Nachtrag 21. Mai 2024: Fast acht Jahre sind seit meinem letzten Besuch vergangen, als wir in allerschönster Maisonne zur Mittagszeit an der Browar Księży Młyn vorbeikommen. Wir schauen uns an: „Hast Du schon Hunger?“ – „Nee, eigentlich nicht …“ – „Ich auch nicht!“ Das Hotelfrühstück liegt noch nicht lange zurück und war außerordentlich reichhaltig und schmackhaft.
„Aber wir können doch nicht ohne eine kleine Kostprobe an einer geöffneten Brauerei vorbeilaufen, oder?“ Ich probiere es mit einem gespielten Augenaufschlag und bekomme die erhoffte Antwort: „Na gut, auf ein kleines Bier. Aber ich trinke nur Kaffee, ja?“
„Ist ja okay“, denke ich mir im Stillen, und Augenblicke später sitzen wir im gemütlichen, sonnigen Biergarten. Ruckzuck ist der junge, noch etwas unerfahren wirkende Kellner da und hält uns die Speisekarte unter die Nase. „Nee, essen wollen wir nicht, das ist uns noch zu früh, ist es okay, wenn ich, ähm …“ Und da sehe ich es schon: Es gibt ein Probierset mit kleinen Gläschen der hier gebrauten vier Biere. „… ähm, also wenn ich nur so ein Probierset bestelle und für meine Liebste einen Kaffee?“
Es ist offensichtlich okay, und Augenblicke später stehen vier kleine Krüge vor mir. „Vier Bier vor vier“, lässt sich meine Liebste lästerlich vernehmen, aber davon lasse ich mich jetzt auch nicht mehr beirren, sondern genieße einfach die Biere und den Sonnenschein.
Bier Nummer 1, das Belgian IPA, mundet mir schon einmal hervorragend – eine sehr schöne Kombination aus fruchtigen und hopfigen Aromen mit einer von der offensichtlich belgischen Hefe stammenden phenolischen Olfaktorik. Sehr ausgewogen. Warum allerdings weder der Alkoholgehalt angegeben noch die Abkürzung BRIPA (Wofür steht das „R“?) für dieses Bier in die Karte aufgenommen worden ist, kann uns der junge Kellner nicht sagen. Freundlich, aber hilflos zuckt er mit den Achseln.
Bier Nummer 2 ist das mir schon von meinem letzten Besuch vertraute Bawełniany, ein Pils mit 5,0% Alkohol. Grundsolide, schön durchtrinkbar, und ohne Höhen und Tiefen.
ein schnelles Sudkessel-Selfie zwischendurch
Das Bier Nummer 3, das ebenfalls schon „vertraute“, fünfprozentige Hefeweizen „Przędzalniane“, ist leider eher eine Enttäuschung – es ist aromaarm und leicht muffig-dumpf.
Aber dafür ist Bier Nummer 4 dann wieder ein Highlight. Das 5,1%ige Märzen namens Atlasowe erweist sich als rund und vollmundig, ohne dabei zu mastig oder saturierend zu werden. Ein sehr schon ausgewogenes Bier für den großen Schluck. Eigentlich schade, dass es „nur“ das saisonale, einmalig angebotene Bier ist. Obwohl: Wenn es wieder acht Jahre bis zum nächsten Besuch hier dauern sollte, dann ist es eigentlich ja auch egal, ob es sich bei den verkosteten Bieren um reguläre Angebote oder um Eintagsfliegen handelt, oder?
Jedenfalls: Ein schöner und tiefenentspannter Kurzbesuch zur Mittagszeit. Wie gut, dass wir hier tatsächlich mehr oder weniger zufällig vorbeigekommen sind!
Browar Księży Młyn
Łódź – die Arbeiterstadt im Zentrum Polens, die einst für ihre florierende Textilindustrie bekannt war. Die großen Betriebe, ob Webereien, Spinnereien oder Nähereien, prägen das Stadtbild bis heute. Beeindruckende und durchaus ästhetische Ziegelbauten, die bewiesen haben, dass Großindustrie nicht immer hässlich sein muss. Trotz ihrer immensen Größe waren sie strukturiert und gegliedert, Türme, Kränze, Mäuerchen und Zinnen nahmen den großen Hallen ihren bunkerartigen Charakter und verliehen ihnen die Anmutung einer mittelalterlichen Burg, eines Schlosses vielleicht gar. Und so nimmt es nicht Wunder, dass die Bauten, die Krieg und Sozialismus überstanden haben, nun mit Masse unter Denkmalschutz stehen.
Browar Księży Młyn
In einer dieser Fabrikbauten, der ehemaligen Baumwollspinnerei des Großindustriellen Ludwik Grohman, befindet sich heute ein Gastronomiebetrieb, bestehend aus dem Restaurant Gronowalski, dem Buddha-Pub und der Gasthausbrauerei Księży Młyn, der Pfaffenmühle, benannt nach dem kleinen Stadtteil, in dem sich das Gebäude befindet.
Viel Geld war hier in die Hand genommen worden, die Baumwollspinnerei sorgfältig renoviert und die Gastronomie edel ausgestattet, und so überraschen Restaurant, Pub und Brauerei mit hohem Niveau.
durch die offene Tür sehen wir schon die Kupferkessel des Sudwerks
Im Innenhof begrüßt uns ein gemütlicher Biergarten, der wahlweise Entspannung in einem sanft schaukelnden Korbsessel bietet, oder stattdessen zum Essen und Trinken an bequemen Tischen einlädt. Die Tür zum Gastraum des Restaurants steht offen und lenkt unseren Blick direkt auf die polierten Kupferkessel der kleinen Brauerei. Direkt am Fenster steht sie, von allen Restaurantplätzen aus bequem zu sehen, ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu drängen. Im oberen Stockwerk dann, leider nicht mit Blick auf die Sudkessel, der Buddha-Pub mit Raucherlounge und kubanischem Flair, dahinter ein fein in Weiß eingedeckter Festsaal.
Nach diesem Augenschmaus drängt es uns aber wieder zurück in den Biergarten und, vor allem, zur Bierprobe. Alle vier angebotenen Biersorten gibt es im kleinen 125-ml-Krug zum Verkosten, und das sogar zum fairen Preis, der nur unwesentlich über dem der größeren Gebinde liegt.
kleine Krüge zum Verkosten
Das Księży Młyn Bawełniane, ein Pilsener, erfreut mit dezent harmonischem Zusammenspiel von Malzsüße und Hopfenbittere, lässt aber ein wenig eigenständigen Charakter vermissen. Sauber gebraut, und gerade dadurch unauffällig.
Das American Pale Ale, für das die Phantasie der Brauerei offensichtlich nicht ausgereicht hat, um ihm einen originellen Namen zu geben, erfrischt mit fruchtigen Hopfennoten, einer prägnanten Bittere, die im Abgang schön sauber bleibt, und einem Malzkörper, der gerade so stark ist, dass er die Bittere ins Gleichgewicht bringt, verhindert, dass sie zu stark dominiert. Durchaus gelungen!
Es folgt das Księży Młyn Przędzalniane, ein Hefeweizen. Leicht phenolisch, würzig, ohne das sonst so beliebte Bananenaroma. Erfrischend, spritzig, aber auch etwas wässrig. Guter Durchschnitt.
Sehr erfreulich dann zum Abschluss der Dunkle Bock, Księży Młyn Jedwabne. Eine kräftig braune Farbe, ein kraftvoller Malzkörper, schöne Restsüße ohne mastig zu werden. Hätte sich der Wettergott nicht noch dazu herabgelassen, uns heute, am 12. September 2016, noch eine Hitzewelle sondergleichen zu verabreichen, dies wäre das Bier der Wahl, um den Nachmittag zu opfern und bei einem großen Humpen unproduktiv verstreichen zu lassen. Allein, die Mittagstemperaturen um 30° ließen dann nicht nur den Nachmittag, sondern wohl auch den Abend und vielleicht sogar den nächsten Morgen dem Bockbier zum Opfer fallen, insofern wird jetzt schweren Herzens Verzicht geübt und stattdessen das gute Essen gewürdigt.
Blick in den Restaurantbereich
Denn auch dies verdient Erwähnung. Positive sogar. Gänsebruststreifen auf Salat, mit Birnen, Feigen, Zimt, Gewürznelken und Pistazien. Sehr lecker. Und bei der Hitze das Richtige – leicht und aromatisch.
Die Überraschung kommt mit der Rechnung. Angesichts des Ambientes und des leicht arroganten Benehmens der ansonsten schnellen und korrekten Kellner haben wir mit mehr gerechnet. Gute Küche, ordentliche Biere, schöne Atmosphäre also für einen durchaus attraktiven Preis. Nichts für den Hardcore-Bier-Aficionado, denn es fehlen die Extrembiere, aber trotzdem einen Ausflug wert.
Die Browar Księży Młyn wurde am 27. September 2014 offiziell eröffnet, der erste Sud wurde vier Wochen vorher, am 27. August, eingebraut. Die Gastronomie ist täglich ab 12:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen ist die Brauerei mit der Straßenbahn, Linie 1, Haltestelle Tymienieckiego, etwa 200 m Fußweg. Kommt man mit dem eigenen Auto, kann man kosten- und problemlos vor dem Gebäude parken.
Browar Księży Młyn
Księdza Biskupa Wincentego Tymienieckiego 22/24
90-349 Łódź
Polen
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