mois dans des barriques ayant contenu du calvados.“
Das Bier ist tiefschwarz, ganz leicht trüb (aber das merkt man nur beim tröpfchenweisen Einschenken) und trägt eine sehr kremige, sahnige, hellbraune Schaumschicht, die für ein Bier dieses Alkoholgehalts verhältnismäßig lange hält.
Der Duft präsentiert recht deutliche, ganz feine Calvadosaromen auf einem leicht röstmalzigen Untergrund.
Der viskose, fast schon klebrige Antrunk zeigt eine ganz feine Schärfe und leitet über zu einem ebenso viskosen, leicht klebrigen und sehr süßen Eindruck auf der Zunge. Dieser wird allerdings nicht zu heftig – eine schöne Röstbittere gleicht die Klebrigkeit ein wenig aus, so dass ich mich voll auf die retronasalen Aromen konzentrieren kann: Calvadosnoten, leicht alkoholische, aber nicht spritige Akzente, ein Hauch von Bitterschokolade im Hintergrund und nur ganz flüchtige Röstaromen. Ein sehr schönes und komplexes Wechselspiel.
Nach dem Schluck bleibt die Süße noch ein Weilchen haften, die Calvadosaromen halten sich von allen Noten am längsten, und im Hals macht sich eine feine alkoholische Wärme breit.
O’Clock Brewing – Baden Power Barrel Aged Serie – Imperial Stout Calvados Barrel Aged (11,5%)
„La série Baden Power est une gamme de bières vieillies en barrique de bois. Au delà du simple vieillissement, nous sélectionnons nos barriques en fonction de leur histoire, en fonction de ce qu’elles ont déjà contenu. Ainsi, nos recettes sont enrichies par le passé de la barrique et offer à cette série un caractère unique et original …“
Das Bier ist ebenfalls tiefschwarz, ganz leicht trüb (was man auch nur beim tröpfchenweisen Einschenken bemerkt) und entwickelt einen etwas gröberen, nicht ganz so lange haltbaren, farblich aber vergleichbaren Schaum.
Der Duft ist deutlicher calvadosbetont. Die komplexen alkoholischen Aromen, ein intensives Aroma von roten Äpfeln und nur ganz dezente Röstaromen prägen ihn.
Der Antrunk ist deutlich weniger viskos, und auf der Zunge spielt zunächst fast ausschließlich der Calvados die erste Geige. Erst nach einem Moment kommen Röstaromen hinzu; sie sind weniger schokoladig oder kakaoartig als beim vorherigen Bier und wirken dadurch etwas rauer, im direkten Vergleich fast schon etwas kratzig. Dafür sind die Calvadosaromen auch retronasal deutlich prägnanter, viel direkter und nicht so subtil.
Nach dem Schluck verschwindet die Süße hier rasch, es bleibt eine leicht raue Röstbittere, vor deren Hintergrund sich der Calvados nicht ganz so harmonisch-lieblich, sondern eher alkoholisch direkt präsentiert. Wie beim vorherigen Bier auch ist eine feine alkoholische Wärme im Hals zu spüren.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar