Mitbringsel
sind immer willkommen (11)

[Blick zurück auf Februar 2025]

Das erste und letzte Mal unter dieser Adresse …

So kurz habe ich noch nie irgendwo gewohnt. Aber das Neubaugebiet in Kronsrode war leider ein Fehlgriff. So packen wir nach weniger als einem halben Jahr schon wieder unsere Siebensachen und ziehen weiter.

Natürlich muss die alte Wohnung, auch wenn wir uns in ihr nicht wohlgefühlt haben, trotzdem wieder hergerichtet werden. Kaum ist der letzte Pinselstrich gemacht, das letzte Zimmer gesaugt und gefeudelt, das letzte Fensterglas poliert, klingelt es an der Tür. Der liebe Herr R. steht vor der Tür, in der Hand eine leuchtend rote Einkaufstasche: „Na, dann kann ich Eure Wohnung ja wenigstens einmal kurz sehen, auch wenn die Zeit bisher gar nicht gereicht hat, Euch richtig zu besuchen“, lacht er und drückt mir eine rote Einkaufstasche in die Hand. „Hier, für Dich. Prost!“

Er dreht sich einmal um die eigene Achse. „Habt Ihr gut renoviert. Man sieht gar nicht, dass hier mal jemand gewohnt hat.“ Spricht’s und geht …

Und ich habe jetzt sieben Flaschen mit interessanten Bieren. Schön!

Bildergalerie

Verkostungsnotizen

Lahnsteiner Brauerei – Lahnsteiner Grutbier (4,9%)

Das ist jetzt mal was anderes, und das merke ich schon beim Einschenken: Das Bier entwickelt keinen Schaum. Es ist dunkelgelb und trüb, man sieht leichte Schwaden und winzige Krümelchen im Glas.

Der Duft ist angenehm. Leichte ätherische und kräuterige Noten, ein frischer Zitronenhauch.

Ebenso der Antrunk – frisch und ätherisch duftig. Auf der Zunge eine feine Süße, eine nur dezente Herbe, die erst nach dem Schluck ein bisschen prägnanter wird, und – vor allem retronasal – wieder die kräuterigen Akzente. Anis und Rosmarin spüre ich sehr deutlich, das ebenfalls mit eingebraute Zitronengras war eigentlich nur ganz zu Beginn, direkt nach dem Einschenken, in der Nase zu spüren. Später scheint es verschwunden zu sein.

Nach dem Schluck kommt der Rosmarin intensiver zur Geltung – aber es gilt für ihn wie für die anderen Zutaten: Alles wurde nur dezent eingesetzt, so dass das Bier zwar leicht als Grutbier, also Kräuterbier, zu identifizieren ist, aber nicht gleich wie Hustensirup schmeckt.

Sehr gelungen.

Lahnsteiner Brauerei – Martinator Zwickel (8,0%)

Eine schöne orangegelbe Farbe, eine nur dezente, gleichmäßige Trübung und ein kremiger und lange haltbarer, altweißer Schaum – das sieht richtig schön appetitlich aus.

Beim Schnuppern spüre ich weiche, fast schon kremig wirkende Honigaromen und einen zarten Hauch Aprikose.

Der ob der niedrigen Spundung seidenweiche und kremige Antrunk gefällt gut. Auf der Zunge ist das Bier vollmundig, rund und malzsüß. Trotz letzterem weist es auch eine prägnante Bitter auf, die sich zunächst am Zungenrand, später, nach dem Schluck, dann am Gaumen und im Rachen bemerkbar macht. Retronasal spüre ich erneut Honig und Aprikosen, nun aber auch ein bisschen Biskuitteig.

Nach dem Schluck macht sich in die langsam und gleichmäßig abklingende Bittere hinein eine feine alkoholische Wärme bemerkbar.

Lahnsteiner – Party-Exportbier (5,2%)

„Gebraut nach einem Originalrezept der Duzenower Braukultur e.V.“ steht auf dem Etikett, und wenn ich so an die Biere der Braufreunde aus Duzenowe beziehungsweise Dausenau zurückdenke, dann habe ich schon noch eine schöne Vorstellung, wie deren Hausbrauerbier mundete.

Im Glas zeigt das Bier eine dunkelorangene Farbe und eine kräftige Trübung – beides bei einem Exportbier definitiv nicht angebracht. Aber auf dem Etikett steht ja auch noch mehr: „… wie ein Märzen“. Beispielsweise. Da würde der optische Eindruck dann schon wieder passen.

Der sehr ordentliche und stabile Schaum, der gereicht beiden Bierstilen zur Ehre.

Der Duft ist kernig, ein bisschen kräuterig und mit feinen Brotnoten. Also Brotkrume, nicht Brotkruste.

Der Antrunk ist rund und voll und trotzdem gleichzeitig durchaus kernig gehopft. Auf der Zunge macht sich das Bier dann mächtig breit. Jeder Schluck ein kräftiger, nahrhafter Bissen. Ist schon was Deftiges. Kann man gar nicht meckern.

Im Abgang wird das Bier dann vielleicht zu mächtig. Nach einem ordentlichen und gerne genossenen halben Liter reicht es zunächst. Morgen gerne wieder, aber mehr als eine Halbe am Tag ist dann doch etwas zu viel des Guten.

Lahnsteiner – Donka (4,9%)

Einfach nur Donka. Keine sonstigen Stilangaben. Aber im Kleingedruckten findet sich mehr Information: „Eine Hommage von Dr. Markus Fohr an seine Frau Donka, deren Wurzeln in Bulgarien liegen: ein typisch deutscher Bierstil – Pils – verfeinert mit bulgarischem Wildthymian und gereift auf bulgarischer Eiche. Im Duft ist der Thymian deutlich wahrnehmbar und auch die Zunge erfreut sich an den Kräutern. Sanft prickelnd und schlank entwickelt Donka ein harmonisches Konzert von Kräutern, Holzaroma und Hopfenbittere. Passt zu mit Kräutern gewürzten Speisen. Unbedingt mit Vanilleeis probieren!“

Tja, damit wäre ja fast alles schon gesagt …

Die Farbe ist für ein Pils ein wenig zu dunkel, zu sehr ins Orangene gehend. Auch die leichte Trübe und die wohl vom Thymian stammenden feinen Teilchen, die im Bier schwimmen, passen nicht zu einem Pilsener – auch wenn sie den Eindruck des Biers ja gar nicht stören.

Der Schaum entwickelt sich nur zurückhaltend und fällt rasch in sich zusammen. Zurück bleibt … nichts.

Duft, Mundgefühl und Bittere entwickeln sich so, wie auf dem Etikett beschrieben, uns es ist ein schönes Gefühl, dem Thymian insbesondere retronasal genussvoll hinterher zu schnuppern.

Flügge – Röik – Riesling Sauer (6,6%)

Na, das wird ja spannend. Die Brauerei Flügge, die sich auf säuerliche oder wild vergorene Biere spezialisiert hatte, existiert nicht mehr, die Dose hat ein Mindesthaltbarkeitsdatum vom 3. Juni 2024, was etwa neun Monate in der Vergangenheit liegt, und das Bier ist ein Bier-Wein-Hybride, vergoren mit einem 2020er Riesling von Daniel Mattern.

Ich bin neugierig.

Beim Öffnen der Dose schäumt es ein bisschen über, aber nicht allzu sehr. Im Glas präsentiert sich das Bier hellgelb mit einer dezenten, gleichmäßigen Trübe und einem sehr, sehr üppigen, schneeweißen Schaum, der aber nur eine mittelprächtige Haltbarkeit aufweist.

Der Duft ist sehr weinbetont, ich rieche fruchtige, dezent säuerliche Traubennoten, dahinter aber auch ein festes Hefefundament.

Der Antrunk ist spritzig-frisch, und auf der Zunge bizzelt das Bier sehr angenehm. Gleichzeitig spüre ich eine feine, ganz leicht adstringierende Textur am Zungenrand. Ein bisschen Säure, ein paar Gerbstoffe. Retronasal wird der weinige Charakter stärker, und ich könnte für einen Moment vergessen, dass es sich hier überhaupt um ein Getränk mit großem Bieranteil handelt.

Nach dem Schluck spüre ich die Säure, aber es kommt nun auch eine angenehme Bittere hinzu.

Und am Ende, ganz am Ende, als das Bier schon etwas wärmer wird, kommt eine ganz leichte Note nach Ziege hinzu – ein ganz feiner, aber strenger Hauch.

Ich bin ja kein Fan von Bier-Wein-Hybriden, aber dieser ist durchaus ansprechend.

Bierol – Spruce Willis (6,5%)

Der Biername ein nettes Wortspiel. Der Bierstil ein seasonal IPA. Die Würze handgepflückte Fichtentriebe aus Tirol.

Ja, na dann!

Das Bier sieht „ganz normal“ aus für ein IPA. Eine dunkelgelbe Farbe, eine leichte und gleichmäßige Trübung, ein schöner, altweißer und recht haltbarer Schaum.

Der Duft passt perfekt: Feine und harzige Aromen von frisch gezupften Fichtennadeln. Dahinter ein dezent malziger Hauch und ein paar kräuterige Hopfennoten. Sehr angenehm und definitiv nicht, wie böse Zungen zu dieser Art Bier gelegentlich sagen, wie ein Fichtennadelschaumbad!

Der Antrunk ist spritzig, aber nicht zu bizzelig, und im Mund macht sich ein angenehmes, kräuterig-hopfiges und leicht harzig-adstringierendes Gesamterlebnis breit. Ein bisschen Malzsüße, ein Hauch von fruchtigen Estern, viel, viel Kräuter und Harz (je wärmer das Bier wird, um so stärker). Nach dem Schluck wird der Charakter etwas rauer. Nicht unangenehm kratzig, aber doch ein wenig rau, als seien die Schleimhäute plötzlich leicht mit Kolophonium eingerieben.

Fast, aber nur fast, wäre die Fichtennadel- und -harzaromatik zu intensiv, aber solange das Bier nicht zimmerwarm genossen wird, passt alles sehr harmonisch.

Lervig – Sour Suzy – Berliner Weisse (4,0%)

Eine Berliner Weisse aus Norwegen? Warum nicht! Immerhin dürfen die da oben mit Weizen-Rohfrucht brauen, was bei uns wegen des sogenannten „Reinheitsgebots“ nur mit Ausnahmegenehmigung möglich ist.

Im Glas präsentiert sich das Bier sehr, sehr hellgelb mit einer ganz dezenten, leichten Trübung. Gekrönt wird es von einem ordentlichen, schneeweißen Schaum, der aber sehr rasch zusammenfällt – und zwar spurlos.

Der Duft ist dezent säuerlich mit einer ganzen Reihe von interessanten Fruchtnoten, eine zarter und spielerischer als die nächste: Zitrone, grüner Apfel, Ananas …

Der Antrunk ist bei weitem nicht so säuerlich wie erwartet. Eine relativ schwache Spundung, nur ein bisschen Säure – das ist zwar erfrischend, aber auch sehr kommod. Talcid oder vergleichbare Säurehemmer dürfen gerne im Apothekenschrank bleiben.

Auf der Zunge wird die Säure ein bisschen stärker spürbar, bleibt aber sehr angenehm. Zusammen mit dem dünnen, fast wässrig wirkenden Körper ist das Bier außerordentlich erfrischend. Retronasal sind die fruchtigen Ester wieder deutlich zu spüren – die Zitrusnote wird jetzt relativ dominant.

Nach dem Schluck wird deutlich: Ein Hopfenbittere fehlt hier fast völlig. Aber sie wird auch nicht vermisst. Ein sehr schönes Sommerbier als Erfrischung an heißen Tagen.

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