Piwnica pod Galerią
Stargard
POL

„Ich brauche jetzt dringend ein Bier – ich bin dehydriert und unterhopft“, schimpft Bierpapst Conrad Seidl gegen Ende eines kleinen Spaziergangs mit unseren Frauen durch das westpommersche Stargard. Unser Besuch in der Miejski Browar Stargard liegt zwar erst eine gute Stunde zurück, aber wenn er meint …

„Außer der Brauerei, in der wir eben waren, kenne ich hier aber noch keine guten Adressen“, erkläre ich ihm und ergänze: „Wir können nur auf gut Glück in irgendeine Bar oder Kneipe gehen.“

„In die da?“ Conrad weist auf ein Hinweisschild am Marktplatz. Piwnica pod Galerią steht dort. „Piwnica, das hat doch irgendwas mit Bier zu tun, oder?“, mutmaßt er.

Piwnica pod Galerią

In der Tat. Piwnica heißt Bierkeller, also stiefeln wir jetzt die schmale und steile Treppe in den Bierkeller unter der Galerie hinunter. Wir kommen in eine kleine, nette Bar. Kein Gast weit und breit, nur der Barmann wischt grade die Theke nass ab und räumt ein wenig auf.

„Hier ist aber schon geöffnet, oder?“, frage ich, und ohne aufzuschauen murmelt der Barmann: „Ja, ja, ich kümmere mich gleich um Euch!“

Die Damen setzen sich schon mal, während Conrad und ich uns an die Theke stellen. Der Barmann verräumt seinen Putzlumpen und schaut auf: „Was darf ich Euch anbieten?“

Und dann, ganz verdutzt: „He, wir kennen uns doch!“ In Windeseile kommt er um die Theke herum und haut mir auf die Schulter. Artur Słowik – ein polnischer Hausbrauer, den ich von den regelmäßigen Treffen der westpommerschen Sektion der Polnischen Hausbrauervereinigung PSPD (Polskie Stowarzyszenie Piwowarów Domowych) kenne. „Das ist ja eine Überraschung!“

„Und das ist der Bierpapst Conrad Seidl,“ deute ich auf meinen Nachbarn, und Artur nickt: „Dich habe ich natürlich auch schon gesehen, bei Facebook, oder so! Das ist ja eine Freude, Euch hier zu haben!“

So ein schönes Treffen: Volker, Conrad & Artur

Noch bevor er uns ein Bier anbietet, heißt es aber: „Kommt mal mit!“, und er zieht uns die steile Treppe wieder hoch. Oben angekommen, laufen wir einmal um den Häuserblock herum zur Rückseite des Gebäudes. „Kuckt mal, ich habe das alte Offizin wieder aufgebaut, und ratet mal, was da drin jetzt entsteht: Ein Brauerei!“ Artur platzt fast vor Stolz.

„Drei Hektoliter, aber mindestens ein Lagertank soll sechs fassen, für einen Doppelsud, damit ich ein Bier habe, was ich als Basisangebot zapfen kann, für die ‚normalen‘ Biertrinker. Ihr seht drinnen noch nichts, das ist noch Baustelle, aber spätestens im Mai soll in der Piwnica pod Galerią das erste vor Ort gebraute Bier ausgeschenkt werden!“

Was für schöne Nachrichten – da werden wir, absolut vom Zufall geleitet, doch tatsächlich Zeuge der ersten Schritte einer neuen Gasthausbrauerei!

der Rohbau steht schon mal

Zurück im Bierkeller müssen wir darauf natürlich anstoßen.

Conrad entscheidet sich zunächst für ein Grodzisk White IPA und anschließend noch für ein „normales“ Grodziskie. Dieser spezielle polnische Bierstil war vor rund fünfzehn Jahren quasi ausgestorben, als die Brauerei in Grodzisk ihre Pforten für immer schloss. Das mit gerade mal drei Prozent Alkohol sehr leichte Rauchweizenbier mit extrem hoher Spundung und einer feinen, erfrischenden Säure verschwand von einem Tag auf den anderem vom Markt. Es war nur noch in Grodzisk Wielkopolskie selbst gebraut worden – die Hochzeit dieses Bierstils, während der Grodziskie oder deutsch benannt Grätzer überall in Polen und im Großraum Berlin gebraut und getrunken wurde, war schon lang vorbei.

Lediglich ein paar Haus- und Hobbybrauer versuchten sich unverändert an diesem Bierstil, und ehemalige Mitarbeiter der Brauerei in Grodzisk stellten sich gerne als Juroren bei den entsprechenden Hausbrauwettbewerben zur Verfügung.

das Original Piwo z Grodziska

Erst vor wenigen Jahren fand sich ein Investor, der in Grodzisk auf dem alten, längste geplünderten Gelände eine neue Brauerei errichtet, und mittlerweile gibt es sowohl das Original-Grodziskie als auch ein paar kreative Abwandlungen wieder in den guten Getränkemärkten.

Conrad ist zufrieden. Das Original Grodziskie aus der Flasche ist stilecht, erfrischend und fein rauchig, während das deutlich alkoholstärkere Grodziskie White IPA vom Fass neben den ausgeprägten Hopfenaromen auch mit einer interessanten, aber eigentlich nicht beabsichtigten Diacetyl-Note aufwartet und einen recht deutlichen buttrigen Geschmack aufweist.

Tja, und ich? Als Fahrer bleibt mir heute nichts anderes übrig, als ein Alkoholfreies zu bestellen. Aber Artur hat einen guten Tipp: „Schau mal, ich habe von Kormoran das 1 na 100, ein Bier mit einem Prozent Alkohol. Spannend mit amerikanischen Aromahopfen gestopft, schmeckt das richtig gut, fast wie ein ‚richtiges‘ Bier!“

Den Vorschlag greife ich gerne auf, und in der Tat: Ein hopfenaromatisches, erfrischendes und gar nicht süßlich-getreidig wie sonst schmeckendes, fast alkoholfreies Bier. Sehr schön!

Unseren holden Ehefrauen bin ich damit ein Vorbild. Neben ihrem Mineralwasser bestellen sie sich ebenfalls dieses extrem niedrig-alkoholische Bier.

Kormoran – 1 na 100

Es bleibt noch ein wenig Zeit, die in der Bar ausgestellten Bilder zu betrachten – ansprechende erotische Kunst – bevor wir uns wieder auf den Weg machen.

Artur bekommt noch ein handsigniertes Exemplar des Beer Guides von Conrad überreicht, und dann trollen wir uns. Natürlich nicht ohne das Versprechen, dass zumindest ich im Mai bei der Eröffnung von Arturs Brauerei dabei sein werde!

Die Piwnica pod Galerią ist eine ansprechende, kleine Keller-Bierbar direkt am Marktplatz der Stadt Stargard. Sie Craftbierbar zu nennen, wäre übertrieben, aber es gibt interessante und vom Standardangebot der Industriebrauereien abweichende Biere vom Fass und eine nette Auswahl von zusätzlichen, ebenfalls interessanten Flaschenbieren. Und bald schon, ab Frühjahr nächsten Jahres, das eigene, selbstgebraute Bier!

Die Piwnica pod Galerią ist täglich ab 18:00 Uhr geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen ist sie ganz einfach: Sie liegt direkt am Altstadtmarkt (Rynek Staromiejski), zwischen Rathaus und Marienkirche. Möchte man mit dem Auto kommen und nur das einprozentige Bier trinken, dann kann man hundert Meter weiter nördlich sein Auto kostenfrei auf dem großen Innenstadtparkplatz abstellen.

Bildergalerie

Piwnica pod Galerią
Rynek Staromiejski 4
73-110 Stargard
Polen

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