Verkostungspaket aus Hannover

Manchmal sind merkwürdige Dinge darunter …

Was? Schon wieder ein Bierpaket aus Hannover? Oh, die Familie R. – das sind echt gute Freunde!

Sieben Biere diesmal – der Karton ist etwas kleiner. Dazu ein paar bierige Informationen. Zeitungsartikel aus der Region Hannover.

diesmal sind es sieben Biere

Ich packe aus und reihe die Flaschen und Dosen sorgfältig auf meinem Regal auf. Da fällt es mir ins Auge: Ein etwas merkwürdiges Dosendesign.

… ?

Eine der Dosen ist mit einem handschriftlichen Zettel versehen: „Gushing Gefahr!“

Ich weiß nicht, ober der liebe Herr R. oder der Laden, in dem er die Dose gekauft hat, oder schon die Brauerei diesen Zettel angebracht hat – aber ich werde ihn sehr sorgfältig beachten. Gushing kann von einfachem Überschäumen bis zum An-die-Decke-Spritzen alles bedeuten, und ich habe keine Lust, die Küche zu streichen. Am besten, ich öffne die Dose unter der Dusche oder im Hof.

Verkostet wird das Bier aber trotzdem – es kann ja geschmacklich vielleicht trotzdem begeistern?

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Verkostungsnotizen

La Villana / Liquid Story – Straweiss – Berliner Weisse w/ Strawberry, Coconut, Lime; Riedenburger Brauhaus – Dolden Bock – 2023 – Weizen Bock; Liquid Story – The Myth of Princess Sophia – Flower Milkshake IPA; Wittorfer Brauerei x Heintz – Hontzzz – Double India Pale Ale; Liquid Story – [‘heɪ.zɘl.nʌt] [lem.ɘn] – Imperial Sour Ale; Fürst Wiacek – Sky Dancer – DDH IPA; Liquid Story – Sunrise – Saison

La Villana / Liquid Story – Straweiss – Berliner Weisse w/ Strawberry, Coconut, Lime (4,5%)

Eine Berliner Weisse mit Erdbeeren? Die Erwartungshaltung ist klar: Das muss quietschrosa aus der Dose fließen, klare Sache. Das rosa Dosendesign verstärkt diese Erwartung auch noch!

Und dann? Ein ganz normales Hellgelb, mit einer leichten, feinen, gleichmäßigen Trübung und einem schneeweißen (also auch nicht rosanen) Schaum, der sich jedoch nicht lange hält. Hm. Die Erwartungshaltung war also übertrieben.

Ob den wenigstens der Duft …?

Oh, ja, Erdbeere pur. Dahinter eine feine erdige Note. Kommt die jetzt von der sauren Gärung oder vom Coconut, das in der Zutatenliste aufgeführt ist? Auf alle Fälle erdet das die fruchtige Frische und nimmt dem Duft den Limonadencharakter.

Der Antrunk? Der ist frisch, säuerlich, bizzelig, und kaum ist das Bier im Mund, kommen auch schon wieder die Erdbeeraromen hervor – diesmal rückwärts durch die Nase, also retronasal. Letzteres macht sie weniger spritzig, bringt den erdigen (Coconut …?) Charakter etwas mehr nach vorne.

Die Säure lässt gleichzeitig den Speichel fließen.

Schließlich der Abgang. Kurz und schmerzlos. Ehrlich gesagt, passiert da nicht mehr so viel. Eine länger haftende Herbe hat dieses Bier nicht, und die Säure sowie die Fruchtaromen klingen schnell ab.

Ein feines Sommerbier. Zu schade, dass heute schon November ist …

Riedenburger Brauhaus – Dolden Bock – 2023 – Weizen Bock (7,9%)

Das Etikett schwadroniert mir ein bisschen zu sehr herum – die 7,9% Alkohol werden in den Mittelpunkt gestellt: „Er ist stark. Er ist mächtig. Er ist kraftvoll. Ein Naturbursche. Bevor du diesen Bock herausforderst, sei ehrlich zu dir selbst und frag dich, ob du stark genug bist. Es ist kein einfacher Bock. Er ist doppelbockig. Er ist heimtückisch. Er kommt mit seiner Hopfennote so frisch und leicht daher. Blumige Aromen steigen in die Nase,. Und dann nimmt er dich auf die Hörner mit seinen potenten 7,9% Volumen. Bezwing den Bock. Und wenn du ganz stark bist – auch zwei.“

Im Glas zeigt sich das Bier dann zunächst recht „normal“: Eine dunkelgelbe Farbe mit einer Tendenz ins Orangene, durch die intensive und gleichmäßige Trübung aber auch mit einem leichten Graustich. Der Schaum leicht beigefarben, kremig, aber nicht sehr lange haltbar.

Der Duft ist fruchtig. Birnen und Aprikosen stehen im Vordergrund, dahinter ein Hauch Quitte.

Der Antrunk ist an der Zungenspitze ganz leicht pfeffrig-scharf, auf der Zunge wirkt das Bier dann aber eher angenehm süßlich. Eine hefige und gleichzeitig hopfige Bittere hält die fruchtige Süße so in Schach, dass es nicht klebrig wird.

Retronasal verstärken sich die schönen Fruchtaromen noch ein wenig. Die Birne rückt weiter in den Vordergrund. Sehr angenehm.

Der Schluck betont wiederum die Bittere – und so changiert das Bier auf das Allerfeinste zwischen den beiden sensorischen Polen hin und her. Je länger es im Glas atmet und sich sachte erwärmt, um so komplexer wird dieser Effekt.

Herrlich!

Liquid Story – The Myth of Princess Sophia – Flower Milkshake IPA (6,5%)

Ein Bier, entstanden zum Pink Boots Collaboration Brew Day, wie das Dosenlabel stolz vermerkt. Gebraut mit Hibiskusblüten, Vanille und Safran.

Im Glas zeigt sich das Bier nicht ganz so rosa, wie ich wegen dem Hibiskus erwartet habe – na, es hätte auch zu schön zum Pink-Boots-Thema gepasst …

Stattdessen: Ein dunkles Gelb mit nur einem ganz leicht rötlichen Stich, eine dezente Trübe und ein her zurückhaltender Schaum.

Der Duft ist spannend. Ich rieche die Vanille und den Hibiskus sofort, beim Safran bin ich mir nicht ganz sicher. Dahinter erschnuppere ich ein paar fruchtige Hopfennoten, die in Richtung rote Früchte oder Beeren geht. Oder ist das auch der Hibiskus? Als so ganz trennscharf empfinde ich das nicht …

Der Antrunk ist angenehm weich, und auf der Zunge breiten sich sofort die schönen Beerennoten aus. Oder der Hibiskus. Oder beides. Gepaart mit der auch retronasal schön zu spürenden Vanille erinnert das sensorische Erlebnis jetzt ein bisschen an schöne, norddeutsche Rote Grütze mit Vanillesoße. Auch die leichte, seidige Viskosität des vollmundigen Biers (kommt vermutlich vom Hafer) unterstreicht den Rote-Grütze-Eindruck.

Die vermutlich gar nicht so stark ausgeprägte, aber durch die Fruchtaromen und die Vanille unterstrichene Süße setzt sich locker gegen die feine Hopfenbittere durch, die ich am Zungenrand und nach dem Schluck auch im Rachen spüre.

Ein Bier für den süßen Zahn.

Damit dann allerdings gegebenenfalls auch Vorurteile als „Frauenbier“ weckend.

Wann kommt ein Pink-Boots-Gedächtnisbier mit 100 IBU und kräftigem Rauchgeschmack, um dieses niedlich-süße rosa Image zu hinterfragen?

Wittorfer Brauerei x Heintz – Hontzzz – Double India Pale Ale (7,5%)

Ich halte die Dose in der Hand und frage mich: Aufmachen oder nicht? Und wenn aufmachen, dann unter der Dusche oder besser gleich draußen auf dem Hof? Der handschriftliche Zettel „Gushing-Gefahr“ warnt mich eindringlich!

Ich bin leichtsinnig, stelle die Dose in die Küchenspüle, Handtuch drüber und fertig.

Aufreißen, zisch!

Und sonst nichts.

Na, war doch gar nicht so schlimm?

Oh, verflixt, nach drei, vier Sekunden beginnt das Bier zu schäumen und zu schäumen und zu schäumen. Also doch …

Mühsam gieße ich die kleinen Reste, die in der Dose verbleiben, ins Glas.

Ich reiße den Warnzettel ab und mache mich jetzt erstmal schlau, was ich hier überhaupt trinke. Wittorfer Brauerei x Heintz steht auf der Dose, und ich überlege: Wer oder was zum Teufel ist Heintz? Der gleichnamige Ketchup aus den USA wird es nicht sein – wenn der Wittorfer Brauerei so ein Coup der Kollaboration mit einem Weltkonzern gelungen wäre, hätte ich das in der Zeitung gelesen.

Ah, da ist ja ein QR-Code! Er führt auf den Instagram-Auftritt von heintzartisanalales. „more than 57 varieties! mixed ferm nanobrewery in heide. mostly barrel aged mixed ferms. do what you want, not as you are told“ heißt es dort.

Na, dann verkosten wir mal. Auch wenn es nicht barrel aged ist.

Im Glas sieht es aus wie Orangensaft ohne Fruchtfleisch. Hellgelb, milchig trüb. Der Schaum entwickelt sich zunächst ohne Ende. Eigentlich war es zu Beginn überhaupt nur Schaum. Dann aber fällt der Schaum recht rasch zusammen, und es bleibt der Orangensaft-Eindruck.

Der Duft? Fruchtig herb. Bitterorange, etwas Pampelmuse.

Der Antrunk? Kohlensäurespritzigspitz und fast schon pfeffrig wirkend. Auf der Zunge knackig bitter, gleichzeitig aber auch vollmundig-sämig. Etwas disharmonisch. Retronasal wieder die Bitterorangen- und Pampelmusenaromen, jetzt begleitet von Mandarinenschale.

Ich spüre aber auch ein Hopfenstückchen auf der Zunge. Somit eine ganz besondere Textur. Hoffentlich ist es auch wirklich Hopfen …

Der Abgang ist dann von der knackigen Bittere dominiert. Zwar spüre ich immer noch die Fruchtaromen, aber in erste Linie Bittere, Bittere und noch etwas Bittere.

Kann man machen.

Aber warum?

Liquid Story – [‘heɪ.zɘl.nʌt] [lem.ɘn] – Imperial Sour Ale (8,5%)

Ein mit Haselnüsse und Zitronen gebrautes Imperial Sour Ale – naja, da bin ich ja mal gespannt, was mich da erwartet.

Das Bier hat zunächst mal eine dunkelgelbe Farbe, ist leicht und gleichmäßig trüb und geizt mit dem Schaum, der nach lustloser Ausbildung gleich ganz zusammenfällt.

Der Duft ist leicht säuerlich mit einer feinen erdigen Note, die einen ganz leicht nussigen Charakter hat – als Haselnuss hätte ich das vielleicht nicht unbedingt identifiziert, aber ein bisschen Nussigkeit spürt man schon.

Der Antrunk ist frisch-säuerlich, und auf der Zunge werden die Haselnussaromen jetzt aber rasch deutlich. Eine feine Viskosität bedeckt die Schleimhäute, und retronasal kommen die Haselnüsse ganz deutlich durch. Die Zitrone geht sicherlich mit der Säure sehr harmonisch einher, tritt aber nicht separat in Erscheinung. An den Zungenrändern spüre ich einen Hauch von adstringierender Rauigkeit, so, als würde ich in der Tat den leichten Holzcharakter der Nüsse spüren.

Der Abgang unterstreicht die nussigen Noten noch einmal, während die Säure überraschend schnell abklingt.

Durchaus interessant.

Fürst Wiacek – Sky Dancer – DDH IPA (6,8%)

Ein hellgelbes, milchig-trübes Bier, das, trüge es nicht diese üppige und ewig haltbare, schneeweiße Schaumkrone, locker als Pampelmusensaft durchgehen könnte – jedenfalls optisch.

Naja, olfaktorisch auch fast – intensive Grapefruitnoten! Allerdings werden diese ergänzt durch ein paar Aromen heller Früchte – ich glaube, Ananas und Honigmelone identifizieren zu können.

Der Antrunk ist ein bisschen pfeffrig-scharf, und auf der Zunge entwickelt sich eine durchaus kernige Bittere, die aber durch einen vollmundigen, regelrecht saftig wirkenden Körper ausbalanciert wird.

Retronasal erneut eine Melange aus Pampelmusen, Ananas und Honigmelone.

Nach dem Schluck klingt die Bittere gleichmäßig und blitzsauber ab, die Pampelmusenaromen beginnen, die anderen Früchte zu übertünchen, und eine leichte pfeffrige Schärfe ist nun auch im Rachen und der Speiseröhre zu spüren – auf sehr angenehme Weise.

Liquid Story – Sunrise – Saison (4,5%)

Saison steht auf der Dose, und das erweckt eine gewisse Erwartungshaltung. Es ist zwar ein recht vielfältiger Bierstil mit recht weiten Parametern, aber meistens hat man doch das Saison von Dupont als Maßstab im Hinterkopf. Dieses hier allerdings geht in eine wesentlich experimentellere Richtung und ist nicht ohne Grund (sogenanntes „Reinheitsgebot“) als Brauspezialität und nicht als Bier ausgewiesen.

Die Zutatenliste bringt es an den Tag: Neben Wasser, Hopfen, Hefe und Gerstenmalz stehen dort nämlich Reisflocken, Zitronengras und grüner Tee.

Im Glas sieht das Bier merkwürdig aus. Es ist hellgelb mit einem leicht grünlichen Schimmer und ist ganz dezent trüb. Der Schaum entwickelt sich nur zurückhaltend und fällt sehr rasch völlig in sich zusammen.

Der Duft ist geprägt von den typisch phenolischen, auf angenehme Art etwas kantig wirkenden Noten einer Saisonhefe, birgt dahinter aber auch schöne Zitrusnoten.

Der Antrunk ist spritzig frisch und ein bisschen pfeffrig scharf. Auf der Zunge spüre ich eine ganz dezente Süße und eine ähnlich zurückhaltende Bittere. Viel interessanter ist der Flavour, also die Mischung als Aromen auf der Zunge und den retronasalen Eindrücken. Die Phenole sind zu spüren, das Zitronengrass und jetzt auch der grüne Tee. Passt gut zusammen. Eine feine Säure rundet das ganze ab.

Nach dem Schluck bleibt die Säure noch einen Moment präsent, und es gesellt sich ein feiner, adstringierender Effekt auf den Schleimhäuten am Gaumen und im Rachen dazu – vermutlich vom Tee.

Ein etwas anderes, aber sehr sympathisches Biererlebnis.

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