Die Schweiz liegt mitten in Europa, aber sie ist anders. Sie war immer schon anders, und sie wird auch in Zukunft immer anders bleiben. Kein Mitglied der Europäischen Union, schon gar nicht eines der NATO. Ein ungewöhnliches Wahlrecht, merkwürdige Institutionen und bis vor gerade mal 31 Jahren sogar noch ein Bierkartell!
Insofern ist das vor mir liegende Buch, auch wenn es jetzt schon zwölf Jahre alt ist und die Craftbierrevolution, die auch die Schweiz erfasst hat, nicht abbildet, hochinteressant.

Matthias Wiesmann
Bier und Wir
Auf über 250 Seiten beschreibt der Autor Matthias Wiesmann die Bier- und Brauereikultur der Schweiz in den vergangenen rund anderthalb Jahrhunderten, zum Teil auch noch darüber hinaus.
Die großformatigen Seiten, der durchgängige Farbdruck, der schöne und feste Kartoneinband und die robuste Fadenheftung machen einen guten Eindruck – das Buch hat zwar wie alles in der Schweiz einen stolzen Preis, aber dafür habe ich auch eine sehr wertige Gegenleistung bekommen.
Übersichtliche Seitengestaltung, sorgfältige Schlussredaktion und vor allem ein eingängiger Schreibstil machen Freude, in diesem Buch zu lesen, es zu studieren, vielleicht auch einfach mal nur die interessanten, hochwertigen Bilder zu betrachten.
In elf Kapiteln stellt der Autor die Biergeschichte in der Schweiz dar. Nach den ersten beiden Kapiteln, die die weit zurückliegende Geschichte des Biers anreißen („Bier als Weinsubstitut im Mittelalter und in der frühen Neuzeit“ und „Erste Brauereien als saisonale Betriebe“), geht es ab dem dritten Kapitel in die Neuzeit – in eine Zeit, in der Bier in der Gesellschaft langsam Fuß fasste, sich aber gleichzeitig auch sehr rasch abzeichnete, dass Bier in der Schweiz eine völlig andere Bedeutung bekommen wird und dass seine Herstellung und sein Vertrieb davon auch geprägt sein werden.
Statt den Alltag zu durchdringen, bleibt Bier in der Schweiz etwas eher Seelenloses. Ein Konsumprodukt, aber kein Lebensinhalt, und so wird rasch deutlich, warum es in der Schweiz zu einem Bierkartell kommen konnte, das den gesamten Absatzmarkt unter wenigen etablierten Brauereien aufteilte, ein einheitliche Bierkultur schuf und nahezu keinen Raum für Privatinitiativen, für neue und spannende Bierkreationen oder für Investoren aus dem Ausland ließ.

zeitgenössische Bilder und Illustrationen
Bis 1992 hielt dieser traurige Zustand an, erfahre ich beim Lesen dieses Buchs, und in den letzten beiden Kapiteln („Neuordnung des Marktes und internationale Großkonzerne“ sowie „Die Renaissance der Kleinbrauereien“) lese ich vom Zerfall des Kartells und der Neuordnung des Schweizer Biermarkts.
Letztere, so viel sei quasi off-topic hinzugefügt, hat dazu geführt, dass in den Jahren nach Erscheinen des Buchs die Schweiz zu dem Land mit der wohl höchsten Pro-Kopf-Dichte an Brauereien heranwuchs.
Ein Buch, das ich gern gelesen habe, und das ich gerne auch jedem empfehle, der sich mit der ganz besonderen Biergeschichte eines ganz besonderen europäischen Lands beschäftigen möchte.
Matthias Wiesmann
Bier und Wir
Geschichte der Brauereien und des Bierkonsums in der Schweiz
Verlag für Kultur und Geschichte GmbH
Baden, 2011
ISBN 978-3-03919-193-2
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