Raf Meert: Sieben Aspekte des Lambiks
Раф Мірт: Сім Іпостасей Ламбіку

Ein kleines Heftchen ist es nur, rund vierzig Seiten dick. Ich habe es von einer ukrainischen Freundin, Lana Svitankova, einer der besten Bier-Sensorikerinnen, die ich kenne, geschenkt bekommen.

Raf Meert: Sieben Aspekte des Lambiks
Раф Мірт: Сім Іпостасей Ламбіку

Es ist eine Ausarbeitung von Raf Meert, in der der Autor aus sieben verschiedenen Blickwinkeln auf den urbelgischen Bierstil des Lambiks schaut und mich aufgrund der ukrainischen Übersetzung, in der ich dieses Heft bekommen habe, erstmal vor ein Rätsel stellt: Wie übersetze ich den Begriff Іпостаз, Hypostase? Sieben Erscheinungsformen? Sieben Vergegenständlichungen? Sieben Blickwinkel? Sieben Aspekte?

Ich weiß es nicht.

Was ich aber weiß, ist, dass dieses Heft sich in sieben Kapiteln und einer Einführung diesem Bierstil auf extrem interessante Weise nähert.

Versuchen wir doch mal eine kurze Wiedergabe dessen, um was es geht:

Das Kapitel 0, die Einführung, ist eigentlich schon der erste Paukenschlag: Raf Meert behauptet nämlich, dass er, nachdem er sich mit der Geschichte des Lambiks 2011 zu beschäftigen begonnen hat, rasch feststellte, dass das, was die Brauer und Werbefuzzis über diesen Bierstil erzählen, in erster Linie folkloristisches Marketinggewäsch ist und die Geschichte des Lambiks eigentlich ganz anders zu sehen wäre. Wie, das kommt in den sieben Kapiteln heraus, die ihrerseits eine Zusammenfassung von Raf Meerts rund vierhundert Seiten dicken Buchs „Lambic – The Untamed Brussels Beer“ sind.

Kapitel 1 – Bier zum Lagern

In diesem Kapitel analysiert Meert die drei historischen Brüsseler Bierstile Braunbier, Weißbier und Gelbbier und arbeitet heraus, wie aus diesen irgendwann das Lambik entstand – und zwar als ein Bier, das lange Zeit lagerfähig war und jahrelang nicht verdarb, sondern sogar weiter reifte. Letzteres ermöglichte ein wirtschaftlicheres Brauen, denn es wurde üblich, Bier genau dann in großen Mengen zu brauen und einzulagern, wenn das Getreide billig war, um es später, wenn Braugetreide wieder knapp wurde, verkaufen zu können.

Kapitel 2 – Luxusartikel

Im Gegensatz zu einfachem Tafelbier, also Bier mit niedrigem Alkoholgehalt, das täglich zu allen Mahlzeiten getrunken wurde, war Lambik eher ein luxuriöser, hochpreisiger Artikel – einer, dessen Preis in erster Linie vom Alkoholgehalt abhing, postuliert Raf Meert im zweiten Kapitel und räumt in einem Aufwasch auch gleich mit der Mär auf, dass Faro nur ein verdünntes und mit Kandis aufgezuckertes Lambik sei. Im Gegenteil: Es sei ein königliches Bier höchster Qualität und sei daher nach dem ägyptischen Pharao benannt worden. Ein pharaonisches Bier! Erst die beiden Weltkriege führten zu einem Wandel im Konsumenteninteresse und dann zum Verfall des Faro vom Qualitätsbier zum Billigbier, während gleichzeitig viele Lambikbrauer zu Geuzestekern, also zu Blendern wurden.

Kapitel 3 – Blenden

Das Blenden, also das Verschneiden von Lambiks hat drei verschiedene Dimensionen, stellt Meert fest: Zum einen das Verschneiden von Würzen unterschiedlicher Stärke vor der Vergärung, dann das Mischen vor dem Verkauf, um Qualitätsunterschiede auszugleichen, und schließlich das Verschneiden unterschiedlich alter Jahrgänge. Jede dieser drei Dimensionen erläutert der Autor ein wenig genauer.

Kapitel 4 – Bier für den Export

Bereits kurz nach den ersten Erwähnungen von Lambik und Geuze im achtzehnten Jahrhundert wurden diese Biere zu einem Exportschlager. Der wirtschaftliche Erfolg wuchs, und der Export nach Übersee ebenfalls. Erst im Zuge der Weltkriege ließ die Beliebtheit dieser Biere im Ausland nach, und es dauerte bis in die siebziger und achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts, bis Lambik wieder zu einem renommierten Bierstil wurde, der insbesondere eine uralte und sehr regionale Tradition seiner Herstellung verkörperte, so Meert im vierten Kapitel.

Kapitel 5 – Lokales Bier

Ursprünglich sei Lambik ein Bier gewesen, das ausschließlich aus Brüssel stammte, und erst mit den Jahrzehnten sei der Radius um den Stadtkern herum, in dem Lambik gebraut werden konnte und durfte, immer mehr erweitert worden, postuliert Meert. Und auch wenn bis in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts hinein immer wieder versucht wurde, Lambik als ein strikt regionales Produkt zu etablieren, scheiterten diesbezügliche Anstrengungen regelmäßig an Einsprüchen von Lambikbrauern, die ihre Biere außerhalb der betrachteten Region produzierten. Im Endergebnis wird Lambik zwar grundsätzlich mit dem Payottenland und dem Tal des Senneflusses südlich von Brüssel assoziiert, darf aber bei Einhaltung gewisser Mindestqualitätsstandards auch woanders hergestellt werden.

Kapitel 6 – Landbier

Im sechsten Kapitel analysiert Meert die Rolle von Lambik als „Landbier“ (im Gegensatz zu in der Stadt gebrautem Bier). Hier spielt die Abwanderung von städtischen Brauereien zuerst an den Stadtrand, später ins dörfliche Umland, eine große Rolle. In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts begann dieser Prozess – so konsequent, das bis 1970 nur noch drei städtische Brauereien verblieben waren. Begünstigt wurde dieser Prozess zum einen dadurch, dass das Brauen von Lambik auch mit verhältnismäßig simpler Technik vonstattengehen kann, zum anderen, dass in der Stadt zunehmend Lagerbiere (Eurolager) in Mode kamen. Auch der Tagestourismus der Städter, die an Sonntagen gerne ins Umland fuhren und sich hier dann etwas Besonders, etwas Lokales gönnen wollten, Lambik nämlich, spielte hier eine Rolle.

Kapitel 7 – Mythos

Offensichtlich das Lieblingskapitel des Autors. Hier räumt er mit Mythen und Geschichten rund um das Lambik auf, die seiner Meinung nach in erster Linie erzählt werden, um das Marketing zu verbessern. So schön und unterhaltsam sie sich auch lesen, so falsch sind sie oft auch. Nationalismus, Nostalgie, Marketing sind die Stichworte, mit denen sich der Autor näher beschäftigt.

Sieben Aspekte, unter denen Raf Meert den unzweifelhaft historischen Stil betrachtet und in kurzen Kapiteln analysiert und beschrieben hat. Ein kleines Heftchen nur, aber sehr informativ und lesenswert!

Dankeschön, Lana, für dieses Geschenk!

Raf Meert: Sieben Aspekte des Lambiks
Раф Мірт: Сім Іпостасей Ламбіку
Eigenverlag
Brüssel, 2024
ISBN: ohne

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