Brauhaus 1516 Augsburg
Augsburg
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Früher, also so richtig früher, nicht im letzten Jahrzehnt, sondern im letzten Jahrhundert, und da ziemlich zu Anfang, da hatten Bahnhofsgaststätten einen gar nicht mal so schlechten Ruf. Reisende fanden hier Anlaufstätten, in denen sie gemütlich auf ihren Zug warten konnten oder beim Umsteigen die Wartezeit überbrücken konnten. Bei leckerem, deftigen Essen, bei gutem Bier und in rustikaler, aber ansprechender, einladender Atmosphäre.

Dann kam der Niedergang. Erst wurden die Bahnhofsgaststätten zu Bahnhofskneipen, dann zu billigen Absteigen, in denen schon früh am Morgen die ersten Pegeltrinker ihren Jägermeister als Frühstück zu sich nahmen, und dann machten sie ganz zu. Oder wurden durch sogenannte Szene-Gastronomie ersetzt. Junk-Food im Stehen.

Irgendwann hatte sich die Deutsche Bahn aber besonnen und nach und nach entstehen an einigen Bahnhöfen wieder Wirtschaften, in denen Reisende sich auch wohlfühlen können – im Bahnhof Augsburg beispielsweise das Brauhaus 1516 Augsburg. Wenn hier auch vieles nur Fassade ist, so ist es doch eine ansprechende Bahnhofswirtschaft mit gutem Bier, kräftigem, deftigem Essen und reichlich Platz, so dass man, wenn der Zug Verspätung hat, auch ein wenig länger sitzen und warten kann.

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im versilberten Schriftzug spiegelt sich das Herbstlaub

Brauhaus 1516 Augsburg – dieser Name weckt in mir sofort Assoziationen.

Zum einen sehe ich in Gedanken die kupfernen Braukessel vor mir, aus dem Maischebottich duftet es, Dampfwölkchen schweben über der Würzepfanne, ein schwitzender Braumeister rührt, schaltet und waltet, und an der Theke wird das vor Ort gebraute Bier frisch aus dem Lagertank ausgeschenkt.

In der Tat, als ich den großen Saal betrete, sehe ich am hinteren Ende auch sofort den Maischebottich eines ziemlich kleinen Sudwerks. Sonst aber nichts. Ich schaue noch einmal genauer, aber es bleibt dabei. Nur ein Gerät. Ob das jetzt eine ganz neue Erfindung von Kaspar Schulz oder von Ziemann ist, das Ein-Geräte-Sudwerk? Alles in einem Bottich – Maischen, Läutern, Kochen, Whirlpool, Kühlen, Gären, Lagern?

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ein Ein-Geräte-Sudwerk?

Ach, wenn’s doch nur so wäre. Stattdessen entpuppt sich das Sudwerk als Attrappe, als reines Dekorationsstück. Es scheint zwar ein echter Bottich zu sein, aber gebraut wird darauf nicht. Wie auch, ohne weitere Verfahrenstechnik. Wer sich mit Brauereien nicht auskennt, wird darauf reinfallen und von den hier „vor Ort gebrauten“ Bieren schwärmen, aber alle anderen fühlen sich vielleicht doch ein wenig auf den Arm genommen.

Zum anderen, und jetzt kehren wir zurück zu meinen Assoziationen, habe ich den Namen Brauhaus 1516 doch schon einmal gehört? Ich krame in meinen Erinnerungen. Stimmt! In Ingolstadt gibt es eine Gasthausbrauerei im Westpark-Einkaufszentrum gleichen Namens. Ein kurzer Check auf dem schlauen Telefon – stimmt! Beide Wirtschaften teilen sich eine Website, das eine Lokal fungiert als Gasthausbrauerei (in Ingolstadt), das andere als Erlebnisgasthaus (in Augsburg). Immerhin – der Begriff Erlebnisgasthaus ist ehrlich und gibt nicht vor, dass hier gebraut wird.

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gemütliche und ansprechende Seitenräume

Na gut, keine Brauerei, sondern ein Erlebnisgasthaus also. Ich suche mir einen Platz mit Blick durch den Saal und studiere die Getränkekarte. 1516 Zwick’l nennt sich das Standardbier, das hier ausgeschenkt wird. Zwick’l mit Apostroph, über den man trefflich streiten könnte. Laut Bedienung wird das in Ingolstadt gebraut. Na prima, dann nehme ich mal ein kleines Zwick’l, einschließlich des Apostrophs, der keinen Aufpreis kostet.

Ich bekomme ein kräftig orangeleuchtendes Bier mit einem schönen, weißen Schaum, der vielleicht ein bisschen grobporig ist. Abgesehen von einer etwas zu hohen Spundung, die nicht zu einem ungefilterten Zwickl passt, schmeckt es gut – schön würzig, mild gehopft, sehr süffig. Gar nicht schlecht.

Damit hat das Hausbier also schon mal gepunktet, auch wenn es kein eigenes, vor Ort hergestelltes Produkt ist.

An den Nachbartischen wird fleißig gegessen, und das, was ich sehe, sieht durchaus solide aus. Große Portionen, die Gäste essen mit viel Appetit. Ich selbst habe keinen Hunger, sondern beschränke mich auf ein weiteres Bier, um die restliche Wartezeit bis zur Abfahrt des Zuges zu überbrücken. „Ein Weissbier, bitte“, lautet die Bestellung, und gedanklich setze ich voraus, dass dann natürlich auch das in der Karte angepriesene 1516 Weißbier vom Fass serviert wird.

Stattdessen kommt ein Gutmann Weizen aus der Flasche. Zugegeben, das ist eines der besten Weißbiere überhaupt, und ich genieße jeden einzelnen Schluck dieses Spitzenbiers, aber dennoch bleibt eine gewisse Unzufriedenheit. Warum wird ein Fremdbier serviert? Wenn es beide Biere gibt, dann hätte eine gute Bedienung nachgefragt, welches der beiden denn. Und wenn das Hausbier nicht mehr vorrätig ist, dann hätte ebenfalls darauf hingewiesen werden müssen. So, wie es jetzt gelaufen ist, fühle ich mich als Gast ein wenig vernachlässigt. Man serviert, was dem Personal gerade passt? Ist man zu faul, zu träge oder zu gedankenlos, nachzufragen? Überlastung und Hochbetrieb können als Ausrede jedenfalls nicht gelten, denn der große Saal ist zur Nachmittagszeit nicht gerade sehr voll, und die Servicekräfte schieben eine recht ruhige Kugel.

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im Gastraum

Hm, es bleibt also ein Geschmäckle. Für eine Pause zum Warten auf den Zug war es sehr schön, die Biere waren ja auch nicht schlecht, aber die Mischung aus etwas oberflächlichem Service und der Fake-Brauerei am Ende des Schankraums hinterlässt doch eine gewisse Unzufriedenheit. Das ginge besser.

Das Brauhaus 1516 Augsburg ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet. Da es ein Erlebnisgasthaus ist, finden hier regelmäßig Konzerte oder andere Events statt, die dann Eintritt kosten können oder zu denen die Getränkepreise angehoben werden. Abseits der Events ist es ein klassisches Bahnhofsrestaurant. Zu erreichen ist es, nun ja, am besten per Bahn. Vom Bahnsteig A (Gleis 1) kann man direkt hineingehen.

Bilder

Brauhaus 1516 Augsburg
Viktoriastraße 1
86 150 Augsburg
Bayern
Deutschland

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