Wyszak – Browar Rodzinny
Szczecin
POL

Nachtrag 29. Oktober 2023: Es ist mehr als ein Jahr her, dass wir das letzte Mal in der Familienbrauerei Wyszak waren. Nach dem eher wenig zufriedenstellenden Erlebnis seinerzeit haben wir noch nicht wieder Lust verspürt.

Heute muss es aber sein – mit Bierpapst Conrad Seidl wollen wir an diesem Wochenende alle Brauereien in Szczecin besuchen, da wird natürlich für Wyszak keine Ausnahme gemacht.

Was soll ich sagen?

Hier und heute wetzt die Familienbrauerei Wyszak alle Scharten der Vergangenheit aus. Beginnend mit dem ausnehmend freundlichen Service, der sich auch zu jedem der Biere die Zeit nimmt, die spezifischen Eigenschaften des Biers zu erläutern, die verwendeten Zutaten aufzulisten und sogar Empfehlungen abzugeben, was man denn gerade zu diesem Bier essen könne, über die grundsätzliche Qualität und Frische aller Biere, die wir hier verkostet haben, bis hin zur unveränderten Spitzenqualität des Essens – es passt nahezu alles.

Fast schon bekomme ich ein schlechtes Gewissen, letztes Jahr im August so negativ geurteilt zu haben. Aber nur fast. Offensichtlich hatten wir da einen rabenschwarzen Tag erwischt, vielleicht waren es auch noch Auswirkungen der Pandemie.

Conrad Seidl & Volker R. Quante

Hochzufrieden stiefeln wir die steile Treppe aus dem wunderschönen Gewölbekeller wieder hoch ans Tageslicht. Vor unserem Auge rekapitulieren wir noch einmal die vier Biere, die wir verkostet haben, und dann geht es weiter, noch haben wir nicht alle Brauereien der Stadt abgeklappert.

  • Lager Ziemniaczany – ein Lagerbier mit Kartoffeln gebraut und mit Thymian und Rosmarin dezent gewürzt. 4,5% Alkohol, und durch den wirklich dezenten Kräutereinsatz hochinteressant und perfekt durchtrinkbar.
  • Pszeniczne – ein 4,7%iges, klassisches und stilgerechtes Weissbier mit feinen Bananen- und Gewürznelken-Noten.
  • Free Hazy IPA – ein alkoholfreies Bier aus der Flasche, das den Namen Wyszak trägt. Ob es wirklich auf der kleinen Brauerei, die hier im Keller steht, entstanden ist, wissen wir nicht – vielleicht ist es auch in Lizenz gebraut. Aber: Es schmeckt vorzüglich, man merkt ihm fast nicht an, dass es alkoholfrei ist.
  • Pils – ein 4,6%iges klassisches Bier, das heute als einziges nicht ganz zufriedenzustellen vermag. Eine leichte DMS-Note verleiht ihm Aromen von Mais oder Erbsen aus der Dose und trübt somit den Trinkgenuss ein wenig.

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Wyszak – Browar Rodzinny

Nachtrag 25. August 2022: Viel Arbeit, die Pandemie und gefühlt 1000 andere Gründe ließen einige Jahre vergehen, bis wir heute endlich einmal wieder in der Wyszak – Browar Rodzinny einkehren können. Ob sich viel verändert hat?

Oh, ja, stellen wir fest.

Leider …

Die Biere haben qualitativ stark nachgelassen, es fehlt ihnen durch die Bank an Frische und echter Trinkfreude. Egal welcher Stil, es dumpft alles so lustlos vor sich hin – so dass ich noch nicht mal Lust habe, mir ausführliche Verkostungsnotizen zu machen.

heute hat uns keines der Biere wirklich überzeugt

Auch der Service ist bei weitem nicht mehr so freundlich und aufmerksam wie seinerzeit. Eher genervt von den Gästen bequemt sich die junge Dame nur auf nachdrückliches Winken zu uns an den Tisch, um eine Bestellung aufzunehmen oder später dann die Rechnung zu bringen. Es ist ja auch so viel schöner, an der Theke zu lehnen und mit den Kollegen zu schäkern und herumzualbern.

Der einzige Lichtblick heute ist das Essen. Topqualität, appetitlich angerichtet – der Koch kann was und hat offensichtlich Spaß an seiner Arbeit. Prima. Wenigstens das.

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Wyszak – Browar Rodzinny

Nachtrag 15. März 2017: Viel hat sich nicht geändert seit unserem letzten Besuch vor einem Jahr. Die Qualität der Biere ist unverändert ausgezeichnet, das Personal blitzschnell, aufmerksam und freundlich, und das Essen ist nach wie vor hervorragend.

Aber doch: Zwei Neuigkeiten gibt es. Maciej Piaszczyński hat die Brauerei verlassen und braut anderswo, statt seiner wurde Damian Świetnicki eingestellt – ein ehemaliger Hausbrauer aus Stettin. Gemeinsam mit Tomasz de Weyher zeichnet er nun für die Biere verantwortlich. Das Weizen, Pszecniczne, unverändert erfrischend, weizig und fruchtig-aromatisch, das Pils knackig herb, das American Amber mit harzigen Hopfen veredelt und der Rauchbock kräftig rauchig, der ideale Begleiter zum kräftigen Essen. Die Bierprobe schillert in allen Farben des Bierspektrums – es ist eine Freude, hier zu genießen.

zweimal Gold beim Konkurs Piw Rzemieślniczych KPR 2016

Und eng verknüpft mit der Qualität der Biere die zweite Neuigkeit: Stolz prangen vor dem kupfern glänzenden Sudwerk zwei Emailleschilder, die den Sieg der Wyszak Browar Rodzinny in den Kategorien Pils und Bayerisches Weizen beim Wettbewerb der Handwerksbrauereien 2016, dem Konkurs Piw Rzemieślniczych KPR 2016, bezeugen. Glückwunsch! Eine verdiente Auszeichnung!

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Wyszak – Browar Rodzinny

Nachtrag 22. März 2016: Ein Jahr später. Nicht mehr alle Biere sind innovativ – man hat sich ein wenig an den Kunden angepasst und braut vorwiegend bekanntere Stile: Pils, Weizen (nach wie vor ausgezeichnet) und Schwarzbier. Aber eines der vier angebotenen Biere soll auch weiterhin provozieren, zur Auseinandersetzung mit ungewöhnlichen Aromen anregen, den Horizont der biertrinkenden Gäste erweitern. Heute ein Brown Ale, karamellig und rund, ausgewogen und süffig.

die Küche besticht mit bester Qualität

Die Küche dazu unverändert von bester Qualität – eines der edleren Restaurants in Stettin. Ausgezeichnete Biere, gehobene Küche unter den jahrhundertealten Ziegelgewölben des alten Rathauses – der Wyszak ist unverändert eine der besten Adressen der Stadt.

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Wyszak – Browar Rodzinny

Das ehemalige Stettiner Rathaus aus dem 15. Jahrhundert mit seinen uralten Ziegelgewölben im Keller. Abgetretenes Kopfsteinpflaster, über das Hunderttausende von Schuhen gelaufen sind. Eine in den Jahrhunderten etwas abgesackte Front, deren schief stehende Säulen des Scheingiebels Geschichten aus der Historie der Stadt erzählen können. Zum Beispiel die vom Wyszak, einem reichen und mächtigen Geschäftsmann, der zur Zeit Ottos von Bamberg vor der Küste Dänemarks Raubzüge unternahm, gefangen genommen wurde und nach zwei Jahren in einem kleinen Boot fliehen und nach Stettin zurückkehren konnte. Eine Zeitreise weit zurück in die Vergangenheit.

das kupferne Sudwerk

Im Gegensatz dazu eine Brauerei, die Wyszak Browar Rodzinny, die erst vor einer Woche eröffnet hat. Niegelnagelneue Kupfergeräte, ein 5,5-hl-Sudwerk der Firma Minibrowary. Auf Hochglanz poliert prunken die Kessel vor dem Hintergrund der alten Ziegel des Ratskellers. Eine gehobene und für Stettiner Verhältnisse nicht ganz billige Küche, beste Qualität. Dazu vier Biere zur Neueröffnung, die Mut beweisen.

Nur eines davon könnte man als Standard bezeichnen, nämlich das Weizen. Obwohl es ungewöhnlich gut schmeckt. Kräftige Mundfülle, ein intensives, aber nicht zu dominierendes Bananenaroma, dezent ausgewogene Hopfung. Der Beweis dafür, dass man in einer Gasthausbrauerei doch ein gutes Weizen brauen kann. Wenn man brauen kann.

Pszeniczne (Weizen)

Die anderen drei Biere überraschend mutig. Ein English Pale Ale, mit würzigen, harzigen Hopfennoten und einem malzigen Körper. Ein American Amber Ale, knackig gehopft, mit dominierenden Hopfennoten, Aromen von tropischen Früchten und einer lang anhaltenden, sauberen Bittere. Und ein Vanilla Milk Stout. Süßlich, mit dezenten Vanille-Aromen, leicht im Alkohol und im Geschmack. Ein feines Damenbier.

Zwei ehemalige Hausbrauer aus Stargard Szczeciński, Maciej Piaszczyński und Tomasz de Weyher, zeichnen für die hier gebrauten Biere verantwortlich und beweisen, dass man auch schon bei der Eröffnung einer Brauerei vom klassischen und langweiligen Triplett Hell – Dunkel – Weizen abweichen kann.

Und damit Erfolg haben kann. Denn die Gäste waren samt und sonders begeistert.

Natürlich wird es bald auch ein Pilsener geben, und irgendwann auch einmal ein Dunkles. Aber im Tank gärt auch schon ein Robust Porter, und am 11. März 2015 wurde ein American IPA gebraut.

Während meines Besuchs an eben diesem Tag führten mich die beiden Brauer durch den Lagerkeller, zeigten mir jedes Detail der Brauerei und ließen mich das eine oder andere Bier direkt aus dem Tank zwickeln. Vielversprechend. Saubere Aromen, bereits während der Gär- und Lagerphase. Die Hopfen frisch, das Malz würzig.

Weiter so! Dem jungen Geschwisterpaar Joanna Różycka und Michał Jagła, die hier viel Zeit, Arbeit und Kapital investiert haben, viel Erfolg!

Die Familienbrauerei Wyszak ist täglich ab 13:00 Uhr durchgehend geöffnet. Von den Bus- und Straßenbahnhaltestelle Wyszyńskiego mit den Straßenbahnlinien 2, 3, 7, 8 und 12 sowie zahlreichen Buslinien ist sie nur drei Minuten zu Fuß entfernt; ideal also, um sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.

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Wyszak – Browar Rodzinny
ulica Księcia Mściwoja II 8
70-535 Szczecin
Polen

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2 Kommentare

  1. G. und ich sind gerade dort gewesen. Da waren – neben dem Pils und dem in der Tat recht guten Weizen – ein erfreulicherweise nur dezent vanilliges Vanilla Milk Stout und ein fruchtig gehopftes American Amber Ale im Angebot. Also ist man fast wieder bei der Taplist Deines Berichts von vor einem Jahr angelangt. Am besten hat uns beiden das American Amber Ale gefallen – und nicht etwa das von Dir so bezeichnete „Damenbier“ ;-) Auch das Essen war prima, und wir konnten dabei den Brauern ein wenig beim Reinigen der Kessel zugucken. Es schien auch Flaschen zum Mitnehmen zu geben, was wir wegen der absehbaren Unterbrechungen der Kühlkette lieber haben bleiben lassen. Aber lecker war’s!

    • Schön, zu hören, dass es Euch beiden dort gut gefallen hat. Die beiden Brauer können wirklich was, und ich finde es schön, dass das Restaurant-Management sie ab und an „von der Leine lässt“, so dass sie auch ein wenig exotischere Biere brauen können! Dieser Mut fehlt so vielen Gasthausbrauerei-Betreibern bei uns in Deutschland…

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