Andělský Pivovar
Praha
CZE

Ende 2018 ist die Brauerei in Betrieb gegangen, Anfang 2019 kamen die ersten selbstgebrauten Biere aus den Zapfhähnen – die Andělský Pivovar gehört zu den jüngsten Neueröffnungen in der Prager Brauereiszene. 47 Brauereien zählt die Prager Szene derzeit, und ein Ende des Wachstums ist noch nicht abzusehen, auch wenn ganz selten mal, wie im Fall der überraschenden Schließung der Pivovar U Dobřenských im Dezember 2018, ein kleiner Rückschlag zu verzeichnen ist.

Der Ortsteil Smíchov, südlich der Kleinseite gelegen, war bis zur Eröffnung der Andělský Pivovar ein bisschen die Bier-Wüste der Stadt. Zwar wird die Siedlung durch die große Bierfabrik Pivovary Staropramen s.r.o. dominiert, aber das ist eben genau nur das: Eine Bierfabrik. Ein großer Industriebetrieb, der zwar einen schönen Ausschank, ein Museum und Erlebnisführungen durch die Brauerei anbietet, aber eben kein Betrieb ist, mit dem man sich in der Nachbarschaft identifizieren kann und den man täglich für sein Feierabendbier aufsuchen möchte.

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Andělský Pivovar

In diese Lücke ist nun die Andělský Pivovar gestoßen, und ich bin neugierig, was sie so zu bieten hat.

Von der gegenüberliegenden Straßenseite aus sehe ich durch das große Fenster schon die beiden Geräte des erstaunlich kleinen und wenig schmucken Sudwerks. Zwei simple Stahlgeräte, mit dicken Nieten zusammengetackert. Auf dem einen Gerät thront oben der unverkleidete Elektromotor des Rührwerks. Beide Geräte sind in ein simples Gestell eingespannt, alle Ventile, Leitungen und Rohre sind offen verlegt. Technik pur, ohne Schmuck, ohne Zierrat.

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durch das Fenster sieht man schon die Braukessel

Direkt dahinter befindet sich eine kleine Theke; wenn gebraut wird, steht der Barmann Schulter an Schulter mit dem Brauer. Hinter der Theke wiederum kommen noch ein paar (wenige) Tische, und dann war es das auch schon mit dem Erdgeschoss.

Aber Prag ist die Stadt der endlosen Keller. Wie oft habe ich es schon erlebt, dass ein winziges Gebäude, eine Bar, eine Brauerei, ein Restaurant, nur ein paar Sitzplätze zu bieten schien und mir dann die Augen übergingen, als ich in schier unendliche Kellerräume hinabstieg.

Ähnlich ist es auch hier. Eine schmale Treppe führt nach unten, und dort finde ich mehrere Schankräume, schöne Ziegelgewölbe, zwischen den Säulen der Gewölbe eine zweite Zapftheke und viele, viele Sitzplätze, teils in größeren Räumen, teils in kuscheligen und versteckten Ecken. Sehr ansprechend und gemütlich hier unten.

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schöne Gewölbe im Keller

Ich hole mir an der Theke ein simples Lagerbier, das Ležák 11°. In Tschechien ist das eigentlich immer die beste Wahl, um den ersten Durst zu löschen. Aber heute werde ich ein wenig enttäuscht. Das Bier wirkt auch für ein nur 4,5%iges Bier ein bisschen dünn, ihm fehlt der eigene Charakter, seine Bittere ist ein wenig kratzig und zu allem Überfluss spüre ich im Aroma leichte Schwefelnoten. Da habe ich in Prag schon bessere Lagerbiere gehabt. Man kann es zwar trinken, aber die wahre Freude ist es nicht – es gibt keinen Grund, innerlich ein Freudentänzchen aufzuführen oder die besten Bierkumpels morgens um zwei aufzuwecken, um ihnen von diesem Bier unbedingt zu erzählen…

Na gut, dann bestelle ich mir jetzt erstmal was zu essen, und dann sehen wir weiter. Die riesige und scharfe Paprika-Bratwurst wird in Windeseile serviert, und als wäre sie nicht schon scharf genug, gibt es dazu noch Peperoni, Senf und frisch geriebenen Kren. Ein paar Scheiben frisches Graubrot, und der Imbiss zum Bier ist perfekt.

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der perfekte Imbiss zum Bier

Moment mal, zum Bier? Stimmt, das habe ich ja gerade ausgetrunken …

Ich wende mich an den etwas kurz angebundenen, aber nicht unhöflichen Kellner. Ob ich denn wohl das India Pale Ale zur Paprika-Bratwurst haben könnte – das müsste mit seiner Bittere jetzt hervorragend passen. „IPA ist aus“, lautet leider die Antwort.

Ich schaue auf die Tafel an der Wand. Neben dem Lager und dem IPA gibt es nur noch das dreizehngrädige Kolagen. Ein merkwürdiger Name für ein Bier, aber, wie ich erfahre, ein passender: Es sei ein „Damenbier“, mit nur geringer Bittere, eher malzsüßlich, und es sei Kollagen zugesetzt, das würde bei dem Damen den Falten vorbeugen, die Haut straffen und überhaupt ein tolles Anti-Aging-Produkt sein. „Ach, und bei den Herren? Hilft das Kollagen da nicht?“ Der Kellner zeigt sich sichtlich irritiert und weicht aus: Das Kolagen sei ebenfalls alle. Ausverkauft.

Es stellt sich raus, dass das Ležák 11° heute das einzige verfügbare Bier aus eigener Produktion ist. Etwas enttäuschend!

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das Ležák 11° ist das einzige verfügbare Bier aus eigener Produktion

Allerdings ist noch ein Gastbier im Angebot, gebraut von der Wanderbrauerei Skylon, und zwar hier in der Andělský Pivovar auf deren Hardware. Smrkonaut 10° Herb Ale nennt sich das Bier und ist ein Kräuterbier mit Fichtensprossen. Wer oder was sich hinter der Skylon Létající Pivovar verbirgt, bekomme ich heute Abend nicht raus, aber immerhin schmeckt das Bier mit seinen terpenartigen Aromen recht interessant und verleiht mit seinen Kräuternoten der Paprikawurst einen besonderen Touch. Aber ob ich dieses Bier auch in größeren Mengen trinken wollen würde? Ich habe da so meine Zweifel.

Es bleiben so ein paar gemischte Gefühle. Einerseits schön, dass Smíchov jetzt endlich auch eine eigene Kleinbrauerei hat. Ihr Ambiente ist schön, in den weitläufigen Gewölbekellern fühlt man sich wohl. Aber wenn man von den hier gebrauten Bieren nur eines anbieten kann und die anderen ausverkauft sind, dann hat man sich wohl ein wenig verkalkuliert. Wenigstens sollte man sich dann aber die Zeit nehmen und die Wandtafeln entsprechend aktualisieren – es ist für den Gast ziemlich nervig, etwas zu bestellen, was gerade beworben wird, nur um zu erfahren, dass es doch gerade aus ist…

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offensichtlich ist die Kapazität dieses Sudwerks zu gering

Ach, und an der Qualität und Ausgewogenheit des Lagers könnte man durchaus auch noch feilen. Den leichten Schwefelgeruch könnte man vermutlich durch eine andere Gärführung vermeiden (oder durch deutlich längere Lagerung), und die kratzige Bittere muss ebenfalls nicht unbedingt sein. Da ist schon noch Luft nach oben.

Die Andělský Pivovar ist täglich von 11:00 Uhr bis Mitternacht durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen ist sie in zwei bis drei Minuten zu Fuß vom Verkehrsknotenpunkt Anděl. Hier halten die Straßenbahnlinien 1, 4, 5, 7, 9, 10, 12, 13, 14, 15, 16, 20, 21 und 25 und die U-Bahn-Linie B.

Bilder

Andělský Pivovar
Lidická 337/30
150 00 Praha
Tschechien

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